Inmitten der euphorischen Debatte um künstliche Intelligenz werden soziale und ökologische Kosten vernachlässigt, schreibt mosaik-Redakteur Mathias Krams.
Wird künstliche Intelligenz (KI) menschliche Arbeit bald komplett ersetzen? Längst unterstützt sie bei einer Vielzahl von Aufgaben: von der Gesichtserkennung am Handy, bei Planungs- und Entwicklungsprozessen, in der Kund:innenbetreung und nicht zuletzt bei der Textproduktion. ChatGPT hat, auch wegen seiner freien Zugänglichkeit, eine regelrechte KI-Euphorie entfacht. Selbst Teile der radikalen Linken träumen von einer Welt, in der Maschinen einen Großteil der Arbeit übernehmen. „Roboter Kommunismus“ nennt dies etwa die Wiener ‚Plattform Radikale Linke‘ (PRL). In einem Plädoyer von 2020 heißt es dazu: „In naher Zukunft könnten bis zu 80 Prozent der jetzigen Lohnarbeit durch Maschinen ersetzt werden. […] Das muss die radikale Linke aufgreifen und vorantreiben.“ Angelehnt wird sich dabei offensichtlich an Aaron Bastanis Vision eines vollautomatisierten Luxus-Kommunismus. Hochtechnologisierung überwindet darin Knappheit etwa durch Ressourcen-Extraktivismus aus dem All.
Doch diese Vision der Vollautomatisierung stößt innerhalb der Linken auf Kritik. Christian Fuchs kommt in seiner Auseinandersetzung mit sozialistischen Antworten auf den digitalen Kapitalismus zu dem Schluss, dass „ein Robotersozialismus, wo Roboter Menschen ersetzen, einerseits nicht möglich und andererseits nicht wünschenswert“ sei, „da es bestimmte Tätigkeiten gibt, deren Automatisierung menschenfeindlich ist“. Zu kurz kommt in Technik-Utopien laut Potjeh Stojanovic außerdem die Frage nach der „politisch-demokratischen Kontrolle der Technik“. Er warnt in seinem Mosaik-Beitrag davor, „Technologie als zentrales befreiendes Instrument zu überhöhen“. Ein weiteres Problem: eine KI, die mit von Rassismus und Sexismus durchzogenem Wissen gefüttert wird, trifft auf Grundlage dieses Wissens auch ihre Entscheidungen – und wird so selbst zum Rassisten und Sexisten. Nicht zuletzt gilt es aus linker Perspektive auch einen Blick auf die die sozialen und ökologischen Voraussetzungen von KI und Vollautomatisierung zu werfen.
Künstliche Intelligenz aus Gestein, Lithium und Erdöl
„Die Cloud ist das Rückgrat der Industrie für künstliche Intelligenz. Und sie besteht aus Gestein, Lithium und Erdöl“, schreibt Kate Crawford in ‚Atlas of AI‘. Darin thematisiert sie unter anderem den enormen Energie- und Wasserverbrauch von Datenzentren sowie die Ressourcen-Ausbeutung, die für den Aufbau der materiellen Infrastruktur von Tech-Utopien nötig ist.
Der Energieverbrauch der Digitalisierung und die damit verknüpften Treibhausgasemissionen werden oft unterschätzt. Schon heute ist computergestützte Infrastruktur für ebenso viel Emissionen verantwortlich, wie die globale Luftfahrt. Die Ausweitung des Einsatzes von künstlicher Intelligenz wird diesen Energiebedarf deutlich erhöhen. Schon das langwierige Training der KI-Algorithmen verbraucht große Mengen an Energie. Im Falle von Open AI schätzungsweise so viel, wie der Jahresverbrauch einer kompletten Kleinstadt. Prognosen gehen davon aus, dass sich der Energieverbrauch von Datenzentren bis 2030 verfünfzehnfacht. Und dass der Tech-Sektor bis 2040 für 14 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sein wird.
Neben dem Energieverbrauch stellt in Zeiten zunehmender Dürren der Wasserverbrauch der Digitalisierung ein enormes Problem dar. Einen halben Liter Trinkwasser verbraucht eine durchschnittliche Unterhaltung mit dem KI-Bot ChatGPT. Denn Rechenzentren setzen zur Kühlung wegen der höheren Energieeffizienz zunehmend auf Wasser. 300 bis 500 Millionen Liter verbrauchen große Rechenzentren in den USA pro Jahr. Immer öfter kommt es aus diesem Grund zu Widerstand. Nicht nur in den USA. Auch in den Niederlanden, Irland und Luxemburg wurden geplante Rechenzentren wegen des hohen Wasserbedarfs vorerst gestoppt. Mehr Digitalisierung und Automatisierung bedeutet darüber hinaus auch mehr Ressourcenverbrauch – und damit mehr Extraktivismus. Doch schon heute sind viele planetare Belastungsgrenzen überschritten. Unmittelbare Folgen dieser nicht enden wollenden Naturaneignung sind eine steigende Wahrscheinlichkeit von Pandemien sowie zunehmende globale Ungleichheit durch eingeschränkten Zugang zu sauberem Wasser und Ernährung.
Die vergessene Arbeit
Die KI-Euphorie, genauso wie die Träumerei eines Roboter-Kommunismus, übergehen nicht nur die ökologischen Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung. Sie machen auch die menschliche Arbeit, die hinter der Technik steckt, unsichtbar. Denn Roboter müssen gebaut, die dafür notwendigen Rohstoffe geschürft, künstliche Intelligenz trainiert und Maschinen gewartet werden. Viele dieser Tätigkeiten finden nicht in den hochindustrialisierten globalen Zentren statt, sondern sind ausgelagert in die Peripherie. An Orte, an denen die Arbeit unter besonders prekären Umständen erbracht werden muss. Und wie bei der Ausbeutung von Ressourcen mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltbelastung in Zusammenhang steht. Roboter und künstliche Intelligenz hier, bedeutet daher oftmals den Zugriff auf und die Ausbeutung von menschlicher Arbeit andernorts.
Auch maschinelles Lernen, die Grundlage künstlicher Intelligenz, ist kein Selbstläufer. Denn dieses Lernen findet großteils als sogenanntes überwachtes Lernen statt. Dabei wird ein Algorithmus mit von Menschen kodiertem Material gefüttert und lernt so zu unterscheiden. Menschliche Arbeit braucht es in diesem Prozess auch, um die Qualität und Eignung des Datenmaterials sicherzustellen und ‚Lernfehler‘ zu vermeiden. Diese für die KI grundlegende Arbeit findet laut Untersuchung der Internationale Arbeitsorganisation oftmals unter äußerst prekären Arbeitsbedingungen statt. In der Debatte um KI und Maschinisierung ins Hintertreffen zu geraten droht außerdem all die Arbeit, die nicht durch Maschinen ersetzt werden kann oder sollte. Etwa Care-Arbeit für Menschen im Bereich Gesundheit, Pflege und Bildung. Oder Care-Arbeit für die Natur, in Form von kleinbäuerlicher Landwirtschaft.
Weniger Verbrauch und bessere Arbeit statt Roboter-Kommunismus
Trotz sinnvoller Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz und nützlicher Formen der Automatisierung: die potenziell damit verknüpften sozialen und ökologischen Kosten sind nicht zu unterschätzen. Angesichts der ökologischen Krise sollte eine gerechtigkeitsorientierte Perspektive darauf hinarbeiten, den Ressourcen- und Energieverbrauch in den frühindustrialisierten Ländern wie Österreich deutlich zu reduzieren. Das steht im Widerspruch zur Utopie einer Gesellschaft, in der künstliche Intelligenz und Vollautomatisierung einen Großteil der Arbeit übernehmen. Weniger Ressourcen- und Energieverbrauch bedeutet in vielen Bereichen, wie etwa der Landwirtschaft, gar mehr menschliche Arbeit. Dies macht den Kampf um angemessene Bedingungen menschlicher Arbeit, hier, als auch andernorts, umso zentraler. Und lässt Gedanken dazu, ob künstliche Intelligenz womöglich den Weg in eine arbeitsfreie, nachhaltige Überflussgesellschaft ebnen könnte, als das erscheinen, was sie sind: Träumereien.
Foto: Google Deepmind