Warum Bernie Sanders der beste Kandidat gegen Trump ist

Der Sozialist Bernie Sanders gilt nicht nur in den Vorwahlen der demokratischen Partei als der Lieblingskandidat der US-Linken. Er hat auch die beste Chance, den Republikaner Donald Trump in der Präsidentschaftswahl zu besiegen. Adam Baltner erklärt, warum das so ist.

Die Vorwahlen der demokratischen Partei sind noch längst nicht entschieden. Doch nach Bernie Sanders’ jüngsten Erfolgen in den Bundesstaaten Iowa und New Hampshire steht fest: Mehr denn je ist der sozialistische Senator in der Favoritenrolle im Kampf um die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatur.

Darauf deuten nicht nur die Umfragen und Wettquoten hin. Ein noch besseres Indiz für Sanders’ Chancen ist die lauter werdende Verzweiflung des demokratischen Parteiestablishments und dessen medialer Verbündeter.

Dem liberalen Kommentator Jonathan Chait zufolge wäre es ein „Akt des Wahnsinns“, Sanders gegen Trump aufzustellen. Sanders wäre zu links. Ähnlich sieht das Hillary Clinton. Man brauche eine „klare Perspektive darüber, was man braucht um zu gewinnen“ statt PolitikerInnen, die „den Mond versprechen“, betonte sie letzte Woche in der Talkshow von Ellen DeGeneres.

Dass ausgerechnet Clinton – die 2016 von Trump in der Präsidentschaftswahl besiegt wurde – im nationalen Fernsehen ungefragt strategische Ratschläge verteilt, ist so unverschämt wie lächerlich. Tatsächlich ist der von ihr und Chait vertretene Lehrsatz, ein rechter Demokrat hätte die besten Aussichten gegen Trump, weit weniger plausibel, als es auf den ersten Blick scheint. Vielmehr spricht vieles für das genaue Gegenteil. Hier sind drei Gründe, warum ein vehementer Verfechter der amerikanischen ArbeiterInnenklasse wie Sanders viel besser gegen Trump abschneiden würde als einE moderate KandidatIn der Mitte.

Erster Grund: Wir leben in einem Moment der Krisen, die die Mitte nicht lösen kann

Der auch in deutschsprachigen Medien populären Gleichsetzung von Wählbarkeit und ideologischer Mäßigung liegen zwei Vorstellungen zugrunde, die selten hinterfragt werden: Erstens, eine Vorstellung der WählerInnenschaft als Sammlung von Menschen mit kohärenten weltanschaulichen Bekenntnissen, die auf einem von links bis rechts laufenden linearen Spektrum stehen. Und zweitens die Idee, dass Wahlen Wettbewerbe um jene WählerInnen sind, die rund um die Mitte dieses Spektrums angesiedelt sind. Die These lautet dann: Stehen KandidatInnen zu weit rechts oder links, verlieren sie diese WählerInnen an moderatere GegnerInnen.

Diese Vorstellungen waren immer schon fragwürdig. Doch heute ist besonders offensichtlich, dass sie der Wirklichkeit nicht entsprechen.

Von wachsender Ungleichheit über die weltweit steigende Zahl an Zuflucht suchenden Menschen bis hin zur voranschreitenden Klimakatastrophe hat sich in den letzten Jahren eine Reihe sozialer und ökologischer Krisen zugespitzt. Vielen geht es materiell schlechter als vor der Weltwirtschaftskrise von 2007/2008. Viele blicken weniger opitimistisch in die Zukunft als früher. Gleichzeitig haben sich die herrschenden moderaten PolitikerInnen als unfähig erwiesen, diese Krisen zu lösen. Das hat nicht nur zu einem massiven Vertrauensverlust in die angeblich vernünftige Mitte geführt. Es hat auch viele WählerInnen für radikalere politische Ansätze von rechts sowie links ansprechbar gemacht.

Vor dem Hintergrund dieser Polarisierung fand 2016 Trumps Versprechen einer radikalen Abschottung (Stichwort: „Build the Wall!“) großen Zuspruch. Um ihn 2020 zu besiegen, sollten die DemokratInnen Sanders nominieren. Denn mit seinem Versprechen eines dramatischen Ausbaus des kaum vorhandenen US-Sozialstaates ist er der einzige Kandidat, der zumindest ebenso radikale Lösungen wie Trump anbietet. Für viele wirkt alles andere einfach nicht mehr vertrauenswürdig.

Zweiter Grund: Sanders kommt bei empörten WählerInnen gut an

Doch für einen demokratischen Sieg in der kommenden Präsidentschaftswahl wird ein radikales Wahlprogramm allein nicht ausreichen. Die Partei braucht eineN KandidatIn, der WählerInnen auf einer emotionalen Ebene anspricht. Und in den USA gibt es kaum jemanden, der das so gut kann wie Sanders.

Die politische Mitte zerbröselt, weil viele Menschen sich im Stich gelassen fühlen. Während sich ihre Lebensbedingungen verschlechtern, erkennen sie nicht nur, dass die herrschenden PolitikerInnen wenig dagegen tun. Richtigerweise erkennen sie auch, dass die etablierten PolitikerInnen vor allem im Interesse der Mächtigen handeln. Das führt zu einer Empörung, die sich manchmal reaktionäre Formen annimmt. Aber dieses Gefühl kann auch in eine progressive Richtung gelenkt werden.

Ähnlich wie Trump dient Sanders durch seine leidenschaftliche Rhetorik als Sprachrohr für die gerechtfertigte Empörung, die breite Teile der WählerInnenschaft empfinden. Nur richtet Sanders sie nicht gegen MexikanerIinnen oder MuslimInnen, sondern gegen „die Millionäre und Milliardäre“ – sprich gegen diejenigen, die vom ungerechten wirtschaftlichen System profitieren.

Dritter Grund: Sanders ist ein echter Gegner der Elite

Wenn es jemals einen Menschen gab, der besonders vom ungerechten amerikanischen Wirtschaftssystem profitierte, ist es Donald Trump. Doch letztendlich gewann der milliardenschwere Immobilienmagnat 2016, weil er sich erfolgreich gegen die sozioökonomische Elite der USA positionierte. Das machte er zum einen durch seine Kritik am globalen Freihandel, aber vor allem dadurch, dass er durch sein ungehobeltes Benehmen den offiziell akzeptierten Sitten der herrschenden Klasse widersprach. Auch wenn er die materiellen Interessen dieser (seiner) Klasse nie ernsthaft in Frage stellte, konnte sich Trump damit als Freund des „kleinen Mannes“ inszenieren.

Gegen die Lieblingskandidatin der Wall Street Hillary Clinton gelang ihm das leicht. Gegen die meisten demokratischen KandidatInnen, die jetzt noch im Rennen sind, sollte es ihm nicht schwer fallen. Denn fast alle akzeptieren Großspenden von Milliardären wie ihm. Nur bei Sanders kann diese Strategie kaum aufgehen.

Sanders lehnt nicht nur Spenden von Lobbygruppen und GroßspenderInnen ab. Er hat auch sein ganzes Leben lang gegen Eliten wie Trump gekämpft. Als Präsidentschaftskandidat wäre er perfekt dazu geeignet, Trumps „Populismus“ als glatten Betrug zu entlarven – und dem „Landlord-in-Chief“ Amerikas das Amt abzunehmen.

Vorstellungen von Wählbarkeit sind durch Klassenpositionen beeinflusst

Es sollte daher niemanden überraschen, dass Sanders seit fünf Jahren in Umfragen zu einer hypothetischen Wahl zwischen den beiden vor Trump liegt. Warum behaupten ParteifunktionärInnen und parteigetreue Medienpersönlichkeiten trotzdem, Sanders würde gegen Trump verlieren?

Im Falle von hochrangigen Insidern der Partei wie Hillary Clinton liegt eine Erklärung auf der Hand. Sie verstehen sich als Teil des demokratischen Establishment, das Sanders angreift. Sie wollen ihn stoppen, um ihren Einfluss zu bewahren. Da Trump zu besiegen die höchste Priorität der demokratischen StammwählerInnenschaft ist, spielen sie Sanders’ Chancen gegen Trump herunter, um ihm in den Vorwahlen zu schaden.

Aber es wäre ein Fehler zu glauben, dass Sanders’ Chancen einfach absichtlich und wider besseres Wissen heruntergespielt werden. Wegen ihrer eigenen privilegierten Klassenposition verstehen vor allem viele JournalistInnen einfach nicht, was Menschen an Sanders anspricht. Sie selbst fühlen sich nicht durch seine Klassenpolitik angesprochen, sie projizieren dieses Gefühl auf die WählerInnenschaft. Ihre Skepsis gegenüber Sanders’ Wählbarkeit basiert weniger auf analytisch differenzierten Argumenten oder empirischen Daten als auf dieser Projektion.

Als BeobachterInnen der US-Wahlen, sollten wir (selbst-)kritischer sein als die Mainstream-MeinungsmacherInnen. Denn das sind die selben Leute, die uns vor vier Jahren erzählten, ein Präsident Trump wäre undenkbar.

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