Bis Dienstag, den 23. April, läuft noch die Wahl zur Arbeiterkammer (AK) in Wien. Dort treten gleich drei linke kämpferische Listen an. Anselm Schindler hat mit den Spitzenkandidat*innen von GLB, KOMintern und LINKS gesprochen, um zu klären, wie sich die Gruppen unterscheiden.
„Der Tag heute war schon recht lang“, sagt Oliver Jonischkeit entschuldigend als er ans Telefon geht. Er klingt etwas abgehetzt, dabei ist es erst 11.00 Uhr. Den Morgen hat er mit dem Verteilen von Wahlwerbung für den Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB) verbracht. Er steht der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) nahe. Ob die Wahlerfolge der KPÖ in Graz, Salzburg und Innsbruck auch dem GLB bei der Wahl für die Arbeiterkammer helfen? „Ein bisschen, aber wichtiger ist die Verankerung in den Betrieben“, antwortet Oliver. Und die ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich stark. Der GLB schnitt bei den letzten AK-Wahlen vor Allem im Sozialbereich gut ab. Es gibt aber auch einige Industrie- und IT-Betriebe, in denen Oliver und seine Genoss*innen gute Wahlerfolge erreichen konnten. Das Austrian Institute of Technology beispielsweise, das allein in Wien 900 Beschäftigte hat, oder auch der Autoteilehersteller Magna Steyr.
Kämpferische Alternativen links des FSG
Kommunist*innen wie Oliver stehen in der Arbeiterkammer (AK) einer sozialdemokratischen Mehrheit gegenüber. Bei der letzten Wiener AK-Wahl 2019 holte die SPÖ-nahe Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter*innen (FSG) mehr als 60 Prozent. Auch bei dieser Wahl ist bereits klar, dass die sozialdemokratische Fraktion das Rennen machen wird. Der FSG trete nicht kämpferisch genug für die Interessen der Arbeitnehmer*innen auf, kritisiert Oliver. Das zeigten auch die schlechten Abschlüsse bei den Kollektivvertragsverhandlungen. Aber was hat die AK-Wahl überhaupt damit zu tun, was Leute verdienen? Die AK könne ohnehin nicht direkt Arbeitskämpfe führen, das liege bei den Betriebsräten und Gewerkschaften, erklärt Oliver. „Aber die AK kann die Arbeitskämpfe, die in den letzten Jahren wieder mehr geführt werden, viel stärker unterstützen, als das bisher passiert“. Vor allem jetzt, wo es eine hohe Streikbereitschaft in vielen Branchen gebe und die Löhne den Teuerungen hinterherhinkten.
„Die Arbeiterkammer kann Daten zu Betrieben und Branchen liefern, die dann von den Gewerkschaften genutzt werden“, sagt Oliver. „Zum Beispiel wie sich Unternehmen entwickeln, wie viele Gewinn gemacht wird. Das macht es für die Gewerkschaften leichter, Forderungen zu stellen.“
Innerlinke Konkurrenz oder gegenseitiger Respekt?
Neben dem GLB treten zwei weitere dezidiert linke Listen in Wien an. Die Kommunistische Gewerkschaftsinitiative International (KOMintern) und dieses Jahr zum ersten mal auch die Liste LINKS, die zur gleichnamigen Partei gehört. „Wir stehen zu den anderen linken Listen nicht in Konkurrenz“, sagt Oliver. „Es geht mehr darum, sich gegenseitig zu ergänzen und wir versuchen, wo es geht auch Absprachen zu treffen“.
Eine der Hauptforderungen des GLB ist eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. „Die Produktivität steigt seit Jahrzehnten. Das muss sich auch in Arbeitszeitverkürzungen spiegeln“, sagt Oliver. Dem pflichtet auch Selma Schacht zu, die als freigestellte Betriebsrätin bei Bildung im Mittelpunkt (BiM) arbeitet. Selma war eine der Betriebsrät*innen, die 2009 wegen verschiedener Konflikte aus dem Linksblock „herausgedrängt wurden“, wie sie sagt. Am GLB vermisst sie eine parteiunabhängige Positionierung und, dass er die Arbeiter*innenklasse richtig abbildet. „Die Arbeiter*innenklasse ist multiethnisch und ihre Organisationen müssen es auch sein.“
International seit 2009
Selma und viele andere klassenbewusste Genoss*innen gründeten 2009 die KOMintern. Die KOMintern schließt in ihrem Engagement in Betrieben, AK und Gesellschaft auch stark linke, migrantische Organisationen mit ein. Vor allem auch die türkischen Linke und kurdische Genoss*innen. Etwas, das den GLB stört? Nicht unbedingt. „Ich bewundere Selmas Engagement in diesem Bereich“, sagt Oliver.
Selmas Arbeitgeber BiM übernimmt als Unternehmen der Stadt Wien die Freizeitpädagogik für Volksschulen. Insgesamt arbeiten 2.700 Leute bei BiM. Der Betriebsrat rief letzten Sommer zu Streiks und Aktionen auf, um die von der Regierung geplante Novelle der Schulgesetze zu verhindern. Sie würde gravierende Auswirkungen auf die schulische Freizeitpädagogik und auf die Angestellten bei BiM haben. Der Betriebsrat warnt unter anderem vor der Streichung von Stellen.
Die von Selma und ihren Kolleg*innen angeleierten und von KOMintern unterstützten Proteste waren mit die massivsten Arbeitskämpfe, die Wien im letzten Jahr gesehen hat. Seither versuchen Selma, ihre Betriebsrats-Kolleg*innen und die Aktivist*innen im Aktions- und Streikkomitee den Druck aufrecht zu erhalten. „Die Belegschaft bei BiM ist weiter streikbereit, bei einer Urabstimmung haben sich 94 Prozent gegen die Regierungspläne ausgesprochen und für weitere Arbeitskämpfe bereiterklärt“, sagt Selma.
Die Newcomer mit Arbeitskampf-Erfahrung
Bleiben noch die linken Newcomer bei der AK-Wahl, die Liste der Partei LINKS. Dort tritt Florian Rath als Spitzenkandidat an. Rath ist jünger als viele anderen Bewerber*innen, aber hat trotzdem schon einige Erfahrungen in Sachen Arbeitskampf gesammelt. 2022 gründete er beim IT-Startup Blackshark AI einen Betriebsrat. „Die Firma wird im Silicon Valley-Stil geführt“, sagt Florian. Damit meint er den hohen Arbeits- und Erfolgsdruck bei wenig Arbeitnehmer*innen-Rechten. „Wie das bei Startups in dem Bereich so ist, ist die Firma sehr schnell gewachsen. Von 40 auf mehr als 100 Mitarbeiter*innen in kurzer Zeit. Nur wurden die dann auch schnell wieder fallengelassen, wenn es wirtschaftlich nicht so gut lief“, erinnert sich Florian. „Das hatten wir zuvor schon geahnt. Deshalb habe ich mich gemeinsam mit Kolleg*innen dafür eingesetzt, dass ein Betriebsrat gegründet wird.“
Dabei ging es vor allem um das Aufstellen eines Sozialplans. „Teil des Sozialplans war es, dass Kolleg*innen, die von einer Kündigung besonders hart betroffen sind, Unterstützung bekommen. Der Betriebsrat hielt knapp ein Jahr. Obwohl die Unternehmensleitung stark Stimmung gegen die Selbstorganisierung gemacht habe. „Dann hat die Unternehmensleitung der Belegschaft versprochen, dass die Angestellten Firmen-Aktien bekommen, wenn sie den Betriebsrat abwählen. Das ist dann auch passiert, aus den Aktien ist aber nichts geworden“ (Ein Video, das das Vorgehen der Firma belegt, liegt der Redaktion vor). Inzwischen ist Florian in Bildungskarenz, studiert am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien und arbeitet nebenbei an einem Würstelstand in Simmering.
Wider der Zersplitterung
Unterstützung bekamen Florian und sein Kampf für einen Betriebsrat vom GLB und von LINKS. Es sei der Vorteil einer Partei, dass dort viel Erfahrung zusammenkomme und man sich an dieser Erfahrung orientieren könne, sagt er. Seine Erfahrung will er auch bei der AK einsetzen. Und das am liebsten gemeinsam mit den Genoss*innen von GLB und KOMintern. Man wolle auf jeden Fall gut zusammenarbeiten, betont Florian. Dass Links überhaupt mit einer eigenen Liste antrete, habe mehrere Gründe. Zum Beispiel, dass man recht spät begonnen hat, sich auf die AK-Wahl vorzubereiten. Die anderen Listen waren da schon aufgestellt und Kooperationen nicht mehr mögllich. Gleichzeitig versucht LINKS aber auch eigene inhaltliche Akzente zu setzen, beispielsweise bei Themen wie Klimagerechtigkeit und Queerfeminismus. Künftig kann sich Florian aber vorstellen, mit einer gemeinsame Liste anzutreten. Ähnliche Töne schlagen auch Selma und Oliver an.
Diese Idee bekommt dadurch Brisanz, dass aus dem FSG in den letzten Jahren immer wieder Forderungen nach einer Prozent-Hürde für die AK-Wahlen laut wurden. Sollte es dazu kommen, müssten sich die linken Listen allein schon deshalb zusammenschließen, um auch in fünf Jahren wieder sicher in der AK vertreten zu sein.
Titelfoto: Initiative Sozial Aber Nicht Blöd