Aserbaidschan: Wie die EU einen Autokraten unterstützt

Flagge von Aserbaidschan weht im Wind

In Aserbaidschan wird heute der Autokrat Ilham Aliyev wiedergewählt. Er stützt seine Macht auf Gasexporte nach Europa, schreibt Anselm Schindler.

Ilham Aliyev regiert Aserbaidschan seit 20 Jahren mit harter Hand. Das es noch mehr werden ist bereits klar, bevor die Stimmzettel der Präsidentschaftswahl vollständig ausgezählt sind. Umfragen sahen Aliyev bei mehr als 90 Prozent. Wenig verwunderlich, da die anderen Kandidaten Staffage sind – sie rufen ebenfalls zur Wahl Aliyevs auf. Echte Oppositionelle werden unterdrückt. Demokratie-Rankings, wie das der Uni Würzburg, ordnen das Land hinter Ländern wie der Türkei oder dem Iran ein.

EU hält sich mit Kritik zurück

Die EU bemängelt zwar die Umstände der heutigen Wahl, arbeitet aber sonst eng mit dem Regime zusammen. Menschenrechtler:innen wie Ilias Uyar kritisieren diese Zusammenarbeit. Uyar ist Rechtsanwalt, Armenier und lebt in Köln. „Die EU hat mit dem Gas-Deal nicht nur einen Diktator und seine Kleptokratie gestützt, sondern auch seine Vernichtungsphantasien“, sagt Uyar gegenüber mosaik. Damit liefert er eine Antwort auf die Frage, warum die EU sich mit Kritik an der Regierung in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, gerne zurückhält: Gas. Kurz nach der Eskalation des Ukraine-Krieges unterzeichnete die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, eine Absichtserklärung: Die Gas-Exporte an die EU sollen von bislang jährlich rund zehn auf 20 Milliarden Kubikmeter steigen – bis 2027. Ein ambitioniertes Ziel.

Die „Vernichtungsphantasien“, von denen Uyar spricht, zeigen sich derweil in der Vertreibung von rund 120.000 Armenier:innen aus der ehemals armenischen Republik Arzach, die im vergangenen Jahr von Aserbaidschan besetzt wurde. Das Vorgehen in Arzach wird häufig als ethnische Säuberung eingeordnet. Der Deal und die Vertreibung hängen zusammen. Ohne die Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor wäre Aserbaidschan nicht die Regionalmacht, zu der sie in den letzten Jahren aufgestiegen ist. Erdgas- und Öl sichern Aliyevs Herrschaft, rund 80 Prozent der Exporteinnahmen Aserbaidschans kommen vom Verkauf fossiler Energieträger. Mit dem neuen EU-Deal werden diese Einnahmen weiter steigen. 

Die Rolle Wiens

Das Gas von den Bohrinseln an der Küste Bakus in die EU zu transportieren kostet viel Geld und erfordert Absprachen zwischen Regierungen und Konzernen. An dieser Stelle kommt Wien ins Spiel: Hier findet auch diesen März wieder die European Gas Conference statt, bei der es um fossile Deals und die Finanzierung der dazugehörigen Infrastruktur geht. Es dringt nicht viel nach außen von der Konferenz. Noch ist nicht einmal klar, in welchem Nobelhotel sie dieses Jahr stattfinden wird. Wahrscheinlich aber ist, dass es auch um die Rolle der Aliyev-Autokratie für die Energieversorgung in Europa gehen wird. Darauf deutet auch hin, dass auf der Konferenz ein Vertreter des türkischen Außenministeriums sprechen wird – Caner Can. Die Türkei nimmt bezüglich des Transports des Gases aus Aserbaidschan nach Europa eine Schlüsselrolle ein. Die Transanatolische Pipeline (TANAP) ist eine der wichtigsten Energierouten in der Region. Beim Ausbau des Gas-Netzes dürfte auch die Nähe der aserbaidschanischen Küste zu Turkmenistan eine Rolle spielen. Turkmenistan ist das Land mit dem viertgrößten Erdgasvorkommen weltweit. 

So lange fossile Energieträger im Fokus der EU-Politik stehen, wird es wohl keine Gerechtigkeit für die aus Arzach vertriebenen Armenier:innen geben, für die Ilias Uyar die „Rückkehrmöglichkeit in ihre Heimat unter internationalem Schutz“ fordert. Von Klimagerechtigkeit ganz zu schweigen.

Foto: Hikmat Gafarzada

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