Seit heute Morgen tagt in Wien die Europäische Gaskonferenz. Und wird von hunderten Aktivist:innen blockiert. mosaik spricht mit den Sprecherinnen des Bündnisses BlockGas, Verena Gradinger und Frankie Becker, über die Aktion.
Montag Morgen ist viel los am Wiener Ring, rund um das Hotel Marriott. Aktivist:innen skandieren Sprechchöre, Polizeisirenen schallen durch die Luft und eine Sitzblockade packt eine aufblasbare Pipeline mit der Aufschrift „Gas = Co2lonialism“ aus. Ein Polizeihubschrauber kreist über der Stadt und während Democlowns noch den Stadtpark bespaßen, gibt es bereits um acht Uhr mindestens eine Festnahme. Es ist der erste Tag der jährlich in Wien stattfindenden Europäischen Gaskonferenz. Das internationale Bündnis „BlockGas“ hat sich zum Ziel gesetzt, den Teilnehmenden die Konferenz so ungemütlich wie möglich zu machen.
mosaik: Ihr blockiert gerade das Hotel Marriott, in dem ab heute die Europäische Gaskonferenz stattfindet. Warum?
Frankie Becker: Bei der Konferenz treffen sich Vertreter:innen von Energiekonzernen, Finanzinvestoren und der EU. Sie entscheiden über unsere Köpfe hinweg, nicht nur über unsere Zukunft, sondern auch ignorant gegenüber all dem Leid, das schon passiert.
Auf der Website der Gaskonferenz wird sogar stolz auf mehr als 100 private Treffen für die Lobbyisten hingewiesen. Diese Treffen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, das ist absolut undemokratisch.
Dass die Konferenz mit Klimagerechtigkeit nicht vereinbar ist zeigt sich schon daran, dass die OMV, also einer von Österreichs größten Klimakillern, Gastgeber ist. Neben der OMV sind von Shell über BP und Total bis RWE alle großen Unternehmen dabei. Sie treffen sich in Wien mit Investoren wie BlackRock und hochrangigen europäischen Politikern. Dabei geht es um Milliarden-Deals. Die Projekte, über die bei der Gas Conference gesprochen wird, würden uns für weitere Jahrzehnte an fossile Energieträger fesseln.
Warum denkt ihr, mit eurem Protest Entscheidungsträger:innen auf der Europäischen Gaskonferenz beeinflussen zu können? Ist das überhaupt euer Ziel?
Verena Gradinger: Wir denken nicht, dass sich Konzerne durch gute Argumente überzeugen lassen, denn sie sind in ein kapitalistisches Wirtschaftssystem eingebunden, in dem alle in Konkurrenz zueinander stehen. Diese Konkurrenz führt dazu, dass jeder Konzern dazu verdammt ist, immer besser, mehr und billiger zu produzieren als die Konkurrenten, weil er sonst schlussendlich pleite geht. Man kommt aus dieser Logik nicht durch gute Argumente heraus, sondern nur dadurch, dass man die Macht der Konzerne bricht und eine Alternative zum Kapitalismus schafft. Wie, das wurde ja unter Anderem bei diversen Panels bei der Power to the People-Konferenz diskutiert.
Ich denke, man kann sich da auch von den Auseinandersetzungen, die gerade in Frankreich stattfinden, inspirieren lassen. Dort zeigen die Arbeiter:innen nicht zuletzt auch in der Energiebranche, dass sie die Macht haben, alles lahmzulegen, wenn sie sich zusammentun.
Die Polizei ist heute sehr präsent, bei Aktionen wie Blockaden tritt sie immer wieder ziemlich aggressiv auf. Heute hat sie bereits Pfefferspray eingesetzt. Warum?
Frankie Becker: Leider erleben wir bei unseren Aktionen auch Gewalt durch die Polizei. Die Polizei setzt in der Gesellschaft, in der wir leben, oft vor Allem die Interessen der Reichen und Mächtigen durch. Im Zweifel auch mit Gewalt. Wir verurteilen diese Gewalt. Was die Beamten da machen hat nichts mit Sicherheit zu tun, sondern damit, dass legitimer Protest abgewürgt werden soll. Wir protestieren gegen Unrecht, sie prügeln es durch. Davon werden wir uns aber nicht einschüchtern lassen. Wir sind viele, wir unterstützen uns gegenseitig, wir halten zusammen.
BlockGas ist ein Bündnis aus vielen unterschiedlichen Gruppen. Wer ist daran beteiligt und wie funktioniert die Bündnisarbeit?
Verena Gradinger: Wir sind eine Bündnis von Gruppen aus ganz Europa, die für Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit kämpfen. Dabei sind zum Beispiel transnationale Netzwerke wie die Gastivists, die polnische Klimagerechtigkeitsgruppe Bombelki, Climaximo aus Portugal, oder die Kurdistan-Solidaritätskampagne Rise Up 4 Rojava. Aber auch viele Gruppen die vor Allem im deutschsprachigen Raum aktiv sind, beispielsweise System Change Not Climate Change, Ende Gelände und die Plattform Radikale Linke.
Wir haben uns in den letzten Monaten immer wieder getroffen, um über Strategien zu diskutieren, gemeinsame Positionen zu entwickeln und die Aktionen vorzubereiten. Dass dieses Bündnis entstanden ist und auch weiter wachsen kann, ist sehr wichtig, weil die EU-Institutionen für die Energiepolitik in Europa zentral sind. Wenn wir dieser Politik effektiv etwas entgegensetzen wollen, müssen auch wir uns europaweit stärker vernetzen. Besonders wichtig ist uns dabei die Zusammenarbeit mit Klimaorganisationen aus dem Globalen Süden, wie zum Beispiel Don’t Gas Africa. Denn es sind vor allem die Arbeiter:innen im Globalen Süden, die am meisten unter der Förderung fossiler Energieträger leiden.
Wie geht es nach den Protesten mit dem Bündnis weiter?
Frankie Becker: Wir wollen in Zukunft noch stärker zusammenarbeiten und wachsen. Die Proteste gerade zeigen, dass es möglich ist, Druck aufzubauen. Wir wollen diesen Druck weiter erhöhen. Gegen die Projekte, über die bei der Europäischen Gaskonferenz verhandelt wird, gibt es in ganz Europa und darüber hinaus auch Widerstand vor Ort. Unsere Blockade in Wien ist also nur ein Puzzlestück von vielen, das dazu beitragen soll, auch die Proteste unserer Genoss*innen zu stärken.
Foto: Franz Hagmann