Wie kann UNDOK gerettet werden? Schwarz-Blau streicht Unterstützung für undokumentiert Arbeitende

Menschen, die ohne Papiere arbeiten müssen, werden seit vier Jahren von der UNDOK-Stelle beraten und unterstützt. Das hilft nicht nur den Betroffenen, sondern wirkt auch gegen Lohn- und Sozialdumping. Doch die Bundesregierung droht nun, die Förderung zu streichen. Wir sprachen mit Can Gülcü darüber, was das für die Betroffenen bedeuten würde und wie UNDOK doch noch gerettet werden kann.

mosaik: Du arbeitest für UNDOK, eine Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender. Wer kann sich an euch wenden?

Can Gülcü: Zu uns kommen ganz unterschiedliche Menschen. In Österreich gibt es 28 verschiedene Aufenthaltstitel, diese bedeuten auch unterschiedliche Zugangsbestimmungen zum Arbeitsmarkt.

Das reicht von AsylwerberInnen, die gar keinen Zugang haben, über Studierende aus Nicht-EU-Ländern, die begrenzten Zugang haben, bis zu EU-BürgerInnen, die auch Beschränkungen am Arbeitsmarkt unterliegen. Zu uns kommen Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen ohne Papiere arbeiten.

Mit welchen Anliegen kommen diese Menschen zu euch und wie könnt ihr sie unterstützen?

Die Menschen kommen mit konkreten Problemen zu uns. Etwa wenn ein Unternehmer Löhne nicht oder zu spät ausbezahlt, Urlaubsgelder oder Überstunden nicht bezahlt werden, wegen exzessiver Arbeitszeiten bis hin zu körperlichen Übergriffen. Oder auch wenn der/die ChefIn die Beschäftigungsbewilligung beim Arbeitsmarktservice nicht eingeholt hat. Das führt nämlich dazu, dass die Beschäftigten danach beim AMS gesperrt sind und kein Arbeitslosengeld erhalten.

Wir bieten dann eine erste, kostenlose, anonyme und mehrsprachige Beratung. Da geht es um Arbeits- und Sozialrecht, aber meist auch um Fragen des Aufenthaltsrechts. Wir klären also: Wie sieht die Situation aus? Welche Ansprüche haben die Menschen? Was könnte es z.B. aufenthaltsrechtlich bedeuten, wenn sie gegen ihre ArbeitsgeberInnen vorgehen? Und dann unterstützen wir sie dabei, diese Ansprüche geltend zu machen, damit sie zu ihrem Recht kommen. Denn was viele nicht wissen: Sozialversicherungsgesetze, Arbeitsrecht oder kollektivvertragliche Mindeststandards gelten für alle ArbeitnehmerInnen. Auch, wenn sie ohne Papiere arbeiten.

Eure Arbeit wurde bisher vom Sozialministerium gefördert…

Nicht nur, aber zum größten Teil. Es gibt die UNDOK-Anlaufstelle seit 2014, das Sozialministerium zahlt eine Förderung von circa 130.000 Euro, um die wir jährlich ansuchen müssen. Darüber hinaus stellt der ÖGB die Räumlichkeiten zur Verfügung und es beteiligen sich auch die Arbeiterkammer Wien und viele Fachgewerkschaften mit kleineren Beträgen an der Finanzierung von UNDOK.

Und nun soll die Förderung des Sozialministeriums gestrichen werden?

Es ist Anfang Mai, die Förderperiode endet Ende Mai und wir haben noch immer keine Förderzusage erhalten. Wir müssen davon ausgehen, dass das Sozialministerium diese Förderung einfach auslaufen lässt, zumal sich die FPÖ von Anfang an gegen das Projekt gestellt hat.

Was würde das für UNDOK bedeuten?

Schon jetzt mussten wir aufgrund der unsicheren Finanzierungslage die Öffnungszeiten der Beratungsstelle einschränken. Wenn die Förderung wirklich eingestellt wird, müssen wir die UNDOK-Stelle schließen und den fünf Teilzeitangestellten kündigen.

Was würde das dann für die Menschen bedeutet, die ihr bisher unterstützt habt? Wohin könnten sie sich dann wenden?

Wir machen ja nicht nur klassische arbeitsrechtliche Beratung. Die Menschen kommen oft in Situationen zu uns, die viel Aufklärung benötigen und teils aussichtslos erscheinen. Wir begleiten sie zu Amtsterminen, zur Arbeiterkammer oder zur Gewerkschaft. Denn die Schwelle, zu einer regulären arbeitsrechtlichen Beratung zu gehen, ist für Menschen, die undokumentiert arbeiten, sehr hoch. So muss das Angebot niederschwellig sein, es muss ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, es braucht Wissen und Netzwerke in verschiedenen Bereichen. Wenn es UNDOK nicht mehr gibt, fällt all das weg. Das würde gerade jene Menschen am Arbeitsmarkt treffen, die am stärksten von Ausbeutung betroffen sind. Sie werden es dann weitaus schwerer haben, ihre Ansprüche geltend zu machen.

Das hätte auch Auswirkungen auf Beschäftigte, die regulär arbeiten. Denn ein wesentlicher Effekt von undokumentierter Arbeit ist Lohn- und Sozialdumping. UnternehmerInnen unterlaufen damit soziale Mindeststandards, zahlen unterhalb des Kollektivvertrags, begehen Lohnbetrug, machen falsche oder keine Meldungen an die Sozialversicherung, verletzen das Arbeitszeitgesetz. Das bedeutet die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und schwächt die Position aller Beschäftigten.

Warum ist UNDOK als gewerkschaftliche Stelle überhaupt auf Geld von der Bundesregierung angewiesen?

UNDOK ist keine Teilorganisation der Gewerkschaft, sondern als Verband organisiert. Darin sind Gewerkschaften und Arbeiterkammer vertreten, aber auch Beratungseinrichtungen, NGOs und Selbstorganisationen, die in Bereichen wie Migration, Asyl oder Menschenhandel arbeiten. Dadurch bringen wir viele verschiedene Kompetenzen zusammen, die in diesem Bereich wichtig sind. Das bedeutet aber auch, dass UNDOK nicht nur von der Gewerkschaft finanziert wird, sondern auf externe Förderungen angewiesen ist.

Könnten der ÖGB oder die Fachgewerkschaften nicht die Finanzierung übernehmen, die jetzt durch die schwarz-blaue Regierung gestrichen wird?

Es geht um 130.000 Euro. Das ist nicht die Welt, aber auch nicht wenig. Das zahlt auch die Gewerkschaft nicht aus der Portokasse. Natürlich hoffen wir, dass beim ÖGB-Kongress Anfang Juni der ÖGB-Präsident und die Vorsitzenden der Fachgewerkschaften sich konkret überlegen, wie wir gemeinsam am Neuaufbau und der Weiterführung der UNDOK-Stelle arbeiten können.

Denn was UNDOK macht gehört zu den ureigensten Aufgaben einer Gewerkschaft, nämlich allen ArbeitnehmerInnen unabhängig von ihrem Status zu helfen, ihre arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche durchzusetzen. Zumal die Gewerkschaft als Interessenvertretung von allen ArbeitnehmerInnen zugleich die größte MigrantInnenorganisation ist.

Was können Menschen tun, die nicht selbst in der Gewerkschaft aktiv sind, um UNDOK in dieser schwierigen Situation zu unterstützen?

Konkret wäre es hilfreich, Druck auf das Sozialministerium zu machen. Man kann Berichte in sozialen Medien teilen und deutlich machen, warum die UNDOK für alle Beschäftigten so wichtig ist.

Wenn UNDOK wirklich vorerst geschlossen werden muss, kann man sich auch direkt in Diskussionen darüber einbringen, wie die Stelle neu aufgestellt werden könnte. UNDOK war immer auch ein aktivistisches Projekt. Es ist nicht aus den Gewerkschaftsinstitutionen entstanden, sondern auf Initiative von unabhängigen AktivistInnen rund um das PrekärCafé gemeinsam mit Menschen, die sich in Gewerkschaften engagieren. Sie haben dieses Projekt über viele Jahre aufgebaut und dazu gemacht, was es jetzt ist.

Darüber hinaus müssen wir sehen: Die schwarz-blaue Regierung streicht nicht nur die Förderung für Projekte wie UNDOK, sondern setzt gleichzeitig Maßnahmen wie die Deckelung von Verwaltungsstrafen für Firmen, die Beschäftigte nicht oder falsch anmelden oder die Abschaffung des Kumulationsprinzips beim Sozialbetrug. Sie greift die Arbeiterkammer an, das AMS und die Sozialversicherungen. All diese Maßnahmen sind im Sinne der Unternehmen. Ihnen wird es dadurch erleichtert, Sozialbetrug zu begehen und die Position von ArbeiterInnen durch Lohn- und Sozialdumping zu schwächen.

Da geht es also nicht mehr nur darum, dass sie „den Ausländern“ das Geld wegnehmen – auch wenn sie es so verkaufen werden. Die Spaltung der Beschäftigen in InländerInnen und AusländerInnen, in solche mit und solche ohne Papiere ist ein Taschenspielertrick. Man tut so, als täte man etwas für den österreichischen „kleinen Mann“. Aber diese Maßnahmen betreffen alle ArbeiterInnen und Angestellte. Die Regierung geht gegen die erkämpften Arbeits- und sozialen Rechte von uns allen vor. Darauf müssen wir immer wieder gemeinsam hinweisen.

 

Can Gülcü ist Publizist, Aktivist und Kulturschaffender und seit 2017 bei der UNDOK-Anlaufstelle für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Interview: Benjamin Opratko

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