Wie bauen wir Verbindungen auf? – Arbeiter*innenbewegung & Klima-Gerechtigkeit

Plakat einer Demo mit der Aufschrift One World

„Umweltschutz ohne Klassenkampf ist Gärtnern“, sagte Chico Mendez, brasilianischer Landarbeitsgewerkschafter und Naturschutzpionier. Doch wo ist der Klassenkampf in der Klimagerechtigkeitsbewegung? Allianzen mit der Arbeiter*innenbewegung sind erst im Entstehen und müssen forciert werden, schreibt Clara Paillard von Tipping Point UK.

Die Arbeiter*innenklasse ist in Bewegung

Weltweit haben Millionen von Arbeiter*innen in den letzten Jahren gestreikt und bessere Löhne gefordert. In Indien führte die geplante Agrarreform zum größten Streik aller Zeiten – 250 Millionen Arbeiterinnen solidarisierten sich mit den zehntausenden streikenden Landwirt:innen, die Neu-Delhi besetzt hielten. In Europa haben dieses Jahr Landwirt*innen wiederholt gegen neue Umweltgesetze gestreikt. Und in Großbritannien wehren sich Stahlarbeiter*innen gegen die Schließung von Koksofenwerken, um den Verlust tausender Arbeitsplätzen abzuwenden. Die Motive sind vielfältig, einmal wegen Teuerung, dann wegen dem Rückbau fossiler Sektoren. Sie zeigen aber, dass die Arbeiter*innenklasse in Bewegung ist und ihre unterschiedlichen Interessen auf der Straße artikuliert.

Dieser Punkt ist wichtig festzuhalten, weil die ökologische Transformation bereits begonnen hat. Aber halt nicht unter den Vorzeichen, die die Lebensbedingungen der Vielen verbessern würde. Kapitalistische Kräfte sind fest entschlossen, die Kontrolle über die Wirtschaft zu behalten. Sie setzen ihre Macht ein, damit die Lösungen für die Klimakrise aus der Privatwirtschaft und generell innerhalb einer Marktlogik erfolgen. Aus diesem Grund ist es für die Klimabewegung unentbehrlich, Allianzen mit Arbeiter*innen und ihren Organisationen zu knüpfen. Erst dann kann die Klimabewegung erst einen nachhaltigen gesellschaftlichen Einfluss aufbauen und umsetzen.

Arbeitsplätze oder Klimaschutz?

Arbeiter*innen werden aber vor einen Gegensatz gestellt: Arbeitsplätze oder Klimaschutz. Und grundsätzlich stimmt das ja, weil Maßnahmen gegen den Klimawandel zwangsläufig Arbeitsplätze in einer Reihe von (fossilen) Branchen bedrohen. Beschäftigte und ihre Familien haben ein grundlegendes Interesse an einem bezahlten Arbeitsplatz, der im Kapitalismus die Grundvoraussetzung für die Existenzsicherung über der Armutsschwelle ist. Also warum sollten sie Transformationsprojekten zustimmen bzw. sich für diese begeistern, die Ihnen die eigene Lebensgrundlage abgraben? Das ist auch der Grund, warum fossile Projekte die politische und öffentliche Zustimmung suchen, mit dem Versprechen Arbeitsplätzen und wirtschaftlichen Wohlstand zu schaffen. Das geht vom Versuch eine neue Kohlemine in Cumbria (UK) zu eröffnen bis zum Bau neuer Ölpipelines in Ostafrika.

Diesen vermeintlichen Gegensatz bearbeiten Initiativen wie Global Climate Jobs. Sie zeigen, dass mit der Energiewende Millionen neuer Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Ausbau erneuerbarer Energie, thermischer Gebäudesanierung oder öffentlicher Verkehrsmittel braucht in den kommenden Jahren zahlreiche zusätzlich ausgebildete Arbeitskräfte. Je mehr in diese Sektoren investiert wird, desto höher ist die erzielbare Beschäftigungsquote. Und andere Kampagnen greifen den Zusammenhang von Teuerung und Klimakrise auf. Dadurch machen sie verständlich, dass die existenziellen Sorgen der Vielen mit der kapitalistischen Zurichtung von Arbeit und Umwelt zusammenhängen. Strategischer Hintergrund ist, diesen kapitalistisch begründeten Gegensatz aufzulösen und den Blick auf das gemeinsame Interesse, zwischen einem intakten Planeten und dem eigenen guten Leben, zu lenken.

Arbeiter*innenbewegung und Klimagerechtigkeit verschränken sich

Klassenkämpfe und Umweltkämpfe hängen voneinander ab. Gegenwärtig sieht man, dass eine wachsende Anzahl von Menschen versucht, neue Allianzen aufzubauen, um diese Kämpfe zu verschränken. Die zahlreichen Verschränkungen dokumentiert eindrucksvoll der kürzlich erschienene Film „Everything Must Change“. Dabei zeigt sich auch der potenzielle Beitrag dieser Initiativen, eine Erzählung zu liefern, die eine Massenbewegung mobilisieren kann.

Arbeitskämpfe im Transportbereich fördern erste konkrete Allianzen. Die Zusammenarbeit zwischen Transportgewerkschaften und Klimaktivist*innen in Deutschland und Österreich sind Beispiele dafür, die nicht nur gute Arbeitsbedingungen im öffentlichen Transport fordern, sondern generell mehr Investitionen in diesem Bereich, um eine wirksame Verkehrswende einzuleiten. Mit ähnlicher strategischer Überlegung ermutigte in Großbritannien die Gruppe Extinction Rebellion Trade Unionists Klimaaktivist*innen sich den Streikposten der Ölraffineriearbeiter*innen, Hafenarbeiter*innen und Gesundheitsarbeiter*innen anzuschließen.

Ohne Arbeiter*innenbewegung kein Systemwechsel

Klimagerechtigkeit erfordert die volle Beteiligung von Arbeiter*innen. Politisches Ziel ist es, fossile Industrien abzuwickeln und alternative Energiesektoren aufzubauen. Vergessen wir dabei aber auf die Beschäftigten in den fossilen Industriezweigen sowie auf die gewerkschaftliche Organisierung der Beschäftigten in den erneuerbaren Energieindustrien, dann entstehen dabei nur neue Ungleichheiten.

Die Teuerung ist der Antrieb vieler der anfangs beschriebenen Mobilisierungen von Arbeiter*innen. Rechte Kräfte versuchen diesen Kampf zu vereinnahmen und stellen Umweltpolitik als ein Eliteninteresse dar, das mit den Lebensrealitäten der Vielen nichts zu tun hat. Sich gegen diese rechte Vereinnahmung zu stellen, erfordert einmal mehr die enge Zusammenarbeit und das gemeinsame Tun von Klimagerechtigkeits- und Arbeiter*innenbewegung. Es geht darum, politische Lösungen zu erstreiten, die beiden gerecht wird.

Foto: Markus Spiske auf Unsplash

Die Autorin hält diesen Samstag, 23.03.2024, gemeinsam mit Niels Jongerius (Transnational Institute) einen Workshop am People’s Summit, 18:00 Uhr, Akademie der bildenden Künste (Schillerplatz 3, 1010 Wien).

Autor

  • Clara Paillard

    Clara Paillard ist Gewerkschafterin in Liverpool und Mitbegründerin des Unite Grassroot Climate Justice Caucus. Sie ist Organizerin für Tipping Point UK und war aktiv in Anti-Fracking-Kampagnen und der Bewegung gegen die Öl-Sponsoren von Kultureinrichtungen.

 
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