This is AmeriKKKa. Wie Childish Gambino zum Anti-Trump-Messias gemacht wird

Der US-Rapper Childish Gambino hat ein Video veröffentlicht, das um den Globus geht. Was Menschen in „This is America“ reininterpretieren, sagt viel über den Zustand dieser Welt aus, meint Mahdi Rahimi.

Donald Glover (echter Name) aka Childish Gambino (Künstlername) hat sich letztes Wochenende tief in die Herzen des liberalen Amerika gespielt. Angefangen als eingeladener Gastgeber von Saturday Night Live, einer etwas in die Jahre gekommenen Comedyrevue, inklusive musikalischem Auftritt, halblustigen Sketches und schlussendlich, nämlich punktgenau nach Ende der Show, mit dem Release eines Musikvideos auf Youtube.

In „This is America“ passiert sehr viel. Es wird getanzt und geschossen, gesungen und geflüchtet. Und so ziemlich jede*r kann das reinlesen, was ihm/r gerade politisch und gesellschaftlich am Herzen liegt. Nach der Enttäuschung durch einen anderen afro-amerikanischen Künstler, Kanye West, der öffentlich seine Zuneigung zu Gott-Sei-Bei-Uns Donald Trump bekannte, sehen viele in Donald Glover die „Tür die Gott geöffnet hat, nachdem er die Kanye-Tür geschlossen hat“ (Original Zitat Twitter).

Black Messiah

Seither wird das Video betrachtet wie Kornkreiszeichnungen. Menschen verbrachten Tage damit, es zu interpretieren und seine Bilder zu deuten. Zuseher bestaunen ungläubig die von Childish Gambino im Video aufgeführten Tänze, die in der afroamerikanischen Gegenwartskultur (siehe hier und hier) höchst populär, der SNL-schauenden Welt aber unbekannt sind.

Ebenso wie die Szenen der rohen Gewalt. Menschen werden erschossen, in einer Szene von Childish Gambino in einer „Jim Crow-Pose“. Die Bilder gingen um die Welt (oder eben das Internet, eh dasselbe) und lieferten einer Welt, die sich nach einem Helden verzehrt, den Messias vor die Haustür.

Die Revolution läuft vielleicht nicht im Fernsehen, aber man kann sie mehrmals auf Youtube anklicken. Erfreut wurden Szenen in GIFs und Memes verwandelt und Childish Gambino als „Genius“ gepriesen. (Dass vor allem die GIF- und Meme-sierung für einige Afroamerikaner sehr verstörend an dem Video ist, sollte erwähnt werden.)

„…it ain’t for you dog“

Ein interessanter Aspekt des Videos, und der eventuelle „Genius“ des Ganzen, ist wie Donald Glover mit dem Thema der Vereinnahmung spielt. Afroamerikaner*innen nehmen in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch stereotype Rollen ein, zwischen Respektabel, Unterhaltsam und Böse. Die nicht respektablen Rollen bleiben immer unbeachtet, bis man eben das Ganze super findet und für sich, also Amerika, vereinnahmt.

Das ist mit allen afroamerikanischen Kunstformen passiert – vielleicht am deutlichsten zu sehen an der Geschichte des Rock’n‘Roll. Rap ist möglicherweise die Ausnahme. Rap hat zwar sehr viele alte, weiße Männer reich gemacht, ist im Kern aber weiterhin eine revolutionäre, nicht kontrollierbare und nicht verstandene Sprache junger Menschen. Mit sich ständig verschiebenden Codes schafft sie es, Subkultur zu bleiben. Sobald die Vereinnahmung passiert, ist die Kultur schon wieder weiter.

Childish Gambino zitiert nicht umsonst derzeitige sogenannte „Mumble Rapper“ wie Kodak Black oder 21 Savage, oder eben die oben erwähnten Videos von BlocBoy JB. Diese Rapper stehen für eine Generation, die in Amerika nach der Einführung des Three-Strikes Law aufgewachsen sind. In einem Amerika, in dem ein großer Teil einer Generation von Afroamerikaner*innen die meiste Zeit ihres Lebens im Gefängnis verbringt.

This is America

Um diese Generation und ihre Codes dreht sich Childish Gambinos Video. Es sind Erfahrungen, die ein afroamerikanischer Jugendlicher durchmacht, die Teil seiner DNA sind. Doch da es für Einige unmöglich zu sein scheint, dass dieses Video nicht für sie gemacht wurde, wird Childish Gambino in ihrem eigenen Kampf gegen den „First White President“ verwendet und das Video vereinnahmt.

Das Video ist jetzt „unser Protestvideo“ gegen Trump, Childish Gambino der respektable, afroamerikanische Kämpfer für unsere Werte. Vielleicht rennt Childish Gambino ja am Ende des Videos vor dem wohlmeinenden liberalen Mob davon, der ihn jetzt zum Messias und Befreier von der eigenen Schande machen will. Im Endeffekt: This is America.

Mahdi Rahimi hat Mathematik studiert und ist Teil des FM4 Hip Hop Lesekreises.

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