So raubt Schwarz-Blau den Lehrlingen ihre Stimme

Die schwarz-blaue Bundesregierung hat mit demokratischen Institutionen anscheinend ein Problem. Jetzt will sie auch die Stimme der Lehrlinge, den Jugendvertrauensrat, abschaffen.

1974 führte die SPÖ Alleinregierung den Jugendvertrauensrat ein. Mit dieser neuen Regelung erhielten Lehrlinge die Chance, eine eigene Vertretung im Betrieb zu wählen.

Was macht ein Jugendvertauensrat eigentlich?

Ähnlich dem Betriebsrat müsste in jedem Betrieb mit mehr als fünf Lehrlingen ein Jugendvertrauensrat gewählt werden. Alle zwei Jahre stellen sich die JugendvertreterInnen der Wahl. Wahlberechtigt sind alle Lehrlinge unter 21 bzw. Beschäftigte unter 18 Jahren. Alle MitarbeiterInnen bis 23 können gewählt werden.

Wie Betriebsräte vertreten die Jugendvertrauensräte ihre Basis in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen. Besonders stellen sie dabei sicher, dass die gesetzlichen Bestimmungen zur Ausbildung von Lehrlingen eingehalten werden. Um ihre Aufgabe gut ausüben zu können, haben die Jugendvertrauensräte einen erweiterten Kündigungsschutz.

Deshalb braucht es einen Jugendvertrauensrat

Wie die Erfahrung zeigt, gibt es für Jugendvertrauensräte viel zu tun. Im Lehrlingsmonitor 2015 der Österreichischen Gewerkschaftsjugend, für den über 6.000 Lehrlinge befragt wurden, geben 30 Prozent an, dass sie mit ihren Ausbildern nicht über die Abschlussprüfung gesprochen hätten, 20 Prozent geben an, von ihrem Betrieb nicht auf die Prüfung vorbereitet zu werden.

Erschreckend ist, dass knapp die Hälfte der Lehrlinge der Aussage zustimmt, ihre Arbeitsaufgaben unter Zeitdruck ausführen zu müssen. Nur 27 Prozent gehen von einem sicheren Arbeitsplatz im Betrieb nach ihrer Lehre aus.

Für Jugendvertrauensräte gibt es also viel zu tun, besonders was die Ausbildungsqualität betrifft. Spannend ist dabei, dass besonders in jenen Branchen, in denen viele Betriebe einen Jugendvertrauensrat haben, wie in der Industrie oder bei Banken, die Lehrlinge überdurchschnittlich zufrieden mit ihrer Lehre sind.

Die Pläne von Schwarz-Blau bedeuten Demokratieabbau

Unter dem Deckmantel der Demokratie will Schwarz-Blau die demokratische Mitbestimmung von Lehrlingen einschränken. Im Regierungsprogramm heißt es: „Das aktive Wahlalter bei Betriebsratswahlen wird von 18 auf 16 Jahre gesenkt (Harmonisierung mit „Wählen ab 16“) und ersetzt den Jugendvertrauensrat.“

Alle Lehrlinge unter 16 Jahren, immerhin knapp ein Drittel, verlieren damit ihr Wahlrecht zur Gänze. Hinzu kommt, dass die meisten Lehrberufe in Österreich eine dreijährige Lehrzeit haben. Viele Lehrlinge würden die Möglichkeit verlieren, ihre Interessenvertretung zu wählen, da sie aus dem Betrieb ausscheiden, bevor die nächste Möglichkeit besteht die den Betriebsrat zu wählen. Denn die Wahl zum Betriebsrat findet nur alle vier bis fünf Jahre statt. Was als „mehr Demokratie“ verkauft wird, bedeutet also in Wirklichkeit den Abbau demokratischer Vertretung.

Lehrlinge brauchen VertreterInnen in ihrem Alter

Die „Aufwertung“ des Betriebsrates um die Agenden des Jugendvertrauensrates bedeutet vielfach eine zusätzliche Belastung der Betriebsräte, deren Anzahl gleichbleibt oder gar sinkt. Lehrlinge brauchen eine eigene Vertretung, die sich um ihre spezifischen Anliegen und Probleme bemüht.

Jugendvertrauensräte haben vielfältige Aufgaben. Sie vermitteln etwa auch oft, wenn es zu Streit zwischen Lehrlingen kommt. Die Praxis zeigt, dass junge Menschen Vertrauenspersonen im selben Alter brauchen, damit Konflikte dauerhaft und nachhaltig gelöst werden können.

Außerdem dienen viele Jugendvertrauensräte als Schnittstelle zwischen der Berufsschule und der Ausbildung im Betrieb. Sie sind Vertrauenspersonen, wenn es um Probleme in der Schule geht und vielfach auch, wenn es um private Probleme geht, die sich auf Schule und Betrieb auswirken. Fraglich ist, in wie weit sich Jugendliche mit ihren Problemen an Betriebsräte wenden, die oftmals deutlich älter sind als sie selbst.

Betriebliche Mitbestimmung verteidigen!

In linken Diskussionen waren Lehrlinge und die berufliche Ausbildung in den letzten Jahren maximal ein Randthema. Der Angriff auf die Jugendvertrauensräte wirft daher für Linke auch die Frage auf, welche sozialen Gruppen in progressiven Bewegungen und Gruppierungen unterrepräsentiert sind.

Die Angriffe auf den Jugendvertrauensrat ist dabei keineswegs ein Einzelfall. Die schwarz-blaue Regierung will alle gesellschaftlichen Gegenkräfte, egal ob ÖH, Arbeiterkammer, ÖGB oder Betriebsräte, systematisch schwächen.

 

Susanne Hofer ist Bundesjugendvorsitzende der Gewerkschaft GPA-djp, studiert Lehramt Deutsch und Geschichte und arbeitet im Sozialbereich

 

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