Zugangsbeschränkungen, weniger Prüfungsantritte, mehr Stress pro Semester. Warum Studieren bald ganz anders ausschauen könnte und was Uni-Protest in der aktuellen politischen Situation erreichen könnte, haben Camilo Molina und Hannah Spannring herausgefunden.
Am 14. Dezember 2017 wurde bekannt, dass ÖVP und FPÖ allgemeine Studiengebühren einführen wollen. Noch am selben Abend protestierten hunderte Student_innen vor dem Parlament gegen die Pläne der Regierung.
Doch die Studiengebühren sind nicht die einzigen schwarz-blauen Angriffe auf Studierende nicht genug. Die Regierung kündigt tiefgreifende Verschärfungen der Studienbedingungen an.
Die List hinter der „Studienplatzfinanzierung“
Ganz oben auf der Agenda von Wissenschaftsminister Heinz Fassmann steht die bereits von der vorigen Regierung geplante Umstellung der Finanzierung der Universitäten . Die „Universitätsfinanzierung NEU“ (auch: Studienplatzfinanzierung) soll eine gezielte Verminderung der Studierendenzahlen ermöglichen.
Erstens sollen die Universitäten autonom Zugangsbeschränkungen verhängen können, um eine vorab festgelegte Anzahl an Studienplätzen zu füllen. Laut ersten Einschätzungen könnten dadurch in Fächern wie Jus, Fremdsprachen oder Erziehungswissenschaften bald nur mehr halb so viele Studienanfänger_innen zugelassen werden.
Zweitens soll die Zuteilung von Mitteln an die Universitäten jeweils davon abhängig gemacht werden, wie viele sogenannte „prüfungsaktive“ Studierende dort in vorgegebenem Tempo studieren. Wer also „zu langsam“ studiert, verkommt in den Augen der Universitätsbürokratie zu menschlichem Ballast, für den kein Geld vom Staat zu holen ist. Konsequenterweise rief Rektorenvertreter Vitouch während der Koalitionsverhandlungen vor allem nach rechtlichen Mitteln, um „Langzeitstudierende“ loszuwerden.
Neue Zwangsmittel
Die Regierung des Langzeitstudenten Sebastian Kurz hat die Forderungen von Wirtschaftsvertreter_innen und Rektor_innen übernommen. Wo im Regierungsprogramm die Verbesserung der Studienbedingungen versprochen wird, geht es in Wirklichkeit darum, den Druck auf Studierende zu erhöhen und ihre Selbstbestimmung einzuschränken.
Willst du studieren, sollst du dich für ein einziges Fach entscheiden („Einschränkung der Mehrfachinskriptionsmöglichkeit“) und dort erst einmal die Aufnahmeprüfung bestehen. Studiengebühren sollen die „Verbindlichkeit“ (sprich: den Stress) des Studierens erhöhen.
„Verhaltensanreize für zügiges Studieren“ sollen langsames Studieren verhindern: Bald schon könnte aus der Mindeststudienzeit eine maximal zulässige Studienzeit werden. Für alle, die aufgrund von Berufstätigkeit, Elternschaft oder Interesse länger studieren wollen oder müssen, wird es noch schwieriger. Allfällige Prüfungspausen aufgrund von anderen Verpflichtungen oder Bedürfnissen sollen unterbunden werden, indem die Möglichkeit geschaffen wird, „inaktive“ Studierende mit der Exmatrikulation zu bedrohen.
Du kannst außerdem kurz vor Abschluss deines Studiums von der Uni fliegen, denn die Anzahl an Prüfungsterminen und möglichen Prüfungswiederholungen soll gekürzt werden. Vorausgesetzt, du wurdest nicht ohnehin schon in der Studieneingangsphase ausgeknockt. Die Anzahl der ECTS-Punkte, die du in den ersten Semestern erreichen musst, könnte nämlich ebenfalls erhöht werden.
Keine Verbesserung in Sicht
Eine reale Verbesserung der Ausstattung der Universitäten ist durch Studiengebühren oder Zugangsbeschränkungen noch lange nicht garantiert, wie ein Blick in andere Länder (oder in die Geschichte Österreichs) zeigt. Denn der Staat spart gerne bei öffentlichen Dienstleistungen und vers(ch)enkt sein Geld anderswo.
Dafür wird Studieren schwieriger und riskanter. Die Balance zwischen Studium und Job wird waghalsiger und unter den neuen Bedingungen wären jene erfolgreicher, die mehr Zeit und Geld in die Aufnahmeprüfung und das Studium investieren können, wie auch ÖH-Vorsitzende Marita Gasteiger richtigerweise bemerkt. Entgegen aller Rhetorik gegen „Bummelstudenten“ ist es nämlich so, dass unterschiedlich lange Studienzeiten auch mit individuell unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Vereinbarkeiten von Studium und Leben zu tun haben.
Neue Studierende schaffen
Bei den geplanten Reformen geht es nicht vorrangig darum, Studierende einzusparen. Das Ausselektieren von Studienberechtigten, ist aus Sicht der Hochschultechnokrat_innen nur ein notwendiges kleines Übel, dem ein größerer erhoffter Gewinn gegenübersteht: Eine verbilligte, steuerbare Produktion von Uniabsolvent_innen.
In ständiger Konkurrenz um begrenzte Studienplätze und knappe Ressourcen, ständig von Disziplinarmaßnahmen bis hin zum Ausschluss aus dem Hochschulsystem bedroht, sollen die Studierenden der Massenuniversität ihre Ausbildung nicht mehr als Recht, sondern als Zugeständnis begreifen. Sie sollen vorstrukturierte Ausbildungspläne und die vorgegebenen Taktzeiten fürs Absolvieren von Studienmodulen als Sachzwänge akzeptieren.
Die unablässig laufende Prüfungsmaschinerie hemmt die Aneignung von Wissen meistens mehr, als sie sie befördert. Dafür soll sie Uniabsolvent_innen nicht nur billiger, sondern – ständig geprüft auf ihre Fähigkeit, sich über Wasser zu halten und das Scheitern abzuwenden – auch ehrfürchtiger gegenüber den Anforderungen des (Arbeits-)Markts machen. Zugespitzt formuliert: Das Studium, dass unsere Chefitäten für die Masse künftiger Arbeitskräfte fordern, ist eines, dass qualifiziert, solange es zugleich entqualifiziert. Ganz in dieser Logik steht auch die politische Eindämmung der studentischen Interessenvertretung, der ÖH.
Was eine Studierendenbewegung kann
Die schwarz-blaue Regierung ist dabei, in großem Stil Zukunftschancen zu rauben – von den Angriffen auf Geflüchtete bis zu den Verschärfungen für Arbeitslose. Ihre Universitätspolitik ist eine Rationalisierungspolitik auf Kosten der Studierenden. Verbesserungen statt Verschlechterungen des Studiums gibt es nur bei massiver Gegenwehr.
Eine Protestbewegung gegen den geplanten Umbau der Universitäten kann erfolgreich sein, wenn sie sich mit den Anliegen einer breiten gesellschaftlichen Opposition gegen die antisoziale und reaktionäre Regierungspolitik verbindet und ihre Vorstellungen über die Zukunft der Universität dazu in Perspektive setzt. Die Mobilisierung der ÖH zur Großdemonstration gegen die neue Regierung am 13. Jänner war ein erster Schritt in diese Richtung. Nun wird sich die Herausforderung einer Verankerung und Verbreitung des Protests in den einzelnen Universitäten und Studiengängen stellen.
Wie in anderen Ländern könnte eine neue Studierendenbewegung auch hierzulande nicht nur die Hochschulpolitik aufmischen, sondern breitere Kreise dazu ermutigen, dem rechten Wind standzuhalten und nach politischen Alternativen zu suchen. Der Erfolg der Großdemonstration von vergangenem Samstag hat gezeigt, dass das Potential dazu da ist.
Camilo Molina hat in Wien studiert und an den Universitätsprotesten 2009/10 teilgenommen.
Hannah Spannring studiert Translation in Wien.