Equal Pay Day: Warum der Gender Pay Gap nur ein Teil des Problems ist

Alle Jahre wieder: Mehrere Monate vor Jahresende ist mit dem Equal Pay Day jener Tag erreicht, ab dem Frauen gratis arbeiten würden, hätten sie bis dahin den gleichen Lohn wie Männer erhalten. In Österreich fällt der Tag heuer auf den 21. Oktober. Dass Frauen weniger als Männer verdienen, ist keine Neuigkeit. Dass sich daran nichts ändert, liegt auch daran, dass die wahren Probleme nicht diskutiert werden, schreibt Teresa Petrik.

Man kennt das Argument. Ein großer Teil des Gender Pay Gaps ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass Frauen und Männer unterschiedlich viel und in unterschiedlichen Branchen arbeiten würden. Aber das stimmt nur teilweise. Es gibt nämlich auch einen sogenannten „unerklärten“ Gender-Pay-Gap – also jenen Teil, der sich nicht durch Bildungsniveau, Branche, oder dem Unterschied zwischen Voll- und Teilzeit erklären lässt. In Österreich beträgt dieser Teil tatsächlich „nur“ 13,6 Prozent. Einerseits ist das noch immer eine beachtliche Ungleichheit.

Es geht nicht nur um Lohndiskriminierung

Andererseits spricht es auch dafür, dass der Pay Gap nur ein Symptom einer viel größeren gesellschaftlichen Schieflage ist. Es gibt in Österreich nach wie vor eine nach Geschlecht differenzierte Arbeitsteilung, und unbezahlte Arbeit ist zwischen Männern und Frauen extrem ungleich verteilt. So sind es nach wie vor Frauen, die den Großteil der Hausarbeit, Kinderbetreuung bis hin zur Pflege von Eltern und Angehörigen übernehmen. Obwohl es sich dabei um lebenswichtige Arbeit handelt, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktionieren würde, ist es noch immer nicht selbstverständlich, auch unbezahlte Arbeit als Arbeit zu benennen. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist zwar eine sinnvolle Forderung, kratzt jedoch nur an der Oberfläche der sozialen Ungleichheit, die zwischen Männern und Frauen herrscht.

Österreich ist Spitzenreiter

Obwohl der Gender Pay Gap in ganz Europa (und darüber hinaus) Realität ist, sind die Einkommensunterschiede in Österreich mit fast 20 Prozent im europäischen Vergleich auffallend stark ausgeprägt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Österreich in Hinblick auf Geschlechterrollen und Familienbilder äußert konservativ ist. Einerseits zeigt sich das in den individuellen Einstellungen von Leuten, andererseits aber vor allem in Strukturen, die die Beibehaltung einer traditionellen Arbeitsteilung begünstigen, – ob zum Beispiel ausreichend Möglichkeiten zur Kinderbetreuung vorhanden sind, oder wie der Anspruch auf Karenz ausgestaltet ist.

Zwar ist der Anteil an erwerbstätigen Frauen zuletzt gestiegen, zurückzuführen ist das jedoch in erster Linie darauf, dass immer mehr Frauen Teilzeit arbeiten. Der Zusammenhang mit von Frauen geleisteter (unbezahlter) Betreuungsarbeit zeigt sich eindeutig, wenn man die Geschlechterunterschiede in der Teilzeitquote in den Blick nimmt: Während 73 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren teilzeitbeschäftigt sind, beträgt der Anteil der Teilzeit arbeitenden Väter mit Kindern in diesem Alter nur 6,4 Prozent. Frauen gehen außerdem viel häufiger und länger in Karenz als Männer.

Wenig besprochen: die Auswirkungen des Gender Pay Gap

Während mögliche Ursachen der Lohnungleichheit medial viel diskutiert werden, sprechen wir seltener darüber, was der Gender Pay Gap eigentlich für Folgen hat. Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen ist nämlich nicht nur Ergebnis einer ungerechten Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern, sondern trägt selbst auch wiederum dazu bei, dass sich diese Form der Arbeitsteilung verstärkt. Wenn ein aus Mann und Frau bestehendes Paar vor der Entscheidung steht, wer in Karenz geht und wie lange, ist es naheliegend, dass die Person mit dem höheren Einkommen weiter arbeitet – meistens der Mann. Die Kinderbetreuung übernimmt dann auf der anderen Seite diejenige Person, die das niedrige Einkommen hat – meistens die Frau.

Eine andere schwerwiegende Folge des Gender Pay Gaps geht in der Diskussion ebenfalls oft unter: Die Ungleichheit und die soziale Unsicherheit, die durch die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt entstehen, führen auch zu einer enormen Ungleichheit in der Pension. Gerade Teilzeitarbeit ist dafür verantwortlich, dass Frauen deutlich häufiger nur niedrige Pensionsansprüche haben und dementsprechend einem enormen Risiko für Altersarmut unterliegen. Auch dies verdeutlicht, dass soziale Ungleichheit und Benachteiligung aufgrund des Geschlechts sich keineswegs auf den Arbeitsmarkt beschränken, sondern in alle Lebensphasen und -bereiche hineinwirkt.

Was heißt das?

Dass Frauen durchschnittlich weniger verdienen als Männer, ist eine riesige Ungerechtigkeit – und trotzdem nur ein Teil des Problems. Wir können nicht über den Gender Pay Gap sprechen, ohne auch die hierarchische Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen und die ungleiche Verteilung unbezahlter Arbeit zu thematisieren. Es ist nicht nur der „unerklärte“ Teil des Gender Pay Gaps, der zu kritisieren ist. Wir müssen auch über finanzielle Benachteiligung von Frauen reden, die sich ganz eindeutig aus der patriarchalen Vorstellung erklären lässt, dass Frauen für Hausarbeit und Kinderbetreuung zuständig seien. Zu erkennen, wie weitreichend die Strukturen sind, die dem Einkommensunterschied zugrunde liegen, mag auf den ersten Blick frustrierend wirken. Es ist aber auch der erste Schritt, um politisch sinnvolle und wirksame Strategien gegen diese Ungerechtigkeiten zu entwickeln.

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