Wie die Regierung Frauen in die unbezahlte Arbeit drängt

Der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Wochen bringen erhebliche Verschlechterungen für alle Arbeitnehmer_innen. Frauen und Männer sind dabei unterschiedlich betroffen. Während die einen länger bezahlt arbeiten, heißt es für die anderen mehr unbezahlte Arbeit. Die Ökonomin Pia Kranawetter erklärt für mosaik warum.

Zwei Drittel der unbezahlten Arbeit leisten Frauen. Die sogenannte „Haushaltsführung“ nimmt bei den unbezahlten Tätigkeiten die meiste Zeit in Anspruch. Danach kommen Betreuungspflichten. Auch wenn man ausschließlich die Gruppe der Erwerbstätigen betrachtet, liegen Frauen bei der unbezahlten Arbeit noch immer deutlich vor den Männern: im Schnitt leisten sie um elf Stunden mehr pro Woche. Bei der bezahlten Arbeit haben dagegen die Männer die Nase vorn. Mehr als 60 Prozent aller beruflichen Tätigkeiten gehen auf ihr Konto.

Unterm Strich – also unter Einbeziehung der bezahlten und der unbezahlten Tätigkeiten – zeigt sich, dass Frauen insgesamt etwas mehr arbeiten als Männer. So verbringen Frauen knapp 50 Stunden pro Woche mit Arbeit, während Männer 48 Stunden arbeiten. Noch gravierender sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Verteilung der Mehr- und Überstunden. Etwa 70% des gesamten Mehr- und Überstundenvolumens wird von Männern erbracht. Aber wird sich durch die Verlängerung der Höchstarbeitszeit daran etwas ändern und wie wird sich das auf das Verhältnis von bezahlter und unbezahlter Arbeit auswirken?

Längere Lohnarbeitszeiten reduzieren unbezahlte Arbeit nicht

Der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche werden das Missverhältnis zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit verschärfen. Männer werden weiterhin den Großteil der bezahlten Überstunden machen, und vielleicht sogar noch mehr davon, weil sie es sich (aufgrund geringerer Zeiteinschränkungen durch unbezahlte Tätigkeiten) eher leisten können. Die längeren Arbeitszeiten bedeuten aber auch, dass insbesondere in Paarhaushalten oder in Haushalten mit Betreuungspflichten die unbezahlte Arbeit von Frauen weiter ansteigen wird. Denn nur, weil die besszahlte Arbeit länger dauert, wird die unbezahlte Arbeit nicht weniger. Tätigkeiten wie Putzen, Einkaufen, Waschen oder die Kinder abholen erledigen sich nicht von selbst, sondern jemand muss dafür die bezahlte Arbeit (früher) verlassen. Zumindest gilt das für den Großteil jener Personen, deren Einkommen nicht ausreicht, um die unbezahlte Arbeit an Dritte (etwa Haushaltshilfen, Pflegekräfte oder Kinderbetreuer_innen – also zumeist andere Frauen) auszulagern.

Mehr Kinderbetreuung macht 60-Stunden-Woche nicht vereinbar

Längere Öffnungszeiten bei der Kinderbetreuung wären eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Frauen ihre bezahlte Arbeitszeit ausweiten und die unbezahlte verringern könnten. Davon ist Österreich weit entfernt. In weiten Teilen dieses Landes besteht derzeit nicht einmal ein adäquates Nachmittagsbetreuungsangebot. Doch auch längere Öffnungszeiten werden den 12-Stunden-Tag oder die 60-Stunden nicht mit Betreuungspflichten vereinbar machen. Eltern müssten ihre Kinder um acht Uhr in den Kindergarten bringen und um 20 Uhr wieder abholen. Dabei ist der Arbeitsweg noch gar nicht eingerechnet. Qualitative Zeit mit den Kindern zu verbringen, wird mit solchen Arbeitszeiten illusorisch.

Dazu kommt: Der 12-Stunden-Tag kann spontan angeordnet werden. Und mit der 60-Stunden-Woche ist das keine einmalige Ausnahme. Die Arbeitstage von Personen mit Betreuungspflichten sind bereits jetzt eng durchgetaktet – auch wenn man sich die Betreuung aufteilt und eine Person nur Teilzeit arbeitet. An jedem Tag wird meist genau festgelegt, wer wann wen von wo abholt, hinbringt und so weiter. Unvereinbarkeiten beginnen hier nicht erst beim 12-Stunden-Tag, sondern sobald eine Person ungeplant wenige Überstunden angeordnet bekommt. Das Argument, dass die Öffnungszeiten von einfach die Betreuungseinrichtungen einfach ausgeweitet werden müssen, damit alle zwölf Stunden arbeiten können, ist realitätsfern.

Frauen möchten länger bezahlt arbeiten

Frauen würden eigentlich gerne länger bezahlt arbeiten. Meist stehen ihnen dabei aber Betreuungspflichten im Weg. So gibt über ein Drittel der teilzeitbeschäftigten Frauen an, dass der Hauptgrund dafür, dass sie keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen, Betreuungspflichten sind. Bei den vergleichsweise wenigen teilzeitbeschäftigten Männern sind Betreuungspflichten kaum ein Hindernis für die Nicht-Annahme einer Vollzeitbeschäftigung. Die vielfach strapazierte Freiwilligkeit bei der Teilzeit von Frauen, die Konservative so oft betonen, hat wenig mit der Realität zu tun. In Paarhaushalten mit Kindern geht es sich oftmals einfach nicht aus, dass beide Vollzeit arbeiten. Das hängt auch mit fehlenden Betreuungseinrichtungen insbesondere im ländlichen Raum zusammen. Zudem fällt die Entscheidung darüber, wer Vollzeit arbeitet, auch anhand von ökonomischen Kriterien. Solange Männer mehr verdienen, bleibt den Frauen oftmals nur die Teilzeit.

Besonders viele Frauen im Niedriglohnsektor

In Österreich ist außerdem der Gender Pay Gap hoch und 23,1% der Frauen sind im Niedriglohnsektor beschäftigt, bei Männern sind es 8,7%, in nur einem EU-Land ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen größer. Im Bereich der Gastronomie und Beherbergung, in der deutlich mehr Frauen als Männer beschäftigt sind, ist der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten besonders hoch. Genau dort gibt es durch die beschlossene Gesetzesänderung zusätzlich zur Ausweitung der Höchstarbeitszeit weitere Verschlechterungen, indem sie die tägliche Ruhezeit auf acht Stunden bei geteilten Diensten reduziert.

Alleinerziehende besonders betroffen

90% aller Alleinerziehenden sind Frauen. Sie haben keine Möglichkeiten Aufgaben an eine_n Partner_in zu delegieren und haben deswegen besonders starke Zeiteinschränkungen. Ihre ökonomische Situation ist äußerst prekär, was sich an einer sehr hohen Armutsgefährdungsrate zeigt. Dabei sind alleinerziehende Frauen wesentlich häufiger und länger erwerbstätig als Frauen in Paarhaushalten mit Kindern. Durch die längere bezahlte Arbeit müssen Alleinerziehende bei der Haushaltsführung, den sozialen Kontakten und bei der Kinderbetreuung Zeit „einsparen“.

Zeiteinschränkungen drängen Frauen aus bezahlter Arbeit

Auch Arbeitgeber_innen wissen, dass Frauen bei ihren Arbeitszeiten aufgrund von Betreuungspflichten häufig eingeschränkt sind. Das bedeutet nicht nur geringere Aufstiegschancen, sondern auch, dass sie für gewisse Jobs gar nicht in Betracht gezogen werden, bei denen Überstunden als Selbstverständlichkeit gelten. Das drängt Frauen aus der bezahlten Arbeit. Die Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages und der 60-Stunden-Arbeitswoche führen daher zu einer Stärkung der konservativen Vorstellung des männlichen Alleinverdieners.

Arbeitszeitverkürzung und Planbarkeit bringen gerechtere Verteilung

Die Ausweitung der Höchstarbeitszeit geht in die völlig falsche Richtung, und wird die ungerechte Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern noch verschlimmern. Was es stattdessen bräuchte, ist eine Arbeitszeitverkürzung. Die würde die Lebensqualität verbessern, allen mehr Zeit für sich selbst, für Erholung, Freizeit, Sport, Familie, Freund_innen und Engagement schenken. Eine kürzere Vollzeitarbeitszeit würde außerdem dazu führen, dass Männer etwas weniger und Frauen etwas länger bezahlt arbeiten können. Das ist eine Voraussetzung, damit sich das Verhältnis bei der unbezahlten Arbeit verbessert. Genau das wäre auch der Wunsch von vielen Frauen und Männern. Die Planbarkeit der Arbeitszeit sollte einen hohen Stellenwert für alle haben.

Eine Verteuerung der Überstunden durch hohe Zuschläge bei gleichzeitig hoher Besteuerung könnten das Überstundenvolumen zurückdrängen, überlange Arbeitszeiten reduzieren und die Arbeitszeiten planbarer machen. Dabei ist es wichtig, dass sie für alle gelten, denn nur so werden Personen mit eingeschränkten Zeitkapazitäten nicht aus gewissen Bereichen hinausgedrängt. Auch das heißt solidarisch sein.

Pia Kranawetter ist Ökonomin.

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