Die einst so stolze Arbeiter/innenpartei SPÖ steckt in einer Sackgasse, deren Ausweg nicht greifbar ist. Rot-Blau im Burgenland und Schwarz-Rot in der Steiermark sind dabei zwei Symptome einer bürokratischen Logik: ein Ausscheiden aus staatlichen Ämtern wird in weiten Teilen der Apparate als „Abstieg in die Bedeutungslosigkeit“ begriffen. Diesen Abstieg gilt es aus dieser Logik heraus um jeden Preis zu vermeiden.
Die Argumentation seitens Genossinnen und Genossen in der SPÖ lautet etwa so: Das Binden an die ÖVP raubt der Sozialdemokratie wichtige parlamentarische Spielräume. Desweiteren wird unterstellt, die österreichische Gesellschaft sei heute so latent rassistisch und polizeischutzbedürfig, dass man schlicht keine Wahlen gewinnen kann, wenn man dieser Gefühlslage nicht Rechnung trage (siehe Aktion der SPÖ-Linz und SP-Wahlkampf im Burgenland). Die Realität ist: Entsolidarisierung und Ängste in der Gesellschaft sind Resultate der tatsächlichen materiellen Verschlechterungen im alltäglichen Leben arbeitender Menschen. Diese wurden auch durch die SPÖ in den Regierungen und durch die Gewerkschaftsspitzen in der Sozialpartner/innenschaft gedeckt. Im Sinne der falschen Strategie „nach oben zu buckeln und nach unten zu treten“ werden die Verschlechterungen entlang rassistischer Kriterien thematisiert um das System zu stabilisieren.
Moralische Entrüstung greift zu kurz
Der Widerstand gegen den merkbaren Rechtsruck der SPÖ reagiert oftmals mit moralischer Entrüstung, die sich aus dem antifaschistischen Selbstverständnis der Partei und humanistischen Einstellungen speist. Doch das greift zu kurz.
Da das Niveau der Lebensqualität seit Jahren kampflos und unter Mitverwaltung der Führungen der Arbeiter/innenbewegung geduldet und gedrückt wird, gibt es in der Gesellschaft starke Ohnmacht und unterdrückten Zorn. Solange der „nationale Schulterschluss“ der Arbeiter/innenorganisationen und der bürgerlichen Interessensverbände hält und sozialen Protest verhindern kann, wird das so bleiben. Die Betondecke von Koalitionen und Sozialpartner/innenschaft zu durchbrechen ist aber notwendig, um den sozialen und politischen Richtungswechsel zu schaffen.
Das ist nicht einfach. Die Einbindung der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften in die Mechanismen pro-kapitalistischer Krisenbewältigung (dass die Kritik an neoliberaler Krisenbewältigung zu kurz greift wird anderenortes argumentiert) ist ein zentraler Bestandteil gesamteuropäischer Krisenstrategie. Spezifische Aufgabe der Sozialdemokratie aus Sicht der Bürgerlichen ist dabei die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung bei gleichzeitiger massiver Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum hin zum Kapital (Stichwort: Hypo). In Griechenland und Spanien wurde dieser Weg bis zur eigenen Vernichtung tapfer beschritten, der Unterschied zur SPÖ liegt allein im unterschiedlichen wirtschaftlichen Krisenverlauf in Süd- und Mitteleuropa. Andreas Schieder argumentiert für die Sozialdemokratie, dass es unmöglich ist gegen die Finanzmärkte zu agiere, und definiert Schuldenbremse und Budgetdisziplin überhaupt als Voraussetzung für Handlungsspielraum von Politik. Gleichzeitig rollt auf betrieblicher Ebene eine Konterrevolution, der die Gewerkschaften, die sich der Idee „Standortsicherung“ unterordnen, nichts Entscheidendes entgegenzusetzen haben. Die behauptete naturgesetzmäßige Notwendigkeit der Unterordnung unter Finanzmärkte und Standorterpressung theoretisch und in der Praxis zu widerlegen, ist der einzige Weg mit dem Alpdruck der kriselnden Gesellschaft zu brechen. In ihrer Gesamtheit ist die Sozialdemokratie aber unfähig den Bruch mit der Idee der Klassenzusammenarbeit zu vollziehen. Im Gegensatz zu PODEMOS und SYRIZA, die Ausdruck sozialen Protests sind, dient der SPÖ-Apparat ausschließlich der Zementierung der Kapitalinteressen in der Arbeiter/innenbewegung. (Randnotiz: Die Unterwerfung von Tsipras unter das Diktat der Troika ändert diese Einschätzung nicht, sie zeigt nur an, dass das Programm und die Methodik der SYRIZA-Führung sich in der Praxis als unzulänglich erwiesen haben). Daher gibt es wenige Spielräume für linken Ideenaustausch innerhalb der SPÖ, und es ist zu begrüßen, wenn es anderen Projekten gelingt, diese Funktion in Österreich zu übernehmen.
Die soziale Frage kompromisslos stellen!
In Projekten wie der Offensive gegen Rechts ist es bereits gelungen, konkret Widerstand zu organisieren, in der sozialen Frage steht dies aus. Diese Wahrnehmung ist jedoch oberflächlich: die caREvolution – ein Zusammenschluss kämpferischer Pflegearbeiter/innen – etwa, ein aktiver Ausbruch aus der Sozialpartner/innenschaft, ist hier ein wichtiger Schritt. Die dahinter liegenden verallgemeinerbaren Prozesse bleiben der Mehrheit der Linken jedoch verborgen. Die Entwicklung von Perspektiven für solche Kämpfe, das Aufzeigen konkreter Möglichkeiten im Arbeitskampf, gut aufgearbeitete Analysen und Argumentationen für Aktivist/innen zu erarbeiten wird nur von einer Minderheit der Linken überhaupt als Aufgabenstellung verstanden. Diese Bestandsaufnahme gilt umso mehr für Bereiche der sozialen Auseinandersetzung, die im „Verborgenen“ stattfinden. In Bereichen in denen der gewerkschaftliche Organisationsgrad dichter und zentralisierter ist, bleiben Auseinandersetzungen im Moment noch meist auf die Ebene der Verhandlungsteams, auf Betriebsrätekonferenzen und Konflikten im Betrieb selber beschränkt. All dies findet unter beinahe vollständigem Ausschluss der Linken statt. Man interessiert sich zwar dafür, ob „die Gewerkschaft“ nun kämpft oder nicht, in den dahinter liegenden Problemen, Konflikten und Prozessen Stellung zu beziehen wird aber abgelehnt.
Diese Orientierung ist aber zentral, da in diesen Konflikten und Prozessen das Aufbrechen des nationalen Schulterschlusses, und damit die Kräfte des „Neuen“ angelegt sind. Zugespitzter formuliert: Das österreichische Äquivalent der spanischen Kämpfe gegen Zwangsräumungen (eine zentrale Basis der jüngsten Wahlerfolge kämpferischer Bürger/innen-Listen in Spanien) ist die Auseinandersetzung um Kollektivverträge und Arbeitsbedingungen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, wie sich Belegschaften und Aktivist/innen im Ringen um bessere Arbeitsbedingungen und Löhne selbst kampffähig machen.
Orientierung auf soziale Kämpfe
Aktuell konzentriert sich die Linke stattdessen auf die Frage der Parteienpolitik, dabei gelten zwei Varianten als realistisch: 1. die Sozialdemokratie nach links drängen 2. eine neue Linkspartei organisieren.
Rund um die erste Idee wurde der „SPÖ-Rettungskongress“ abgehalten, aus dem die Themeninitiative „Kompass“ entstand. Ich bin nicht der Meinung, dass sich die SPÖ retten lässt. Aber wenn die SPÖ-Retter/innen sich entschließen, einen entschlossenen Kampf innerhalb der Partei zu führen, dafür politisch und personell zur herrschenden Parteiführung eine klare Alternative formulieren, ist dies unterstützenswert. Denn die Frage, ob die SPÖ tot ist oder nicht, wird sich nur im offenen Konflikt mit ihren Totengräber/innen klären lassen.
Als Linke sollten wir energisch auf eine Verankerung in allen wichtigen sozialen Kämpfen des Landes setzen und diese Kämpfe auch aktiv organisieren. Formulieren wir ein Forderungspaket, das sich möglichst nah an den materiellen Lebensrealitäten der Arbeiter/innenklasse orientiert. Die praktische Verbindung der sozialen Verankerung und des politischen Programms soll an allen möglichen Punkten in der Arbeiter/innenbewegung organisiert werden. So hat einst der Prozess der Einigung der Sozialdemokratie funktioniert und so kann auch heute ein Linksprojekt entstehen, das der Höhe der Zeit entspricht: ein Verbund an Menschen, der Zumutungen des Kapitals mutig entgegentritt und eine glaubhafte Alternative zum herrschenden System darstellt.
Emanuel Tomaselli ist Redakteur von Der Funke und Aktivist der gleichnamigen politischen Strömung.