Im Jänner hat die ÖVP ihren sogenannten Österreichplan vorgestellt. „Land der Leistung und der Arbeit“ ist die Überschrift des ersten Kapitels. Was nach Anspielung auf die Bundeshymne klingt, bedeutet für Asylwerber:innen die Kürzung der Grundversorgung und Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit, schreiben Roland Atzmüller und Alban Knecht.
Im September 2023 wurde nach Medienberichten auf einer Konferenz der Flüchtlingsreferent:innen der Bundesländer der Beschluss gefasst – angeregt vom oberösterreichischen Integrations-Landesrat Hattmannsdorfer (ÖVP) – das Innenministerium möge ein Modell vorlegen, wie Asylwerber:innen zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet und wie sie durch Reduktion der Leistungen aus der Grundversorgung sanktioniert werden können. Viele Journalist:innen hoben in ihren Berichten hervor, dass der Beschluss der Flüchtlingsreferent:innen einstimmig erfolgt sei. Die Abwesenheit von vier Bundesländern übergingen sie indes. Dem „einstimmigen“ Beschluss von fünf Bundesländern hatten auch die anwesenden Flüchtlingsreferent:innen der SPÖ-geführten Bundesländer Kärnten und Burgenland zugestimmt.
Grünes Licht für Verwirrung
Ähnlich verwirrend war die Berichterstattung zur nächsten Konferenz der Flüchtlingsreferent:innen im Bundesministerium für Inneres (BMI) im Dezember 2023. Demnach war fraglich, ob das BMI nun ein Modell zur Verpflichtung von Asylwerber:innen zu gemeinnützigen Arbeit erstellt hatte – oder nicht. Insbesondere die „Vertreter“(:innen) der ÖVP-geführten Bundesländer (die Verfasser nehmen an, dass diese seit dem Österreichplan nicht mehr gegendert werden dürfen oder wollen) erweckten den Eindruck, es sei ein Modell des BMI der Konferenz übergeben und diskutiert worden. Vertreter:innen der SP-geführten Länder betonten hingegen, dass sie davon nichts mitbekommen hätten. Diese Frage sei auch nicht auf der Tagesordnung gestanden.
Laut der Berichterstattung des Faktenchecks faktiv von profil hat das BMI auf der Konferenz der Flüchtlingsreferent:innen den Bundesländern quasi grünes Licht gegeben, in dieser Frage nach eigenen politischen Vorstellungen zu verfahren. Eine Arbeitsverpflichtung wie auch erweiterte Sanktionierungsmöglichkeiten tangieren die §15-Vereinbarung des Bundes mit den Ländern zur Grundversorgung von Asylwerber:innen nämlich nicht. Die Vertretungen von Oberösterreich, von dem ja die aktuelle Debatte ausgeht, aber auch Vorarlberg, das Asylwerber:innen einen sogenannten Vorarlbergkodex unterschreiben lassen will, der die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit vorsieht, sahen sich in ihren Vorgangsweisen bestätigt. Sie kündigten die Entwicklung und Umsetzung von derartigen Maßnahmen an.
Folklore der konservativen, rechten und neoliberalen Politiker:innen
Karl Mahrer, Parteiobmann der Wiener ÖVP, und Caroline Hungerländer, ihres Zeichens sogenannte Integrationssprecherin der ÖVP Wien, machten im nachfolgenden Rauschen der Öffentlichkeit noch einmal klar, worum es den Konservativen in der Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit wirklich geht. Nämlich um die Unterbindung von angeblichen Anreizen für das, was Konservative und Rechte heute „Zuwanderung in das Sozialsystem“ nennen. Asylwerber:innen wird grundsätzlich unterstellt, sie würden nach Österreich kommen, um von der Grundversorgung und später der Sozialhilfe ein Leben in Saus und Braus führen zu können. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Frau Hungerländer und Herr Mahrer die Forderung wiederholten, Asylwerber:innen Essensgutscheine und das Taschengeld (40 Euro im Monat) kürzen zu dürfen (und ja, Namenswitze verbieten sich).
Und weil es zur Folklore der hiesigen konservativen, rechten und neoliberalen Politiker:innen gehört, sich als die Leistungsträger:innen des Landes zu sehen, heißt gemeinnützige Arbeit für Asylwerber:innen für sie nicht weniger als Erziehung zu österreichischen Werten. All das ist kein Wunder in einem Land, in dem schon Jörg Haider Kritiker:innen beschieden hatte, dass sie bei einer anderen Regierung nicht mehr zum lautstarken Kritisieren kämen, weil sie die Luft dann fürs Arbeiten bräuchten. Außerdem verschweigen rechte Demagog:innen, dass verschiedene Gerichtsverfahren nahelegen, dass gerade in ihren Parteien die ungerechtfertigte Bereicherung der „wos woa mei Leistung“-Milieus Tradition haben könnte.
Der Generalsekretär der ÖVP, Christian Stocker, formuliert dies folgendermaßen:
„Gemeinnützige Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung österreichischer Werte. Wer in Österreich Schutz und Hilfe bekommt, soll der Gesellschaft auch etwas zurückgeben. Deshalb ist es notwendig, dass der Erhalt des vollen Taschengelds für anerkannte Flüchtlinge nur bei Arbeitswilligkeit gewährt wird. Und wir bleiben dabei: Es braucht zusätzlich auch mehr Sach- statt Geldleistungen. Österreich darf nämlich kein Selbstbedienungsladen für Flüchtlinge werden.“
Bewusste Auslassungen
Dass Asylwerber:innen in Österreich nur einen sehr eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt etwa im Bereich von Landwirtschaft und Tourismus und für gemeinnützige Tätigkeiten haben, vergaß er zu erwähnen. Ebenfalls, dass sie dabei nicht mehr als 110 Euro (sowie 80 Euro pro versorgungspflichtiges Kind) dazuverdienen dürfen (200 Euro bei gemeinnützigen Tätigkeiten) ohne aus der Grundsicherung rauszufallen. Zu erwähnen vergaß er auch, dass seine Partei, namentlich Minister Kocher, diese Regelungen auch dann aufrechterhalten hat, als sie vom Verfassungsgerichtshof 2021 aufgehoben wurden, um sie an die EU-weit gültigen Aufnahmeregelungen anzugleichen. Arbeit als Erziehungs- und Strafmaßnahme für missliebige Bevölkerungsgruppen entspricht halt eher den Vorstellungen der „Fleißigen und Anständigen“. Mit ihnen will man eventuell wieder koalieren.
Die Burgenland-SPÖ doing Burgenland-SPÖ-things
Bei der SPÖ verwies immerhin der Wiener Stadtrat Peter Hacker darauf, dass er diese Maßnahmen für einen Verstoß gegen die Menschenrechte halte. Sie liefen, so Hacker, auf Zwangsarbeit hinaus, die noch dazu zu Lohndumping führen könnte. Er betonte, dass Strategien notwendig wären, Qualifikationen von Asylwerber:innen rascher anzuerkennen. Verlässlich zeigte sich dagegen die Burgenland-SPÖ doing Burgenland-SPÖ-things. Roland Fürst sprach sich gegen die Verpflichtung von Asylwerber:innen zu gemeinnütziger Arbeit aus. Das war aber kein plötzlicher Anfall von wokem Bablerismus. Vielmehr befürchtete Fürst, dass eine derartige Verpflichtung – Doskozil bewahre – „automatisch zu einer Arbeitsintegration“ führe, die bei negativen Asylbescheiden „kontraproduktiv“ sein könnte.
Die Debatte ist nicht neu, auch wenn sie im anlaufenden Wahlkampf neue Grauslichkeiten gebiert. Der ganze Bahöö um Arbeitspflicht, Sanktionen und nun auch Bezahlkarten soll in der Öffentlichkeit vernebeln, dass Asylwerber:innen der Zutritt zum Erwerbsleben verweigert und damit ein wesentliches Freiheitsrecht dieser Gesellschaft abgesprochen wird. Stattdessen soll die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit und die Koppelung dieses Zwangs mit dem Ausbau von Sanktionsmöglichkeiten ein anderes Bild verfestigen. Und zwar, dass die „illegale Zuwanderung ins Sozialsystem“, dieses als „Selbstbedienungsladen“ sehe. Daher auch die Betonung, dass Personen, die hier „Schutz und Hilfe“ erhalten, auch „etwas zurückgeben“ müssen und das dann in Form verpflichtender Arbeit und nicht freiem Zugang zu Erwerbstätigkeit. Ein Menschenrecht, wie jenes auf Asyl, kann es aus dieser Perspektive zumindest für Leute aus „falschen“ Kulturkreisen nicht bedingungslos geben und kosten solle es auch möglichst nichts. Daher will man auch die Möglichkeiten, Asylwerber:innen Geld und Wertgegenstände abzunehmen, erweitern.
Es lebe der Österreich-Plan
Das alles passt gut zusammen mit den jüngst aus der BRD rübergeschwappten Plänen, monetäre Zuwendungen für Asylwerber:innen in der Grundversorgung, wie etwa das Taschengeld von 40 Euro pro Monat oder jene 6,50 bis 7 Euro Verpflegungsgeld pro Tag für Asylwerber:innen in Unterkünften ohne Verpflegung über eine Bezahlkarte abzuwickeln. Dabei ist es nur auf den ersten Blick seltsam, dass so etwas von jenen Parteien kommt, die das Recht auf Bargeld oder den „Schutz von Münzen und Banknoten“ in der Verfassung verankern wollen.
Tatsächlich sollen Asylwerber:innen stärker kontrolliert und diszipliniert werden, um der eigenen Wähler:innenschaft klar zu machen, dass man ihnen noch weniger zugesteht. Mittels Bezahlkarten kann beispielsweise der Erwerb von Alkohol oder Zigaretten eingeschränkt oder verunmöglicht werden. Dass man Asylwerber:innen verpflegen muss, muss man hinnehmen wegen Menschenrechten und so. Aber dass sie dann auch noch tschicken oder mal was trinken, das nicht. Das ist nicht rassistisch, sicher nicht, weil die verstärkte Umstellung auf Sachleistungen war schon in Diskussion bei der Reform der Mindestsicherung. Und so denkt man es im Österreich-Plan auch in Bezug auf alle Sozialhilfebezieher:innen an. Von denen weiß ja jeder Konservative und jeder Rechte, dass die eh alle in Wien leben, Asylanten sind und vor Mittag nicht aufstehen.
Foto: Paul_Gruber