Warum alleinerziehende Mütter sich jetzt gegen Schwarz-Blau organisieren

Alleinerziehende Mütter und ihre Kinder landen oft in der Armutsfalle. Jetzt organisieren sie sich selbst und kämpfen für einen öffentlich garantierten Unterhalt. Warum das notwendig ist und was das mit Kapitalismus und Patriarchat zu tun hat, erklären Julia Stadlbauer und Barbara Stefan.

Für Kinder bedeutet ein alleinerziehender Elternteil in vielen Fällen Armut. Fast jede zweite Ein-Eltern-Familie lebt derzeit unter der Armutsgefährdungsgrenze. Damit sind sie nach Geflüchteten die am stärksten armutsgefährdete Gruppe in Österreich.

Dieser Zustand ist vor allem für Mütter bedrohlich, die etwa 90 Prozent aller Alleinerziehenden ausmachen. Sie fordern jetzt mehr Schutz und Existenzsicherheit für ihre Kinder.

Rückzieher der ÖVP

Am 13. Dezember übergeben Alleinerziehende der ÖVP eine Petition. Sie haben sich organisiert, um eine Unterhaltsgarantie für alle Kinder zu fordern. Dafür sollen auch die realen Kosten im Rahmen eine Kinderkostenstudie erhoben werden.

Im Wahlkampf sah es kurz so aus, als ob die Forderung umgesetzt werden würde. In einer TV-Diskussion stimmten die SpitzenkandidatInnen aller Parteien dem Vorschlag zu – auch Sebastian Kurz. In letzter Sekunde machte die ÖVP aber einen Rückzieher und ließ Alleinerziehende in der untragbaren Situation zurück.

Alleinerziehende stehen oft allein da

Kindesunterhalt ist einerseits ein Recht, das den materiellen Bedarf eines Kindes absichern, und andererseits ein Beitrag, der die Kosten für Wohnen, Essen, Kleidung und Freizeitgestaltung abdecken soll.

Oft müssen die Betroffenen diesen erst in nervenaufreibenden, langwierigen Prozessen vom anderen Elternteil einklagen. Der Staat übernimmt den Unterhalt nur in den Fällen (im Rahmen eines sogenannten Unterhaltsvorschusses), wenn die Aussicht besteht, später diese Leistung vom Unterhaltsschuldner zurückzubekommen.

Frauen sind betroffen

Diese schwierige Situation trifft vor allem Frauen. Weil sie in ca. 90 Prozent aller Fälle die alleinerziehende Verantwortung für die Kinder übernehmen, aber auch aufgrund der hohen Teilzeitquote und den niedrigen Löhnen in Frauenberufen.

Zudem erhält jede zweite alleinerziehende Mutter keinen oder nur unregelmäßigen Unterhalt. Sie müssen den fehlenden Unterhalt alleine ausgleichen. Eine fast unlösbare Aufgabe, da durch die Betreuungsverantwortung eine Vollzeitanstellung für viele Mütter nicht machbar ist. Die geplante schwarz-blaue Steuerentlastung für Familien kommt Alleinerzieherinnen auch nicht zugute, da ihr Einkommen meist zu gering für den Steuerbonus ist.

Was ein Kind wirklich kostet

Fragt man die Regierung, was ein Kind kostet, orientiert sie sich an einer Erhebung aus dem Jahre 1964. Obwohl die Beträge gemäß dem Verbraucherpreisindex angepasst wurden, sind sie also an den Lebensbedingungen von Kindern von vor über 50 Jahren ausgerichtet.

Eine Studie des WIFO aus dem Jahr 2003 zeigte, dass ein Kind bis zum Alter von 17 Jahren durchschnittlich €500,-/Monat direkte Kosten verursacht. Die indirekten Kosten (d.h. der Verdienstentgang bzw. Einkommensausfall aufgrund nicht leistbarer Lohnarbeit) kommen im gleichen Zeitraum sogar auf bis zu 220.000 Euro.

Elternsein als Existenzbedrohung

Die gesetzlichen Regelbedarfssätze liegen jedoch nach wie vor  bei nur 204 bis maximal 454 Euro monatlich, je nach Alter des Kindes. Die Kinderbeihilfe (zwischen 114 und 165,10 Euro, je nach Alter des Kindes) ist ein sehr geringer Beitrag zur Kostenkompensation. Die Differenz beträgt also mehrere hundert Euro monatlich, welche vor allem schlecht verdienende, alleinerziehende Mütter in die Armutsfalle treibt.

Die aktuelle Gesetzeslage macht ein Kinder selbst für Frauen aus der Mittelschicht zur Existenzbedrohung, wenn sie allein erziehen müssen. Sozialer Abstieg und Armut für Mutter und Kind sind die Folge, wenn die betroffene Frau sich nicht auf die Gunst eines unterhaltszahlenden Vaters einstellen kann.

Kapitalismus und Patriarchat

Die derzeitigen rechtlichen Verhältnisse zementieren das Machtungleichgewicht zwischen Müttern und Vätern ein. Sie basieren historisch auf einem patriarchal-bürgerlichen Alleinverdienermodell, in welchem der Mann für die finanzielle Absicherung der Familie sorgt, während sich die Frau um Haushalt und Kindererziehung kümmert.

Das war Teil einer kapitalistischen Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen: Männer verkaufen ihre Arbeitskraft gegen Lohn, während Frauen unbezahlt für das emotionale, sexuelle und leibliche Wohl ihres Partners und ihre Kinder sorgen. Die ökonomische Absicherung von Frauen erfolgte also in erster Linie über private Leistungen durch ihren Lebenspartner und ordnete sie damit dem Mann unter.

Durch Erfolge der Frauenbewegungen und den Eintritt der Frauen in das Erwerbsarbeitsleben hat sich diese Arbeitsteilung verändert. Doch rechtliche Regelungen und staatliche Infrastruktur richten sich immer noch an dem alten Familienmodell und männlichen „Normalbiographien“ aus.

Selbstorganisation als erster Schritt

Für die Gleichberechtigung von Frauen braucht es öffentliche Infrastruktur, die reproduktive Arbeit und den Erhalt einer glücklichen, gesunden Menschheit ins Zentrum der Gesellschaft stellt. Dazu gehört eine bedarfsdeckende Unterhaltssicherung für Kinder, flächendeckende und kostenfreie Kinderbetreuungseinrichtungen, Förderung von Väterkarenz, Arbeitszeitverkürzung, Einbeziehen von Betroffenen als ExpertInnen in politische Entscheidungen und vieles mehr.

Die kollektive Selbstorganisation von Frauen und Müttern ist ein erster und wichtiger Schritt, um das zu erreichen.

 

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