Am 25. April gedenkt Italien der Befreiung vom Faschismus und von der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht. Gernot Trausmuth wirft einen Blick auf die aktuellen Debatten rund um diesen politisch heiß umkämpften Feiertag.
Der Feiertag bezieht sich auf den 25. April 1945, an dem die Leitung des Komitees zur nationalen Befreiung (CLN) den bewaffneten Aufstand gegen die letzten Bastionen des faschistischen Regimes von Mussolini proklamierte. Daraufhin befreiten die PartisanInnen, die schon zuvor mehrere wichtige Städte (Bologna, Reggio, Genua) befreien konnten, gemeinsam mit den Alliierten auch Mailand und Turin. Angesichts dieser Aufstandswelle sah sich der „Duce“ gezwungen zu flüchten, wurde aber bald schon gefangen genommen und erschossen.
Die Resistenza als nicht bloß antifaschistische Massenbewegung
Die Resistenza, wie die italienische Widerstandsbewegung genannt wird, zählt zweifelsohne zu den größten antifaschistischen Massenbewegungen des 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus hatte sie aber auch das Potenzial, neben dem Faschismus auch gleich die gesamte kapitalistische Ordnung über den Haufen zu werfen. Bereits 1943 waren sich die westlichen Alliierten bewusst, dass der stark wachsende Einfluss der kommunistisch dominierten PartisanInnenbewegung eine Gefahr für ihre Interessen darstellte. Churchill sprach damals offen von der drohenden „Bolschewisierung“ Italiens. Als im April 1945 Zehntausende PartisanInnen mit Waffen in der Hand die Städte und Dörfer kontrollierten, war dieses Gespenst einer Revolution lebendig geworden. Viele PartisanInnen hofften in diesen Stunden des Aufbruchs auf einen revolutionären Systemwechsel wie in Jugoslawien oder in Osteuropa.
Kein Wunder, dass bei den Feierlichkeiten zum 25. April bis heute linke Symbole allgegenwärtig sind: rote Fahnen, rote Sterne, Hammer und Sichel. Die Tageszeitung Il Giornale, die im Eigentum des Bruders von Silvio Berlusconi ist, schrieb 2011 in einem Kommentar: „Der 25. April wurde sofort zu einem Datum der nationalen Spaltung, nicht der Einheit. Die Aneignung jedes Jahrestages durch die Linke, die sogar zum körperlichen Ausschluss von Vertretern nicht linker, aber doch demokratisch legitimierter Regierungen führte, hat diesen nationalen Feiertag in eine Megakundgebung einer Seite verwandelt.“
Vorschläge zur Ersetzung des 25. April durch einen anderen Feiertag
Wenig überraschend kommen aus den Reihen rechter Parteien häufig Vorstöße, den 25. April durch einen anderen Feiertag zu ersetzen. Rechtsextreme und neofaschistische Gruppierungen setzen immer wieder Zeichen gegen diesen rot angestrichenen Tag im Kalender. So brachten rechte Fans des Fußballclubs Juventus im Turiner Stadtderby vergangenes Jahr ein Transparent im Stadion an, auf dem der 25. April durchgestrichen war.
Wasser auf ihre Mühlen ist der seit 2004 gesetzlich verankerte „Tag der Erinnerung“ am 10. Februar, der von den rechten Parteien eingefordert wurde. Die extreme Rechte nutzt diesen Tag, um den Opfern der „Foibe“, den Racheaktionen jugoslawischer PartisanInnen in Istrien zu gedenken. Getragen ist diese rechte Gedenkkultur von einem offenen Geschichtsrevisionismus, der die Verbrechen des Faschismus relativieren soll. In den letzten zehn Jahren wurden seitens des Staates ca. 300 Faschisten nachträglich geehrt.
Antifaschistische Lippenbekenntnisse der bürgerlichen Mitte
Die bürgerliche Mitte steht zwar in Worten weiterhin zu den antifaschistischen Wurzeln der Republik, aber nur um den von PartisanInnenkampf und Massenstreiks geprägten Widerstand auf einige liberale Plattitüden zu reduzieren. Am 25. April wird von den VertreterInnen des regierenden Partito Democratico (PD) von Premier Matteo Renzi die nationale Einheit beschworen. 2013 hat der damalige Staatspräsident Giorgio Napolitano unmittelbar nach Angelobung einer Regierung der nationalen Einheit das Gedenken an die Resistenza für diesen Schritt herangezogen: „In den für das Land zentralen Momenten und in Zeiten der Krise ist das Gedenken von grundlegender Bedeutung. Wir können immer noch viel lernen, wie wir solchen Situationen begegnen sollen: Es braucht Mut, Standhaftigkeit und Sinn für die Einheit, die auch entscheidend waren, um den Kampf der Resistenza gewinnen zu können.“
Die Führung der Associazione Nazionale Partigiani d’Italia (ANPI) gibt dieser Interpretation des antifaschistischen Widerstands Flankendeckung, indem sie sich auf eine abstrakte Verteidigung der „Demokratie“ und der „Verfassung“ (aus dem Jahre 1946) beschränkt. Damit wird die ANPI aber dem revolutionären, im Kern antikapitalistischen Inhalt des Befreiungskampfes keinesfalls gerecht.
Linkes Gedenken an den Befreiungskampf und seine Widersprüche
Das linke Gedenken an den Befreiungskampf wird seit vergangenem Jahr auch durch die Debatte über den Umgang mit pro-israelischen Vereinigungen geschwächt. Jüdische Vereine, die in der Tradition der Jewish Infantry Brigade Group stehen, die im Rahmen der britischen Armee kämpfte, oder die Associazione nazionale ex deportati (Aned) lehnen seit 2015 die Teilnahme an einer gemeinsamen Kundgebung aller antifaschistischer Kräfte ab, weil sie keine palästinensischen Fahnen tolerieren wollen. Dabei wird völlig vergessen, dass die Mehrheit der JüdInnen, die aktiv Widerstand leisteten, in sozialistischen oder kommunistischen PartisanInneneinheiten kämpften, die betont internationalistisch waren.
Trotz alledem werden auch heuer in ganz Italien Zehntausende Menschen an den diversen Kundgebungen, Gedenkfeiern und antifaschistischen Feiern teilnehmen, um dort ein Zeichen zu setzen, dass der Kampf für eine bessere Welt weitergehen muss. Die Bedeutung dieses antifaschistischen Erinnerns fasste der Partisan Giuseppe Campanelli so zusammen:
„Es ist gut, wenn wir die, die sich nicht erinnern wollen, die BürokratInnen, die Bonzen, diejenigen, die für ein Butterbrot die geballte Faust vergessen haben …, an die Gründe für unseren Kampf erinnern … an die Beweggründe, warum die vielen ermordeten GenossInnen, die erhobenen Hauptes und mit der Überzeugung starben, dass ihr Opfer der Befreiung des Proletariats, der Erhebung der Unterdrückten, der Zerstörung jenes bürgerlichen Systems dienen würde, das Diktatur, Krieg, Völkermord und grausame Ausbeutung hervorbringt … Der Kampf, den sie mit dem 25. April 1945 als beendet sahen, ist noch lange nicht zu Ende.“
Gernot Trausmuth ist ist aktiv bei Connect Donaustadt und Übersetzer des Buches Meine 7 Väter. Als Partisan gegen Hitler und Mussolini von Adelmo Cervi, das vor kurzem beim Mandelbaum Verlag erschienen ist.