Zukunft der Arbeit – Herausforderungen der digitalen Revolution

Es mangelt nicht an Arbeit, sondern an der Bereitschaft Arbeit gerecht zu entlohnen. Erwerbsarbeit wird immer mehr durch Automatisierung und Robotisierung ersetzt oder in Billiglohnländer ausgelagert. Wir alle müssen uns den Folgen dieser Entwicklungen stellen und konkrete Antworten entwickeln, um politisch handlungsfähig zu bleiben.

Auf den Wohlfahrtsstaat kommen in den nächsten Jahren einige neue Herausforderungen zu. Die öffentliche Debatte kreist derzeit vor allem um Flucht und Migration oder, wenn auch inzwischen weniger, um die Griechenland- und Eurokrise. Daneben dürfen wir aber nicht aus dem Blick verlieren, dass wir uns inmitten eines neuen technologischen Zeitalters befinden, nämlich eines digitalen Zeitalters.

Die digitale Revolution bringt enorme gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbrüche mit sich, sie bietet aber auch Möglichkeiten unsere Gesellschaft und Wirtschaft neu zu gestalten. In den Zeitungen lesen wir, dass in der Industrie durch den vermehrten Einsatz von Robotik Millionen von Arbeitsplätzen verloren gehen werden. Aber auch der Dienstleistungssektor, beispielsweise Transport oder das Banken- und Versicherungswesen, werden rasch digitalisiert. Wie soll eine Politik, die handlungsfähig bleiben möchte, auf diese Entwicklungen reagieren?

Erwerbsarbeit als Grundlage des Wohlfahrtsstaats

Der Sozialstaat europäischer Prägung und das rasante Wachstum der Wirtschaftswunder-Jahre bescherten zwar allen immer mehr, letztendlich aber den einen viel mehr als den anderen. Seit den 1970er-Jahren sanken die Wachstumsraten stetig und Arbeitslosigkeit wurde fixer Bestandteil des Arbeitsmarktes. Steuersenkungen, Deregulierungen und Privatisierungen stabilisierten die Profite, Pensionen und Sozialleistungen wurden gesenkt.

Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt stieg die private und staatliche Verschuldung, die nun in der Krise so stark zum Thema wurde. Die Finanzierung des Wohlfahrtsstaats basiert großteils auf Steuereinnahmen aus menschlicher Arbeit, die in Folge unterschiedliche (Sozial)Leistungen des Staats erst ermöglicht.

Nicht die erste technologische Revolution

Viele Formen der Arbeit, die einst untrennbar mit den Körpern, Fähigkeiten und Erfahrungen der Menschen verbunden waren, lösen sich allmählich von diesen. Die Geschicklichkeit der Hand ist in den Maschinen verschwunden, die Muskeln wurden durch Dampfmaschinen und Elektrizität ersetzt. Diverse Automaten traten an die Stelle von Augen, Tastsinn und Erfahrungswissen. Der technische Fortschritt bedeutete dabei auch eine Befreiung von körperlich anstrengender, harter und gefährlicher Arbeit. Doch dieser Fortschritt hatte einen Preis. Der Mensch als Produzent, wurde zum flexiblen und passiven Rohstoff  unseres Arbeits- und Wirtschaftskreislaufes.

Seit Produktionsverfahren in den 1960ern immer stärker automatisiert werden, hat sich die traditionelle Facharbeiter_innenschaft gespalten: Hochqualifizierte Spezialist_innen auf der einen und leicht austauschbare Hilfskräfte auf der anderen Seite. Mit dieser Austauschbarkeit verloren die Arbeiter_innen ihre Verhandlungsmacht, Lohndumping war die Folge.

Hinzu kommt, dass durch die Automatisierung viele klassische Industrie-Berufe verschwanden, beziehungsweise im Begriff sind zu verschwinden. Parallel dazu wuchs der (soziale) Dienstleistungssektor. Die Entlohnung und Absicherung dort sind jedoch nicht mit jener von männlich geprägten Industriearbeitsplätzen zu vergleichen. Im Dienstleistungssektor arbeiten mehr Frauen, häufig mit prekären Teilzeitverträgen und viel niedrigeren Löhnen.

Nun, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, verändern Informationstechnologien und das Internet die Arbeitswelt erneut. Nicht nur Hilfsarbeiter_innen im Lager und Kassierer_innen im Supermarkt werden ersetzbar. Auch das Können von Ingenieur_innen, Architekt_innen und Anwält_innen wird zunehmend in Algorithmen verschiedenster Software gespeichert und jederzeit abrufbar gemacht. Computer können schon heute medizinische Diagnosen erstellen oder komplexe logistische Abläufe steuern. Algorithmen ersetzen immer häufiger das Ermessen von Verwaltungsangestellten in bürokratischen Abläufen.

Wie Algorithmen unseren Alltag verändern

Mit Schlagworten wie Industrie 4.0 oder „Internet der Dinge“ wird der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung beschrieben. Algorithmen von Unternehmen wie Facebook, Google und Amazon kennen unsere Vorlieben schon vorab. Werkstücke steuern ihren Weg durch Produktionsabläufe selbstständig. Logistik-Netzwerke kommen im voll automatisierten Lager, in selbstlenkenden Autos oder im Lebensmittelmarkt fast ohne Menschen aus. Smarte Kühlschränke melden sich, wenn ein Produkt zur Neige geht, das dann von Drohnen ausgeliefert wird.

Algorithmen und Computernetzwerke können Menschen kontrollieren und neue Bedürfnisse wecken, Wachstum hochpeitschen, Drohnen lenken oder jedes Jahr neue Generationen virtueller Welten und Unterhaltungsmaschinen entwerfen. Sie werten Menschen zum scheinbar passiven Schmiermittel der Wirtschaft ab. Doch Algorithmen und Computer können uns auch von körperlicher schwerer, einförmiger Arbeit befreien. Sie können uns helfen, auf dezentrale, vernetzte Energiesysteme umzustellen und öffentliche Verkehrsmittel attraktiver machen. Und wir könnten sie nutzen, um das System der Steuererhebung gerechter, transparenter und effizienter zu gestalten.

Es gibt im Moment keine zuverlässigen Prognosen, in welchem Ausmaß die Digitalisierung zu Arbeitslosigkeit führen wird. Dabei wird es vor allem auf den Preis der menschlichen Arbeit ankommen. Sinkt dieser, wird es sich mancherorts nicht lohnen, Maschinen anstelle von Menschen einzusetzen. Steigt dieser, wird, wo immer es geht, der Faktor Mensch ersetzt werden. Dieser Umstand hat enorme Auswirkungen auf unser heutiges Verständnis von Arbeit und Gesellschaft.

Robotik und Automatisierung der Arbeitswelt setzen auch das staatliche soziale Netz enorm unter Druck. Die Finanzierung des Wohlfahrtsstaats hängt sehr stark an Erwerbsarbeit. Während derzeit viel über die technologischen Möglichkeiten diskutiert wird, fehlt jedoch die Debatte zu politischen Gegenkonzepten um mit den Chancen und Herausforderungen der digitalen Revolution umzugehen. Schließlich ist Technik gestaltbar und hier gilt es aktiv anzusetzen. Wenn wir das nicht tun, werden die technischen Möglichkeiten und ökonomischen Rahmenbedingungen unsere Arbeits- und Lebenswelten gestalten.

Wie können wir Digitalisierung gestalten?

Vor allem muss es zukünftig um Fragen der Chancengleichheit gehen. Aktuell wird vornehmlich menschliche Arbeit besteuert. Wo bleibt aber der Gewinn, der aus der Automatisierung von vormals menschlicher Arbeit entsteht? Wenn wir uns keine Alternativen überlegen, werden nur jene diese Wertschöpfung erhalten, die Roboter- und Automatisierung forcieren. Gegenwärtig werden Einkommen aus Kapital mit 25 Prozent besteuert, Einkommen aus Arbeit hingegen mit bis zu 55 Prozent. Die Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen aus dieser Perspektive radikal verändert werden.

Wie soll nicht-menschliche Arbeit in Zukunft besteuert werden? Wie können wir Digitalisierung und Automatisierung ausgeglichener gestalten? In Zeiten der digitalen Revolution müssen wir über Bildung, Grundeinkommen, Steuergerechtigkeit, Wertschöpfungs- und Dividendenabgaben, Arbeitszeitverkürzung oder die Einführung eines hybriden Wirtschaftssystems, in dem wir parallel verschiedene Funktionsweisen zulassen, diskutieren.

In Zukunft werden Algorithmen unsere Arbeit stärker kontrollieren, als es menschliche Vorgesetzte je könnten. Genau deshalb gilt es darauf zu achten, dass Algorithmen nicht der Ausbeutung dienen, sondern für eine effizientere und gerechtere Arbeitswelt genützt werden. Gleichzeitig können wir die Stärken digitaler Arbeitsmärkte in den Bereichen Vernetzung, Geschwindigkeitssteigerung und Effizienz fördern. Diesen Vorteilen und Stärken entsprechend müssen Erwerbstätige auch entlohnt werden und nicht zum Zwecke eines globalen Lohndumpings.

Neben der grundsätzlichen Gestaltung des technologischen Wandels muss sich die Politik überlegen, wie sie den alltäglichen digitalen Herausforderungen begegnet. Erste Schritte wären zum Beispiel die Schaffung öffentlicher Suchmaschinen, finanzielle Unterstützung für Open Source Datenbanken und Software wie auch der Gebrauch und Förderung von Linux-basierten Systemen. Es müssen massiv höhere Investitionen in die Bildung getätigt werden, um Bildungsbenachteiligungen zu reduzieren und eine höhere Durchlässigkeit im Schul- und Bildungssystem zu schaffen.

Eine chancengerechte Politik muss den digitalen Errungenschaften unserer Zeit auf Augenhöhe begegnen. Sie muss eine Mitmachgesellschaft etablieren, in der viele politische Probleme dezentral und vor allem „von unten“ gelöst werden um ein gutes Leben für alle zu ermöglichen.

Thomas Kerekes ist Umwelt-Ökonom und Landschaftsarchitekt in Wien. Im Moment sind seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte im Bereich „Zukunft der Arbeit“ sowie die Vermittlung und Förderung von sozial gerechter Stadtentwicklung und Baukultur.

 

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