Ein gezielter Angriff: Wen die schwarz-blaue Arbeitsmarktpolitik am härtesten trifft

Noch im Dezember 2017 plante das Arbeitsmarktservice (AMS) für 2018 mit einem Rekordbudget für aktive Arbeitsmarktpolitik. Nun soll das Budget um fast ein Drittel reduziert werden. Doch die schwarz-blaue Kürzungspolitik ist nicht einfach blinder Kahlschlag. Getroffen werden gezielt einzelne Bevölkerungsgruppen. Welche das sind, erklärt Arbeitsmarktforscherin Veronika Litschel.

Rund 400 Millionen sollen alleine im Jahr 2018 durch das Einfrieren der Aktion 20.000 gespart werden können. Dabei handelt es sich um eine Förderung, die die Anstellung von langzeitbeschäftigungslosen Arbeitssuchenden, die über 50 Jahre alt sind, bei Gemeinden und gemeinnützigen Einrichtungen ermöglichen sollte.

Wie die Bezeichnung verrät, wären bei Vollausbau bis zu 20.000 Arbeitsplätze über diese Schiene geplant gewesen. Bis zu 778 Millionen Euro waren dafür vorgesehen. Im Jahr 2017 startete die Aktion in einigen Pilot-Regionen, 2018 hätte sie in ganz Österreich ausgerollt werden sollen.

Kommunistische Beschäftigungspolitik?

Doch genau diese Beschäftigungsaktion ist Schwarz-Blau ein Dorn im Auge, auch wenn die ÖVP im Herbst noch das Gesetz mitbeschlossen hat. Das Einfrieren durch Ministerin Hartinger-Klein bedeutet in der Praxis, dass nur noch Anträge bearbeitet und genehmigt werden, die bis Ende Dezember 2017 eingelangt waren, nicht aber neue Anträge.

Ihren Schwenk begründet die Bundesregierung unterschiedlich: Manchmal wird die verbesserte Arbeitsmarktlage herangezogen. Ministerin Hartinger-Klein bezeichnete die Aktion aber auch schon als „Methode des Kommunismus“, die nicht funktionieren könne.

Integration von Flüchtlingen nicht erwünscht

Der zweite größere Kürzungsbereich sind Ausgaben für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. Es geht insbesondere um Kompetenzchecks, Deutschkurse und Qualifizierungen für Asylberechtigte und Personen mit subsidiärem Schutz. Durch das „Integrationsjahrgesetz“ werden diese Maßnahmen gesetzlich vorgeschrieben, finanziell aber nicht bedeckt. Die Kürzungen treffen also auch Menschen, die in Österreich den vollen gesetzlichen Arbeitsmarktzugang haben.

Ebenfalls von Kürzungen betroffen sind wohl Ausgaben für Jugendliche in überbetrieblichen Lehrausbildungseinrichtungen. Diese spezifischen Ausbildungsplätze sollen laut Regierungsprogramm eingeschränkt werden.

Kein „Kahlschlag“, sondern ein gezielter Angriff

Alles in allem betragen die Kürzungen 2018 gegenüber den ursprünglichen AMS-Planungen rund 590 Millionen Euro. Wohlgemerkt, das sind nur die Einsparungen für ein Jahr. Doch die Sache kann auch anders betrachtet werden. Auch mit diesen Kürzungen wird das Arbeitsmarktförderungsbudget des AMS in etwa auf dem Niveau bleiben, das es 2017 verausgabt hat. Und das bei (prognostiziert) weiter sinkender Arbeitslosigkeit.

Die Kürzungen beim Arbeitsmarktbudget sind also nicht einfach ein „Kahlschlag“. Sehr wohl bedeuten sie aber eine empfindliche Einschränkung der Lebenschancen für zehntausende Menschen.

Rund 15.000 Jobs für ältere Arbeitssuchende werden nicht geschaffen. Die gezielte Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen wird nicht vorangetrieben, sondern spätestens 2019 zurückgeschraubt. Und für Jugendliche, die sich aus den verschiedensten Gründen am schwersten tun, einen betrieblichen Lehrausbildungsplatz zu bekommen und eine Lehrabschlussprüfung zu machen, sollen weniger Mittel zur Verfügung stehen. Dies trifft rund zehn Prozent aller Lehrlinge.

Abschaffung der Notstandshilfe hätte weitreichenden Folgen

Besonders weitreichend wäre die bisher nur angekündigte Abschaffung der Notstandshilfe. Die budgetären Auswirkungen dieser Maßnahme können noch nicht abgeschätzt werden, sehr wohl aber die Folgen für Arbeitslose. Arbeitslosengeld kann abhängig vom Alter und der Erwerbsbiographie zeitlich befristet bezogen werden. Ist in diesem Zeitraum keine Vermittlung in den Arbeitsmarkt möglich, wird die Notstandshilfe ausbezahlt.

Die Folgen einer Streichung der Notstandshilfe wären gravierend. Vor allem die Anrechnung von Vermögenswerten sowie die weitreichende Anrechnung von Transferleistungen als Teil des Haushaltseinkommens stellen ein großes Problem dar. Von dem Einkommensverlust jener Betroffenen, deren Notstandhilfe über der Mindestsicherung liegen würde, ganz zu schweigen.

Arbeitsmarktpolitik als Unternehmensförderung

Eine Reihe von geplanten Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik, wie die stärkere Kooperation mit Unternehmen bei Schulungen und Ausbildungen, können auch als Unternehmensförderung verstanden werden. Anlern- und Einschulungskosten, die sonst Unternehmen tragen müssten, übernimmt die Arbeitsmarktpolitik für sie.

Das alles ist weder sozialpolitisch akzeptabel noch ökonomisch weitblickend. Offensichtlich will Schwarz-Blau das Ziel „Nulldefizit“ – wie schon das letzte Mal, unter Wolfgang Schüssel und Karl-Heinz Grasser – mit Einschnitten beim Sozialstaat und bei langfristig wirkenden Bildungsinvestitionen erkaufen.

Autor

 
Nach oben scrollen