Dejan Lukovic: „Man muss nicht jeden schlechten Kompromiss eingehen“

Dejan Lukovic, der für die Grünen im Innsbrucker Gemeinderat sitzt, war einer von nur fünfzehn Delegierten am Bundeskongress der Grünen, der gegen das Regierungsabkommen gestimmt hat. Im Interview mit Rainer Hackauf erneuert er nach eineinhalb Monaten Türkis-Grün seine Kritik. Ein Gespräch über Häme, die er nachvollziehen kann, den Streit mit den Jungen Grünen und die Sektion 8 in der SPÖ.

Mosaik: Warst du überrascht von der hohen Zustimmung der grünen Delegierten zum türkis-grünen Regierungsabkommen?

Dejan Lukovic: Ich glaube, am meisten waren die Befürworter_innen selbst über die 93 Prozent überrascht. Zumindest habe ich noch einige Gespräche vor Ort und danach geführt. Alle haben da gemeint, sie hätten sich ein niedrigeres Ergebnis erwartet, manche sogar erwünscht. Warum erwünscht? Damit es nicht so aussieht, dass man es abfeiert, mit dieser Kurz-ÖVP in eine Koalition zu gehen.

Ich war vom Ergebnis weniger überrascht. Intern gab es bei uns ein Tipp-Spiel, bei dem ich in die richtige Richtung unterwegs war. Die Stimmung am Bundeskongress war einfach sehr eindeutig. Das einzige, was irritiert hat, war, dass es gefühlt mehr kritische Wortmeldungen gegeben hat als Stimmen für die Regierung. Wenn es eine geheime Abstimmung gegeben hätte, wäre das Abkommen sicher mit weniger Prozent angenommen worden. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Du warst einer der ersten grünen Mandatsträger_innen, die das Regierungsprogramm inhaltlich kritisiert haben. Kurz zusammengefasst, was stört dich am meisten?

Da muss ich kurz ausholen, schließlich gibt es einige Dinge, die so auch in einem schwarz-blauen Regierungsübereinkommen stehen könnten. Oft kommt das Argument, dass man in der Politik Kompromisse eingehen muss. Aber man muss nicht jeden schlechten Kompromiss eingehen, würde ich da entgegen, sonst legitimiert man damit am Ende des Tages rechte Mehrheiten.

Ganz konkret kritisiere ich die Grauslichkeiten im Migrations-, Asyl- und Menschenrechtsbereich. Die vieldiskutierte Willkürhaft ist einfach nur eine Fortführung schwarz-blauer Politik, ebenso die enthaltene Militarisierung der EU-Binnen- und Außengrenzen, Wegsperrlager in Drittstaaten außerhalb der EU oder auch die Beibehaltung der Separierungsklassen in den Schulen.

Wir müssen aber auch von den Ungerechtigkeiten im Sozialbereich reden, wie zum Beispiel die Erhöhung des Familienbonus, der vor allem denjenigen mit hohen Einkommen viel Geld bringt. Erwähnt werden müssen hier natürlich auch die Milliardengeschenke an Unternehmer_innen. Etwa durch die Senkung der Lohnnebenkosten, die für den Tourismus kommen sollen, weshalb speziell die Liftkaiser und Hoteliers jubeln werden. Und dann gibt es noch die Senkung der Körperschaftssteuer, die wiederum nur den Unternehmer_innen was bringt.

Aber das Regierungsprogramm ist tatsächlich nicht nur schlecht. Es gibt auch gute Punkte, wie zum Beispiel das Klimakapitel. Aber selbst dort gibt es kritische Punkte, wie etwa den Zeitplan zur ökosozialen Steuerreform, die in eine Task Force und damit in die Zukunft aufgeschoben wird. Oder auch die CO2-Bepreisung, wo immer noch unklar ist, wie die aussehen soll, wann und ob sie kommt. Alles Kernelemente aus dem grünen Wahlkampf, bei denen nur die Hoffnung bleibt, dass sich die ÖVP daran hält. Diese Hoffnung habe ich allerdings eher nicht.

Als Reaktion auf deine Kritik hat es auf Facebook viele persönliche Angriffe gegen dich gegeben. Dir wurde auch „Verrat“ an den Grünen vorgeworfen. Auch Werner Kogler hat davon gesprochen, dass man „Kompromisse nicht denunzieren“ solle. Wieso diese Reaktionen?

Ganz kann ich es mir nicht erklären. Zum einen hat es viele Grüne gestört, dass die Kritik nicht intern geäußert wurde. Aber im Vorfeld hat es nirgends die Möglichkeit gegeben hat, Kritik parteiintern einzubringen. Folglich gibt es also nur die Möglichkeit, ruhig zu sein und zu den genannten Grauslichkeiten im Regierungsprogramm nichts zu sagen oder berechtigte Kritik öffentlich zu äußern. Und klar ist es eine Form der Delegitimierung, wenn Kritik nicht auf einer inhaltlichen Ebene beantwortet wird.

Es spielt hier sicher auch die Erfahrung von 2017 mit den Jungen Grünen mit hinein. Die Wahlschlappe wird bei uns intern damit oft in Verbindung gebracht, das es keine „geeinte Stimme“ nach außen gegeben hat. Ich sehe das anders. Wir sind 2017 nicht wegen den Jungen Grünen oder irgendeinem Streit aus dem Nationalrat geflogen, sondern weil wir schlechte Entscheidungen und ebensolche Strategien gewählt haben. Öffentlicher Widerspruch könnte noch dazu gerade in Verhandlungssituation sehr wichtig und belebend für eine Partei sein. Wie das geht, zeigt die ÖVP. Dort regt sich ja auch niemand darüber auf, wenn der Wirtschaftsbund etwas anderes will als der Bauernbund und so am Verhandlungstisch der Druck steigt, alle ÖVP-Interessen zufrieden zu stellen.

In den Sozialen Medien ist die türkis-grüne Koalition Dauerthema, die Linken lehnen sie ab. Vor allem viele SPÖ-Mitglieder scheinen Schadenfreude zu verspüren. Das, obwohl die SPÖ-Führung in den vergangen Jahren ja jede Asylrechtsverschärfung mitgetragen hat. Wie glaubwürdig ist diese Kritik von links?

Diese Häme kann ich schon nachvollziehen. In den letzten Jahren haben sich die linken SPÖ-Vertreter_innen auch viel Kritik anhören müssen. Dass es den Wunsch gibt, das jetzt einmal umzukehren, weil die Grünen nicht gut dastehen, ist bis zu einem gewissen Grad verständlich. Nützen wird es aber nicht viel, da eine zerstrittene Linke niemandem was bringen kann, außer Sebastian Kurz und der Rechten.

Die Linke sollte sich doch eher damit beschäftigten, dass es in vielen gesellschaftlichen Fragen linke bzw. soziale Mehrheiten gibt, etwa in Fragen der Einführung eines vernünftigen Mindestlohns, ausreichende Renten oder ein gerechtes Schul- oder Steuersystem. Es scheint ein Problem der Parteipolitik zu sein, dass es bisher nicht geschafft wurde, um diese Mehrheiten auch Leute zu mobilisieren. Ein linker Populismus wie ihn Chantal Mouffe vorschlägt, würde bedeuten, kompromisslos zu sein und diese Positionen nicht aufzugeben. Politische Gegner_innen sollten von Linken klar benannt werden, statt mit korrupten, rechten oder neoliberalen Parteien gemeinsame Sache zu machen.

Was bedeutet das für dich? Eine linke Opposition innerhalb der Grünen zu bilden, bedeutet was?

Es gab und gibt Ansätze innerhalb der Grünen, die linken Positionen zu vernetzen. Vorbild wäre da die Sektion 8 in der SPÖ. Auf lange Sicht wäre es für die Grünen sicher gut, wenn es diese Positionen stärker gäbe. Andererseits gilt es natürlich auch skeptisch zu sein, wenn das ganze nur eine interne, parteistabilisierende Funktion hat. Am Beispiel der SPÖ sieht man gut, wie die Parteilinke es dort nicht schafft, grundsätzliche Änderungen durchzusetzen.

Die letzten Umfragen prognostizieren ein grünes Hoch. Werden die Grünen geschwächt oder gestärkt aus der Regierungsbeteiligung hervorgehen?

Langfristig gesehen wird diese Koalition meines Erachtens nach mehr schaden als nützen. Aktuell ist Klima das wichtigste Thema, für ihre Expertise und Glaubwürdigkeit in diesem Bereich sind die Grünen gewählt worden. Das Klima wird aber nicht für immer das dominierende Thema bleiben. In anderen Bereichen, wie etwa im Menschenrechts-, Asyl-, Integrations-, Sozial- oder Arbeitsbereich, haben die Grünen, fürchte ich, durch diese Art der Regierungsbeteiligung ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Auf lange Sicht kann das nur schaden.

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