Die Jungen Grünen gründen nach ihrem Rauswurf eine neue Organisation. Die Verbindung zur ehemaligen Partei dürfte dennoch nicht völlig abreißen, erfuhr mosaik-Redakteur Valentin Schwarz. Am neuen Projekt ist noch vieles offen, auch die inhaltliche Ausrichtung.
„Neuer Weg“ hat jemand auf ein Kärtchen geschrieben, „Rausschmiss realisieren“ steht auf einem anderen. Auf einer Pinnwand haben Jungen Grüne die Erwartungen an ihre Perspektivenkonferenz gesammelt. Rund 160 AktivistInnen aus allen Bundesländern sind am Wochenende nach Wien gekommen, um über die Zukunft zu beraten. Die zwei Kärtchen stehen für die zwei Pole, um die die Diskussion derzeit kreist.
Der Rauswurf durch die Parteispitze Ende März beschäftigt die Jungen Grünen weiterhin. „Viele sind enttäuscht und können sich derzeit nicht vorstellen, weiter innerhalb der Grünen aktiv zu sein. Für diese Leute braucht es ein neues Projekt“, sagt Victoria Vorraber, Junge-Grüne-Sprecherin in der Steiermark. „Wir wollen unsere Optionen klären. Es gibt noch keinen fertigen Weg.“ Vorerst, das hat die Perspektivenkonferenz ergeben, wird ein neuer, parteiunabhängiger Jugendverband gegründet.
„Grüne hatten Angst vor uns“
Wohin die Reise für die Jungen Grünen genau geht, das ist aber noch offen. Auch Bundessprecherin Flora Petrik wird in ihrer Eröffnungsrede vor allem dann konkret, wenn es um Kritik an der ehemaligen Partei geht. „Sie drohen uns mit dem Konkurs, anfangs haben sie uns sogar die Adressdatenbank gesperrt“, sagt Petrik. Den Rauswurf sieht sie als symptomatisch für die Krise der Grünen – und des Parteiensystems insgesamt. Die FPÖ treibe alle vor sich her, die Regierung aus SPÖ und ÖVP setze blaue Forderungen um.
„Auch die Grünen haben keinen Anspruch mehr, die Gesellschaft zu verändern“, meint Petrik, anders als die Jungen Grünen. „Um etwas zu bewegen braucht es Macht, dafür müssen wir viele sein.“ Man habe also eine Jugendorganisation mit breiter Basis aufgebaut und im Universitätsbereich dasselbe Ziel bei den Grünen Studierenden unterstützt. „Macht heißt aber auch, dass die Partei uns nicht so einfach kontrollieren kann. Davor hatte sie Angst“, sagt Petrik.
Verbindung bleibt aufrecht
Bei aller Kritik an den Grünen ist aber klar: Die Verbindung wird nicht völlig abreißen, selbst wenn die Partei eine neue Jugendstruktur gründet. „Wir sollten den Verein geordnet übergeben und die Nachfolge-Organisation unterstützen“, sagt die die steirische Landessprecherin Victoria Vorraber. „Das ist besser, als die Grünen schaffen sich eine neue, völlig konformistische Struktur.“ In der Steiermark und in Oberösterreich eskalierte der Konflikt mit der Partei am stärksten. Dennoch will Vorraber die Brücken nicht völlig abbrechen. Geht es nach ihr, werden auch Doppelmitgliedschaften möglich sein. „Wir sollten niemanden zwingen, sich zwischen uns und den Grünen zu entscheiden.“
Die Trennung ist derzeit regional unterschiedlich weit fortgeschritten. „Im Burgenland sind wir noch Teil der Partei“, sagt der dortige Finanzreferent Alexander Kerschbaum. „Es ist auch möglich, dass wir das auf Dauer bleiben.“ Der Grund: Das östlichste Bundesland ist weder für die grüne Partei noch für eine linke Jugendorganisation ein einfaches Pflaster. „Wir sind ein wenig aufeinander angewiesen“, sagt Kerschbaum. Dennoch ist auch für ihn klar: Etwas Neues soll her, aber ohne Hast. „Neue linke Organisationen scheitern oft. Wir wollen deshalb gründlich diskutieren und breit entscheiden. Bei den Grünen beschließen 28 Leute den Ausschluss der Jugend. Bei uns redet die Basis mit, weil wir wissen, dass sie was zu sagen hat.“
Linkspartei? „Das wäre Selbstüberschätzung“
Eine Frage über die neue Organisation ist bereits beantwortet: Die Jungen Grünen werden keine Linkspartei gründen. Doch das Thema wird auch bei ihnen diskutiert. „Vielleicht braucht es langfristig eine Linkspartei, die glaubwürdig die soziale Frage in den Vordergrund stellen kann“, sagt Bundessprecherin Flora Petrik in ihrer Eröffnungsrede. „Dafür werden viele Puzzlesteine nötig sein, auch außerhalb des Parteiensystems. Wir können einer davon sein.“ Doch im Moment will sie nichts davon wissen. „Wir sollten uns hüten, dieselben Fehler wie andere zu machen und in alte Muster zu verfallen. Bauen wir etwas Neues auf, ohne Gerangel um Macht und Posten.“ Die Steirerin Victoria Vorraber sagt: „Wir sind eine gute Jugendorganisation, das können wir. Jetzt eine Partei zu gründen, das wäre Selbstüberschätzung.“
Bei aller Zurückhaltung sind die Jungen Grünen auch selbstbewusst. Sie sind stolz auf das, was sie in den letzten Jahren aufgebaut haben. 4.000 Mitglieder, 800 AktivistInnen und 40 Bezirksgruppen haben sie laut eigenen Angaben. Damit sind die Jungen Grünen eine der größten linken Organisationen in Österreich. „Unser Potenzial ist größer als das vieler Gruppen in den letzten Jahren“, meint Alexander Kerschbaum aus dem Burgenland. Auch für ihre neue Organisation haben die Jungen Grünen vor allem ein Ziel: Sie soll groß sein und viele Menschen einbinden.
Inhaltliches Profil noch offen
Doch was soll junge Leute anziehen, wenn die Partei als Werbeargument wegfällt? Welche Themen wird die neue Organisation in den Mittelpunkt stellen? Mit welchen anderen Gruppen will sie zusammenarbeiten? „Das ist noch relativ offen“, sagt Victoria Vorraber. „Nur gegen Rechts, das wird zu wenig sein“, ergänzt Alexander Kerschbaum. Relevanter als das klassische grüne Thema Ökologie finden beide den Kampf um eine solidarische und gerechte Gesellschaft. Doch viel konkreter werden sie nicht.
Schon beim Konflikt mit der Partei fiel auf, dass die Jungen Grünen in erster Linie formale Kritik übten. Sie wandten sich etwa gegen das Konsensprinzip der GRAS oder die Geringschätzung der Parteibasis. Die praktische Politik der Grünen, etwa den Vorrang von Lifestyle-Themen vor Sozial- und Wirtschaftspolitik, sprachen sie während der Auseinandersetzung kaum an. „Inhaltlich sind wir ziemlich d’accord“, schrieb Flora Petrik damals auf Twitter. Die Jungen Grünen werden wohl ein deutlicheres Profil brauchen, um ihre schlagkräftige Organisation erhalten und ausbauen zu können. Die Suche nach diesem neuen Weg wird Zeit brauchen. Dass sie ihn auch finden, ist den Jungen Grünen allemal zuzutrauen.