Wie die ÖVP rassistische Politik mit Frauenmorden macht

Statt einzugestehen, dass sie in Sachen Gewaltschutz und Prävention von Frauenmord völlig versagt hat, bedient die ÖVP rassistische Klischees. Allen voran die sogenannte Frauenministerin, schreibt Mahsa Ghafari.

Der zweite Frauenmord in nur wenigen Tagen, diesmal ein Doppelmord an Mutter und Tochter. Derzeit ist aus der medialen Berichterstattung nicht herauszulesen, ob der Täter ein „Ausländer” war. Gut so, denn eigentlich sollte die Herkunft des Täters vollkommen egal sein. Vereine wie die Autonomen Österreichischen Frauenhäuser machen seit Jahren klar: Gewalt an Frauen* kennt keine Herkunft oder Nationalität. Es gibt jedoch Parteien, die diesen Fakt ignorieren und sogar noch für ihre Politik missbrauchen. Eine dieser Parteien ist die ÖVP. 

Die türkise Regierungspartei wurde in den letzten Jahren nicht müde zu betonen, dass Verachtung und Gewalt gegenüber Frauen* ein Phänomen sei, das von „fremden Kulturen” nach Österreich importiert werde. In dem Ö1 Interview mit Frauenministerin Susanne Raab nach dem Frauenmord in Wien Brigittenau, wiederholte sie diese Behauptung in einem Atemzug mit dem Rest ihrer leeren Floskeln. Wie auswendig gelernt prasseln diese bei jedem ihrer Interviews dahin. Dabei handelt es sich bei dem medial bereits bekannten Täter in Brigittenau um einen gebürtigen Österreicher.

Eine Frauenministerin, die Frauenmord instrumentalisiert

Das Tragische und Verhöhnende dabei ist: Es geht hier um nichts weniger, als um ermordete Frauen*. Die Frauenministerin weigert sich, sich der Kritik zu stellen. Der Kritik, dass sie und ihre Partei in den letzten Jahren in Sachen Gewaltschutz und Prävention auf allen Ebenen versagt haben. Stattdessen entscheidet sie sich dafür, rassistische Klischees zu bedienen. Es ist unerträglich, nach solchen Gewaltverbrechen von einer Ministerin zu hören, dass Frauen* eben früher die Polizei rufen müssen, um sich zu schützen. Es ist die gleiche Frau, die in Interviews angibt, selbst nie Sexismus erfahren zu haben. Und für die der Feminismus-Begriff bloß ein „Label” ist, von dem sie weg will. Die Frauenministerin ist offensichtlich frei von jeglicher Kompetenz für ihren Bereich.

Re-Traumatisierung der Opfer durch Politik und Medien 

Die Berichterstattung über diese erschütternden Gewaltvorfälle oder auch den aktuellen Sexismus-Skandal, rund um den migrationshintergrundfreien Medienmogul Fellner, können triggernd und retraumatisierend für Frauen* sein. Insbesondere jene, die ansatzweise ähnliche Erfahrungen machen mussten. Sich anschließend auch noch die realitätsverweigernden und unsensiblen Worte der zuständigen Ministerin darüber anhören zu müssen, ist eine einzige Verhöhnung und ein weiterer Schlag ins Gesicht der Opfer. Es ist unmöglich, sich von so einer Ministerin ernst genommen zu fühlen. Weder in Worten noch Taten behandelt sie so akute Themen achtsam oder liefert sinnvolle Lösungsvorschläge. 

Türkis-Blau als Wegbereiter für fehlenden Opferschutz

Doch ist Susanne Raab nicht allein verantwortlich für dieses frauenpolitische Desaster. Die Regierung der türkis-blauen Koalition 2017 bis 2019 war kurz, ihre Tätigkeiten im Frauenressort umso schmerzhafter. Die massiven Kürzungen im Bereich des Gewalt- und Opferschutzes waren und sind mit bitteren Konsequenzen verbunden. Trotz steigender Gewalt stoppte die Regierung im Jahr 2018 wichtige Gewaltschutzprojekte, die Frauen* schützen und Frauenmord verhindern hätten können. Hunderten von Beratungsstellen für Familien und Frauen* wurde das Budget um Millionen gekürzt. Tausende Familien waren und sind von diesen Kürzungen betroffen. Nach einem Jahr Corona-Pandemie und Isolation ist die Situation der Betroffenen noch härter. Und die Ressourcen sind noch knapper als zuvor. Laut Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, ist eine Betreuerin für 310 (!) Opfer zuständig, was eine sinnvolle, längerfristige Betreuung verunmöglicht und Menschenleben gefährdet. 

Auch bei der Polizei, aktuell von Raab als Anlaufstelle für Gewaltbetroffene adressiert, wurden Seminare zu „Gewalt in der Familie” für Beamt*innen im Jahr 2018 zur Gänze gestrichen. Stattdessen bewarb die damalige Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler, den Vorschlag einer „niederschwelligen” dreistelligen Frauennotrufnummer. Begleitet von einem Geschwurbel darüber, dass es in Österreich gar kein Patriarchat gäbe, diese Werte von Migranten hineingetragen würden und österreichische Frauenmörder „Nachahmungstäter” seien. Die Moderatorin Claudia Reiterer veranlasste das dazu, mit verdutztem Gesichtsausdruck nachzuhaken, ob sie das wirklich ernst meine. Wenn das Thema, um das es hier geht, nicht so dramatisch wäre, wären diese Äußerungen einfach nur lachhaft und peinlich. 

Kürzungen mit fatalen Folgen für Frauen* und Kinder

Das Perfide an diesem Geschwafel ist, dass die ÖVP ihre Kürzungspolitik auf dem Rücken einer der vulnerabelsten Gesellschaftsgruppen – Frauen*, Mädchen und Kinder – durchboxt. Ihre Argumentation dient ausschließlich dazu, Rassismus und Ablehnung gegenüber Migrant*innen zu schüren. Für die Opfer produzieren sie dabei keinerlei Erleichterung sondern zusätzlich Gefahren. Denn die Expertinnen auf diesem Gebiet, die in den Einrichtungen mit den Betroffenen arbeiten, betonen immer wieder, dass die Herkunft nicht für Gewaltätigkeit ausschlaggebend ist. Das Problem liegt vielmehr an der chronischen Unterfinanzierung sämtlicher Beratungsstellen. Doch das wird auf politischer Ebene von den Verantwortlichen gekonnt ignoriert – mit drastischen Konsequenzen. 

Nicht einmal für die adäquate Betreuung von Kindern, die von Gewalt betroffen sind oder nach dem Mord an ihren Müttern schwer traumatisiert zurückbleiben, gibt es ausreichend Ressourcen, wie Maria Rösslhumer vom Verein österreichische autonome Frauenhäuser berichtet. Gleichzeitig versuchte Raab im erwähnten Ö1 Interview die leichten budgetären Anhebungen nach der türkis-blauen Kürzungs-Ära als noch nie da gewesene Verdoppelung in diesem Bereich zu verkaufen.

Billige Sündenbock-Politik 

Dieser Politik fallen letztlich Frauen* und Mädchen zum Opfer. Sie ist nicht bloß der Blindheit oder politischen Naivität der verantwortlichen Personen geschuldet, sondern liegt in einer hinterhältigen politischen Agenda begründet. Diese ist nicht schwer zu durchschauen. Es ist eine billige Sündenbock-Politik, die vom eigenen Versagen sowie der fest verankerten patriarchalen Struktur unserer Gesellschaft ablenken soll. Wer jemals selbst auf Unterstützung dieser Art angewiesen war und am eigenen Leib erfahren musste, was es bedeutet, sich in derart heiklen Lebenssituationen allein gelassen zu fühlen, sollte derzeit aus Selbstschutz weghören, wenn die zuständige Ministerin darüber den Mund aufmacht. 

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