Am 15. Dezember 2021 verstarb die Literaturwissenschaftlerin, Autorin und Schwarze Feministin bell hooks. Warum Kritik am weiß-bürgerlichen Feminismus nicht um hooks’ Analysen zur Kategorie Klasse herumkommt, erläutert Mosaik-Redakteurin Jennifer Friedl.
bell hooks wurde am 25. September 1952 in Hopkinsville, Kentucky geboren und wuchs in einer Schwarzen Arbeiter*innenfamilie auf. Ihr Pseudonym, das bewusst kleingeschrieben wird, verwendete sie in Andenken an ihre indigene Großmutter und mit dem Anliegen, nicht ihren Namen, sondern ihre Werke in den Vordergrund zu stellen. In diesen beschäftigte sie sich insbesondere mit den Verstrickungen von Kapitalismus, Patriarchat (einer Gesellschaftsordnung, in der sich sämtliche Lebensbereiche an männlichen Konzeptionen orientieren und männlich gelesene Personen eine privilegierte Stellung genießen) und weißer Vorherrschaft. Sie plädierte für eine intersektionale Perspektive, die das Zusammenwirken verschiedener Unterdrückungsmechanismen in den Blick nimmt. Dabei war es hooks stets ein Anliegen, ihre theoretischen Analysen nicht durch komplexe Formulierungen nur für einen kleinen Kreis von Akademiker*innen mit Vorwissen zugänglich zu machen. Sie wollte ihre Werke möglichst verständlich und lesbar gestalten.
In ihrem sehr persönlichen Buch „Where We Stand: Class Matters“ (2000) führte hooks an, dass es innerhalb feministischer und antirassistischer Bewegungen mittlerweile weit verbreitet ist, bewusst über das Zusammenwirken von „Gender“ und „Race“ zu sprechen. Gender bezieht sich auf die soziale Bedeutung von Geschlecht, Race auf gesellschaftlich konstruierte Gruppen von Personen mit ähnlichen sozialen und physischen Merkmalen. Die weitaus unangenehmere Kategorie, die selbst in progressiven Diskursen lieber nicht angerissen wird, ist laut hooks die der Klasse. Patriarchale und rassistische Machtmechanismen zu kritisieren und dabei Klassenverhältnisse außer Acht zu lassen, führe allerdings zu einem reformistischen Feminismus. Dieser komme lediglich Frauen aus der Mittel- und Oberschicht zugute und erhält kapitalistische Strukturen unter dem Deckmantel der Freiheit aufrecht.
Reformistischen Mainstream-Feminismus problematisieren
Bereits im Kontext des militanten Schwarzen Befreiungskampfes, machte sich bei manchen eine Abstumpfung des radikal-kritischen Ansatzes breit, sobald sich die Zugänglichkeit von Schwarzen Menschen zum Arbeitsmarkt verbesserte. Dabei sah dieser die Veränderung der Klassenverhältnisse stets als Teil der Bewegung an. Hooks sah eine ähnliche Entwicklung in der Durchsetzung eines lediglich an Reformen ansetzenden Mainstream-Feminismus und bezeichnete diesen als Verbündeten des weißen, kapitalistischen Patriarchats.
Demnach begrenzten weiße, privilegierte Frauen bereits zu Beginn der zeitgenössischen feministischen Bewegung ihren Kampf gegen das Patriarchat auf die eigene Klasse. Sie gaben sich zufrieden, sobald sie einen Platz am Tisch der Macht erlangten. Dass die bloße Beteiligung an Macht diese keineswegs angriff, sondern in Macht über Frauen aus der Arbeiter*innenklasse und armutsbetroffene Frauen mündete, nahmen privilegierte Feminist*innen bereitwillig in Kauf. Die Themen, die im Zuge der feministischen Bewegungen in den 1960er und 1970er-Jahren, aber auch danach mediale Erwähnung fanden, waren aus diesem Grund häufig auf die Bedürfnisse von weißen Frauen mit Klassenprivilegien reduziert.
Delegieren von Hausarbeit an Frauen ohne Klassenprivilegien
Während Debatten rund um die Befreiung der Frau von der Hausarbeit und Eintritt in die Lohnarbeit schnell an Dominanz gewannen, stellte außerhalb des radikalen Flügels niemand die Frage, wer die Hausarbeit, die dadurch nicht verschwand, anschließend übernehmen sollte. Weiters betonte hooks, dass zu diesem Zeitpunkt bereits viele Schwarze Frauen aus der Arbeiter*innenklasse schlecht bezahlte und von privilegierten Frauen abgelehnte Jobs annahmen. Sie waren der Doppelbelastung von Lohn- und Hausarbeit ausgesetzt. Die Betroffenen hätten, so hooks, mehr Zeit für Hausarbeit als Freiheit betrachtet. Das stand im Gegensatz zu den Bestrebungen von weißen Feminist*innen mit Klassenmacht.
Entgegen der Erwartungen reformistisch-feministischer Bewegungen stellte sich durch den Zugang von Frauen zu Lohnarbeit keine gerechte Arbeitsaufteilung unter den Geschlechtern ein. Die Hausarbeit musste aufgrund der hohen Belastung folglich delegiert werden. Das wird auch heute noch im Kontext der Kritik an neoliberalem Feminismus und unter dem Begriff der Global Care Chain diskutiert. Demnach übernehmen vor allem migrantische und unprivilegierte Frauen häufig unbezahlte reproduktive Tätigkeiten wie z.B. Putzen, Kochen, Betreuung von Kindern bzw. die Pflege von älteren oder kranken Menschen. Frauen aus der Ober- und Mittelschicht haben indes die Möglichkeit, einer bezahlten Arbeit nachzugehen. In den Heimatländern der migrantischen Frauen entsteht dadurch eine Versorgungslücke, die wiederum andere Frauen schließen müssen. Dem entgegen stehen unterschiedliche feministische Ansätze, die z.B. eine kollektive Organisierung sowie gerechte Aufteilung von Reproduktionsarbeit fordern.
Solidarität gegenüber jenen ohne Klassenmacht wahren
Für bell hooks stellte sich im Zuge ihres akademischen Aufstiegs stets die Frage, ob es möglich ist, trotz höherem Klassenstatus eine solidarische Verbindung zur Arbeiter*innenklasse und den Menschen mit weniger Klassenmacht zu bewahren. In ihren Essays zum Thema Klasse schilderte sie die Erfahrung, dass radikalere Ansätze Schwarzer feministischer Theoretiker*innen erst dann gehört würden, wenn diese sich dazu entschließen, zu promovieren. Selbst wenn sie kein Interesse an einer akademischen Laufbahn haben.
Alles andere als eine einfache Aufgabe sei es, den patriarchalen Konzeptionen von Erfolg zu entsprechen und gleichzeitig an feministischen Prinzipien festzuhalten. Für hooks setzte dies voraus, die Veränderungen, die sich durch steigende Privilegien und höheres Einkommen vollzogen, stets selbstkritisch zu beobachten. Um mit den sich daraus ergebenden Widersprüchlichkeiten umzugehen, entschloss sich hooks dazu, ihre Ressourcen zu teilen und sich zu weigern, die Denkweise der herrschenden Klasse anzunehmen, die sie als Politik der Gier beschrieb. So gab sie z.B. einen fixen Betrag ihres Gehalts an bedürftige Menschen weiter. Klassistisches Handeln schlage sich irgendwann, ob gewollt oder nicht, im Verhalten aller nieder, die in einen höheren Klassenstatus aufsteigen. Dies betonte hooks auch in ihrer Kritik an der Schwarzen Elite.
Plädoyer für einen radikalen und revolutionären Feminismus
Ein Feminismus für alle, kann demnach nur dann seine Wirkung entfalten, wenn das Ineinandergreifen verschiedener Unterdrückungsmechanismen bearbeitet wird. Frauen, die Klassenmacht erlangen konnten, sehen sich ständig damit konfrontiert, Angriffe antifeministischer Politik auf bisherige Errungenschaften innerhalb der privilegierten Klasse abzuwehren. Langfristig können sie, so hooks, nur verlieren. Das weiße und kapitalistische Patriarchat hätte den Aufstieg mancher Frauen nur toleriert, um wenigstens die weiße Klassenmacht aufrechtzuerhalten. Auch die Behauptung, wir befänden uns bereits in einer post-feministischen Phase, wie es vor allem von konservativen Ansätzen postuliert wird, dient laut hooks einzig der Abschwächung einer revolutionären feministischen Bewegung, die kapitalistische Strukturen radikal an ihren Wurzeln angreift.
Um die Stärke der Massen einzuholen, muss Feminismus bei den Lebensrealitäten von Arbeiter*innen und armen Frauen ansetzen. Und er muss auch jene beachten, die keiner Lohnarbeit nachgehen. Statt das Narrativ zu stützen, der Eintritt in die Arbeitswelt sei das alleinige Allheilmittel, brauche es, so hooks, ein kollektives, kritisches und von Solidarität geprägtes Bewusstsein für die manipulativen Taktiken des weißen, kapitalistischen Patriarchats.
Anmerkung: In diesem Kontext stellt Schwarz eine sozialpolitische Kategorie dar und wird deshalb großgeschrieben.