AMS-Kürzungen: Ein Arbeitskampf für Bildung!

Bei den AMS-Kürzungen geht es nicht einfach um sinnlose Kurse für Arbeitslose. Die Beschäftigten führen einen Arbeitskampf für den Zugang zu Bildung. Dazu braucht es aber breitere Bündnisse und eine grundlegende Veränderung des AMS-Systems, argumentiert Betriebsrat Sebastian Reinfeldt.

Wenn ich mir die Kommentare in den einschlägigen Internetforen über die Kundgebung der AMS-TrainerInnen „Schutzschirm statt Kahlschlag“ lese, wird klar, wie gut die Strategie des „Systems AMS“ aufgeht. Da beauftragt es jahrelang Aktivierungsmaßnahmen um Arbeitslose in der Statistik verstecken zu können, schreibt den Kursinstituten sogar ausdrücklich die Inhalte der Kurse vor und stellt sie dann einfach ein. Mit dem Argument, es seien Sinnloskurse. Das „System AMS“ übt also Selbstkritik und entlässt daraufhin bis zu 1500 Angestellte. Ein Vorgang, der, würde er in einem Betrieb der Privatwirtschaft passieren, ein handfester Skandal wäre. Medialer Aufschrei inklusive. In diesem Fall: Schweigen. Oder Häme.

Seit einiger Zeit läuft die Medienkampagne zu den Sinnloskursen und wir haben zurecht befürchtet, dass sie in einer Kürzungswelle münden wird. Genauso ist es gekommen. Statt Kurskonzepte und deren Zwangscharakter zu überdenken, anstatt sich endlich an den wirklichen Bedürfnissen der Betroffenen zu orientieren, sind die Schuldigen ausgemacht: die TrainerInnen. Weg mit ihnen, heißt es dann ganz simpel.

AMS-TrainerInnen: Subjekte ohne Stimme…?

Dass gerade der Aspekt der Unfreiwilligkeit zum Hauptkritikpunkt unserer ersten öffentlichen, gemeinsamen Protestaktion wird, verbittert mich. Besonders, wenn er von linker Seite kommt . In vielen anderen Fällen sollten die Betroffenen gefragt werden. Hier redet man pausenlos über sie.

Ich persönlich unterrichte Deutsch als Fremdsprache. Derzeit kommt die Mehrheit meiner Kurs-TeilnehmerInnen aus Kriegsgebieten, wie etwa aus Syrien. Oftmals schwer traumatisiert, sitzen sie in einer Gruppe mit MigrantInnen, die seit 20 Jahren und mehr in Österreich leben und arbeiten. Deren Körper oft ruiniert sind, vom Putzen, von der Pflege, von der Fabrikarbeit oder von der Baustelle. Für die einen ist die Teilnahme am Kurs wie eine Befreiung, mittels der Sprache können sie sich das fremde Land aneignen. Und für die anderen ist der Kurs schwer zu ertragen, weil sie sich als Menschen mit einem Defizit wahrnehmen, das sie immer noch von dieser Gesellschaft trennt. Unsere Tätigkeit besteht logischerweise nicht nur im Vermitteln der Sprachkenntnisse. Sensibel müssen wir mit den individuellen Lebenssituationen umgehen lernen. Meine Arbeit ist alles mögliche, nur nicht sinnlos. Dennoch habe ich als Betriebsrat mit zahllosen Kündigungen meiner KollegInnen zu tun. Denn die sogenannten Sinnloskurse sind nur ein Kürzungsvorwand gewesen.

Angestellt und zugleich prekär

Nun arbeite ich bereits seit sechs Jahren in diesem Bereich. Bei meinem vorherigen Arbeitsgeber – gewerkschaftsnah (!) – wurde ich drei Mal gekündigt, und drei Mal wurde die Kündigung im Laufe der Kündigungsfrist zurück genommen. Einige KollegInnen von mir haben schon fast alle Institute durch, weil wir gezwungen sind, von Projekt zu Projekt zu hoppen. Oft sind es die gleichen Tätigkeiten und Anforderungen, nur dass jedes Mal ein anderes Institut vom „System AMS“ bedient wird. Angestellt und zugleich prekär beschäftigt – das ist unsere Lebensrealität.

Vieles rund um diese Kundgebung hat mich verwundert. Auch von Seiten der Gewerkschaft. Aber sie ist immerhin die einzige Organisation, die uns derzeit ernst nimmt. Die uns zum Beispiel dabei unterstützt, uns zu organisieren. Nicht wenige meiner KollegInnen waren an diesem Morgen das erste Mal in ihrem Leben für irgendetwas auf der Straße. Natürlich hat solch eine „Betriebsversammlung im öffentlichen Raum“ dann einen anderen Charakter als eine politische Demonstration. Zu kritisieren ist daran nichts, auch nicht, dass die Führungsetage einiger Unternehmen daran teilnimmt. Das ist bei Betriebsversammlungen nicht unüblich.

Wie geht es weiter? Kampf um Bildung!

Wir befinden uns in einem unausgesprochenen Arbeitskampf. Dabei geht es, unserer Meinung nach, nicht nur um unsere Jobs. Das wäre die gröbste Verkürzung dieser Kundgebung und der Motivation der Teilnehmenden, an der auch die GPA-djp nicht ganz unschuldig ist. Unser Arbeitskampf geht um das Recht eines jeden bzw. einer jeden, Zugang zu Bildungsangeboten zu bekommen, die er oder sie möchte oder braucht. Denn das Geld, das das AMS verwaltet, ist zumeist das Geld der betroffenen Arbeitslosen. Nicht unser Geld, und auch nicht das der AMS-Spitze oder des Sozialministers.

Aufgrund der vielen Gespräche mit meinen KollegInnen nach der Kundgebung schlage ich vor, die kommenden Aktionen darauf zu konzentrieren. Das System AMS, das den Arbeitsmarkt nur verwaltet, gehört grundlegend verändert. Es ist ein Skandal, dass in diesem System öffentliche Gelder privatisiert werden und sich in Form des neuesten BMW-Modells der Geschäftsführungen der Bildungsinstitute materialisieren. Die meisten der Kursinstitute erwirtschaften nämlich aus öffentlichen Geldern private Gewinne, die oftmals in undurchsichtige Kanäle und Beteiligungsgesellschaften verschwinden.

Erwachsenenbildung zu betreiben bedeutet dagegen, denjenigen Menschen, die arbeitslos geworden sind, sanktionsfrei den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Das umfasst die Basisbildung – was beispielsweise meine Tätigkeit beschreibt –, die berufsbezogene Bildung (training for the job) und auch die Persönlichkeitsbildung. Der flexible Arbeitsmarkt verlangt das lebenslange Lernen, verlagert die Kosten dafür aber auf die einzelnen Personen. Das ist Neoliberalismus in Reinkultur.

Die gegenwärtige Strategie des „System AMS“, stattdessen die Unternehmen zu subventionieren, wenn sie beispielsweise Menschen der Generation 50+ einstellen, ist eine Katastrophe. Denn sie bietet den Betroffenen keinerlei Perspektive; sie werden für kurze Zeit ausgebeutet, um sie dann wiederum als arbeitslose KundInnen der nächsten Firma auszuliefern, die sie wiederum nur für kurze Zeit, lohnsubventioniert, einstellt. Und so weiter – bis zur Pension.

Freier Zugang zur Bildung – das gilt auch und besonders für die Erwachsenenbildung! Und ich hoffe, dass wir bei unserer nächsten Kundgebung mit einem gesellschaftlichen Bündnis auf die Straße gehen werden: Gewerkschaft, TrainerInnen, Arbeitslose, Lehrlinge, Studierende.

Sebastian Reinfeldt ist Betriebsrat in einem Kursinstitut der Erwachsenenbildung.

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