„Alle, die hier sind, sind von hier“ – LINKS-Rede gegen die Abschiebungen

Demo gegen Abschiebungen in Wien

Mehr als 1.500 Menschen sind zur gestrigen LINKS-Demo gegen die Abschiebungen dreier Schülerinnen gekommen. „Rechnet mit uns“, rufen Sidal Keskin und Can Gülcü der ÖVP zu – und kritisieren auch Grüne und SPÖ scharf für ihre Mittäterinnenschaft.

Trotz Sturm und Regen versammelten sich gestern Abend über tausend Menschen, um gegen die Abschiebungen von drei Schülerinnen und ihrer Familien zu protestieren. Die folgende Rede haben Sidal Keskin, LINKS-Bezirksrätin in Ottakring, und Can Gülcü, Sprecher von LINKS, vor der ÖVP-Zentrale gehalten.

„In den frühen Morgenstunden wurden drei Schülerinnen und ihre Familienangehörigen abgeschoben. Menschen, die lange, teils von Geburt an, in Österreich lebten, die aus ihren Existenzen gerissen wurden. Mit einer Härte, als ob sie Schwerverbrecher*innen wären.

Gegen die Politik der Unmenschlichkeit

Viele von uns waren gestern dort, um die Abschiebungen zu verhindern, und heute sind wir wieder auf der Straße. Wie so oft für die gleiche Sache – um unsere Stimmen gegen die Politik der Unmenschlichkeit zu erheben.

Gegen die Politik der Unmenschlichkeit mit vielen Gesichtern, die Menschen verarmen lässt.

Gegen die Politik der Unmenschlichkeit, die Menschen rassistisch oder sexistisch gegeneinander ausspielt.

Gegen die Politik der Unmenschlichkeit, die Menschen ohne Vergehen in Schubhaft einsperrt. In Länder und Regionen abschiebt. In denen Krieg und Not herrschen.

Gegen die Politik der Unmenschlichkeit, die Menschen in Lagern an den europäischen Außengrenzen, auf Lesbos, in Bosnien oder in Libyen, ausharren, leiden und erfrieren lässt.

Abschiebungen stoppen – Schild auf der Demonstration. Foto: Murtaza Elham

Gegen die ÖVP und ihre Handlanger

Wir sind wieder auf der Straße gegen die ÖVP, die als Gipfel an menschenfeindlichem Zynismus keinem einzigen Menschen aus den Lagern ein Leben in Würde und Sicherheit geben will.

Gegen eine ÖVP, die Kinder aus Schulen abholen lässt, um sie abzuschieben. Die Familien auseinanderreißt, die vor nichts zurückschreckt, um von ihrer korrupten Politik und den Enthüllungen im Ibiza Untersuchungsausschuss abzulenken.

Gegen eine ÖVP, die umgekehrt die Steuerflucht von Großkonzernen als Kavaliersdelikt, den Abbau des Sozialstaats als Reformpolitik und die Ausbeutung großer Teile der Menschheit als Recht des überlegenen Westens betrachtet.

Gegen diese ÖVP und all ihre Handlanger, Mittäter*innen und Spender*innen braucht es uns auf der Straße. Gegen sie alle braucht es starke, laute, kämpferische Bewegungen! Gegen sie alle braucht es eine starke, kompromisslose linke Opposition auf der Straße. Die niemals umfällt, schon gar nicht, wenn es um Grundrechte und Menschenwürde geht.

Aber wir fordern nicht nur die Aufnahme von Kindern aus den Lagern. Wir fordern nicht nur, dass nur gut integrierte Kinder nicht abgeschoben werden.

Wir fordern, dass das Morden auf Raten der Festung Europa, der europäischen Regierungen, wie das der türkis-grünen österreichischen Regierung, endlich ein Ende hat. Dieses ganze System bringt nicht erst seit gestern Krieg, Not, Elend, Perspektivlosigkeit und Tod. Das muss sich, das müssen wir ändern. Und zwar nicht morgen, sondern heute!

Lager evakuieren, Ende der Abschiebungen

Wir fordern: Evakuiert die Lager! Schluss mit den Abschiebungen, Bleiberecht für alle! Denn alle, die hier sind, sind von hier!

Wir sind wieder auf der Straße gegen die Grünen! Alle, die sich nach der türkis-blauen Koalition erhofft haben, dass sich mit den Grünen etwas ändert, sehen, dass das eine leere Hoffnung war. Was wäre denn schlimmer gewesen unter Türkis-Blau, als Kinder abschieben, dem Sterben im Mittelmeer und dem Leiden in den Lagern weiter zuzusehen?

Es geht einfach nicht, dass die Grünen diese ÖVP-Politik, die sich in Bezug auf Grundrechte keinen Millimeter bewegt, mittragen.

Es geht nicht, dass man als Grüne in einer Regierung sitzt und einer so grausamen Politik Legitimation verschafft. Mit einer ÖVP, die nicht mehr von einer rechtsextremen Partei zu unterscheiden ist, die Profite vor Menschenleben stellt und die eine Wirtschaftspolitik betreibt, die all diese Not, all dieses Elend erst erzeugt – mit einer solchen ÖVP darf es keine Regierung geben, niemals.

Can Gülcü und Sidal Keskin halten ihre Rede vor der ÖVP-Zentrale. Foto: Murtaza Elham

Mahnung auch an die SPÖ

Wir sagen aber auch: Wir haben nicht vergessen, wer mit der ÖVP regierte, als Marcus Omofuma starb, als Arigona untertauchen musste, als die Polizei Araksya aus dem Klassenzimmer abzuholen versuchte, um sie mit ihrer Mutter abzuschieben, wer rassistische Fremdengesetze mitgetragen hat, wer mitverantwortlich war für hunderte und tausende Abschiebungen!

Diese Mahnwache ist auch eine Mahnung! Eine Mahnung an alle, die das, was sie in der Opposition versprechen, in der Regierung nicht halten. An alle, die Menschenrechte hochhalten, wenn es um wenig geht, aber umfallen, wenn es brenzlig wird.

Wir sind auf der Straße gegen alle Politiker*innen egal welcher Partei, die aus Machtgeilheit, aus Opportunismus, aus Kalkül, aus Angst, aus Rückgratlosigkeit, aus Unfähigkeit dieser menschenfeindlichen, rassistischen Politik und dem Handeln der Behörden nichts entgegensetzen!

Gegen alle, die ihre eigenen Grundsätze aufgeben, die Angriffe auf Grundrechte gewähren lassen, die Ausbeutung, Abschiebungen, Kürzungen, Ungleichbehandlungen hinnehmen, die die menschenfeindliche, grausame Politik der Regierung mittragen!

Gegen alle, die wegschauen, schweigen, halbherzige Appelle verfassen, als ob sie nicht mitregieren würden!

Wir sagen ihnen: Rechnet mit uns!

Wir werden weiterhin gegen eure Politik, die Menschen in Lagern an den europäischen Außengrenzen leiden und sterben lässt, die Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, Menschen in Kriegsgebiete abschiebt, auf die Straße gehen. Wir werden gegen eure Menschenverachtung, gegen euren Zynismus und gegen eure Hetze, die Menschen das Leben kostet, so oft demonstrieren, wie es notwendig ist.

Rechnet mit uns!

Kurz, Blümel, Nehammer, Schallenberg und Kogler, Maurer oder Anschober – wie auch immer ihr alle heißt:

Ihr seid das hässliche Gesicht von vorgestern im neuen Gewand. Die Zukunft gehört uns! Die Zukunft gehört allen, die für ein menschenwürdiges, sicheres und gutes Leben – für eine Welt ohne Sexismus, ohne Rassismus, ohne Ausgrenzung und Diskriminierung, ohne die Produktion von Armut und Elend kämpfen!

Wir werden keine Ruhe geben, bis eure Politik eine ekelhafte Fußnote der Geschichte ist. Wir werden weitergehen, bis ihr geht!

Rechnet mit uns!“

Der Demozug auf dem Wiener Ring. Foto: Murtaza Elham

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