Vergangene Woche bezeichnete das Nachrichtenmagazin Profil die Operation Luxor als „Polit- und Behördenskandal“. Für Farid Hafez, der im Zuge der Razzia selbst ins Visier der Behörden geriet, steht die Operation für die Kriminalisierung von Wissenschaft.
Noch 2020 feierte der damalige Innenminister Karl Nehammer die „Operation Luxor“ gegen angebliche Muslimbrüder als Schlag gegen die „Hintermänner des Terrors“. Mittlerweile ist die Aktion, die mehr als 900 koordinierte Einsatzkräfte in einer Massenrazzia am 9. November 2020 mobilisierte, in Verruf geraten. Der Operation Luxor gingen eineinhalbjährige „Untersuchungen“ voraus. Juristisch begründet wurde sie mit dem Verweis, die Beschuldigten seien Mitglieder einer Terrororganisation sowie einer kriminellen, staatsfeindlichen Vereinigung. In diesem sehr persönlichen Beitrag reflektiere ich über einen weitgehend unbekannten Aspekt dieser Operation.
Islampolitik der ÖVP
Die Islampolitik der türkisen ÖVP beinhaltete von Früh an verschiedene Diskursstränge. Einerseits ging es darum, MuslimInnen in Österreich zu „domestizieren“, also Institutionen wie die Islamische Glaubensgemeinschaft fügig zu machen. Das neue Islamgesetz von 2015 schien dafür neue Möglichkeiten zu eröffnen. Andererseits schrieb sich die ÖVP den Kampf gegen den – bewusst nur schwammig definierten – politischen Islam auf die Fahnen. Mit dem Verweis darauf kam es zu mehreren Maßnahmen und Gesetzen gegen MuslimInnen. Darunter Moscheeschließungen und Kopftuchverbote, die später von diversen Gerichten zurückgewiesen wurden.
Als Herausgeber des Jahrbuchs für Islamophobieforschung und Mitherausgeber des Europäischen Islamophobieberichtes und Autor desselbigen Österreich-Teils begleitete ich diese Islampolitik stets auch kritisch. Ich kritisierte sie als autoritäre Politik, die Gleichheit, Religionsfreiheit, Vereinsfreiheit und ganz generell Menschenrechte unterminiert. Naiverweise dachte ich als Person der Öffentlichkeit, dass meine Meinungsfreiheit davon nicht betroffen sei. Zumindest nicht so, wie sie dann beeinträchtigt wurde.
Operation Luxor: Die Razzia
Am 9. November 2020 stürmten gefühlte 30 Polizeikräfte um fünf Uhr morgens mein Zuhause. Sie übergaben mir einen Durchsuchungsbefehl, der mich beschuldigte, ich wolle ein weltweites Kalifat errichten. Das war mehr als überraschend, um es gelinde auszudrücken.
Die Konsequenzen waren tiefgreifend und weitreichend. Abgesehen von der einschneidenden traumatisierenden Erfahrung eines brutalen und zerstörerischen Eindringens der (Un-)Sicherheitskräfte Cobra und WEGA, waren da auch noch die fortlaufende Telefonüberwachung und das Einfrieren meines Kontos sowie die Beschlagnahmung meines Wohnraums für mehr als zwei Jahre. Während die meisten Beschuldigten anonym blieben, wurde mein Profil, damals Politikwissenschaftler an der Universität Salzburg, zum öffentlichen Gesicht des Beschuldigtenkreises.
Verdachtsmoment: Islamophobieforschung
Die Verdachtsmomente im Durchsuchungsbefehl waren abenteuerlich. Ein Aspekt hatte es besonders in sich: Meine akademische Arbeit zum Forschungsfeld der Islamophobieforschung wurde als Indiz für Terrorunterstützung herangezogen. Die fortlaufenden zehntausende Seiten umfassende Akte der Operation Luxor zogen wieder und wieder meine Gastkommentare, Analysen und Forschungen zum Themenfeld Islamophobie heran. Insbesondere jene, in denen ich die „liberalen“ Vertreter des Islams, die die türkis-blaue Islampolitik „intellektuell“ unterfütterten, kritisierte. Die wildesten Verschwörungstheorien wurden gesponnen. Der katholische Direktor eines Forschungsprojektes zu Islamophobie an der Georgetown University, für die ich seit 2017 tätig bin, wurde als Islamist präsentiert. Selektiv wurden Auftritte von mir herangezogen, um mich in ein bestimmtes politisches Eck zu stellen.
Während die Razzia im Juni 2021 als rechtswidrig eingestuft wurde, gingen die Ermittlungen munter weiter. Karl Nehammer gab die politische Verantwortung an die neue Justizministerin Alma Zadić ab.
Landesgericht unterstützt Ermittlungen
Nachdem ich einen Einstellungsantrag gegen die Ermittlungen einbrachte, wies das Landesgericht (welches die meisten Schritte des Staatsanwaltes wie etwa die Massenrazzia ohnehin durchgewinkt hatte) diesen zurück. Mit folgender Begründung:
„Die Tätigkeit des Beschuldigten im Rahmen der Erstellung des so bezeichneten Islamophobie-Reports und dessen Tätigkeit bei der Bridge-Initiative der Georgetown Universität bezweckt die Verbreitung des Kampf-Begriffs „Islamophobie” mit dem Ziel, dadurch jede kritische Befassung mit dem Islam als Religion und insbesondere der von der Muslimbruderschaft verbreiteten politischen Ideologie des Islamismus zur Errichtung eines islamischen Staates, als rassistisches Verhalten im Sinne des Kunstbegriffs eines „antimuslimischen Rassismus” oder als krankhaftes Verhalten im Sinne einer massiven Angststörung gegenüber dem Islam als Religion zu denunzieren. […] Die Begriffe „Islamophobie” und „politischer Islam” werden im Zusammenhang mit der Bestrebung zur Errichtung eines islamischen Parallelstaates beschrieben.“
Kriminalisierung von Wissenschaft
Diese Logik kam nicht aus dem Nirgendwo. Und ihr Ursprung ist nicht bei den (Un-)Sicherheitskräften zu suchen. Es stützte sich auf die „intellektuellen“ Kunstgriffe eines Berichtes zur Muslimbruderschaft in Österreich, der im Projekt Ballhausplatz zur Machtübernahme von Partei und Regierung durch Sebastian Kurz geplant war. Dieser wurde letztendlich mit Steuergeldern durch den Österreichischen Integrationsfonds (80.000 Euro) und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (10.000 Euro) finanziert. Lorenzo Vidino, der Autor der Studie, der in rechtskonservativen Medien vor dem „Woke Islamismus“ warnt, argumentierte in diesem Bericht, dass Islamophobie eine Methode des politischen Islams sei, ein Opfernarrativ zu schüren. Er selbst sollte auch zwei Mal als Zeuge im Verfahren der Operation Luxor einvernommen werden.
Als er in der Frankfurter Allemeinen Zeitung gefragt wurde, ob der „militante Dschihadismus“ oder der „politische Islam“ gefährlicher seien, meinte er, es sei letzterer. Das passt in den Diskurs jener (meist staatsnahen) Terrorismusforschung, die das Konzept der Extremismusprävention vom Countering Violent Extremism auf den Countering Non-Violent Extremism ausgeweitet hat. In der Variante der Operation Luxor hieß das: Die Polizeibehörden sollen auch Gesinnung verfolgen, mit Verweis auf Terrorismus.
Stopp durch Oberlandesgericht
In diesem Geiste kam es zu einer Einvernahme des Rektors der Universität sowie des Fachbereichsleiters meiner Abteilung durch Beamte des Verfassungsschutzes. Letzterer wurde gefragt, ob er sich im Klaren sei, dass ich die Kollegschaft sowie die Studierenden beeinflussen könnte. Das passierte, nachdem ich in die USA ausgewandert war, welche die Operation Luxor in ihrem jährlichen Bericht zur Lage der Religionsfreiheit in Österreich bereits unter die Lupe nahmen.
Letztendlich hat das Oberlandesgericht Graz (OLG) dem ein Ende gesetzt: „In einer solchen Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs – auch bei Verwendung von Begriffen wie „antimuslimischer Rassismus‟ oder „Angststörung gegenüber dem Islam‟, mag eine solche Kritik zutreffen oder nicht, überzogen oder gar polemisch sein, mögen andere Personen darin eine Zelebrierung einer Opferrolle von Muslimen erblicken und mögen andere Wissenschafter darin auch als islamophob bezeichnet werden – kann das Beschwerdegericht kein Indiz für eine terroristische oder staatsfeindliche Tendenz, die Mitgliedschaft bei einer terroristischen oder staatsfeindlichen Vereinigung oder Propaganda für solche Vereinigungen und deren terroristische Aktivitäten erkennen.“ Damit folgte das OLG Graz konsistent der Rechtsprechung in der Causa Operation Luxor.
Hochschul-Solidarität
Das Urteil vom 4. Jänner setzte meiner strafrechtlichen Verfolgung ein Ende. Etwa 70 von mehr als 100 Beschuldigten verweilen noch immer in den Fängen der Justiz. Auch wenn hier das Ende absehbar ist, so stellen sich viele Fragen. Die Universität Salzburg hatte sich klar und deutlich hinter mich gestellt. Ein Unterstützungskomitee mit namhaften altvorderen KollegInnen sowie internationale Unterstützung haben mir geholfen, diese schwere Zeit durchzustehen.
Während aber die Wissenschaftsfreiheit im Ausland gerne angekreidet wird und Universitäten sich juristisch verfolgten AkademikerInnen zurecht annehmen, blieb der Aufschrei in Österreich äußerst beschränkt. Großflächige und vor allem institutionelle Solidarität etwa von der Interessensvertretung blieb aus. Dabei lehrt uns die Geschichte, wie wichtig der Kampf gegen autoritäre Politik ist, die immer bei den Verwundbarsten beginnt und sich Stück für Stück weiterarbeitet.
Zu glauben, dass eine – derzeit sich am Horizont abzeichnende – mögliche rechts-rechte Koalition diesen unter Sebastian Kurz und H.C. Strache eingeschlagenen autoritären Kurs nicht weiterführen würde, ist illusionär. Umso mehr gilt es, insbesondere in Disziplinen, die sich der kritischen Reflexion über Machtverhältnisse verpflichtet fühlen, Solidarität zu üben.
Foto: Bundesheer