Offensive gegen Rechts: Warum wir auf der Straße sind

Heute, am 30. Jänner, findet der „Akademikerball“ – so heißt der Ball der rechtsextremen Burschenschaften, seit er von der FPÖ angemeldet wird – in der Wiener Hofburg statt. Wie schon in den letzten Jahren wird es dagegen Demonstrationen, Kundgebungen und Blockaden geben. Die Offensive gegen Rechts (OgR), eines der Bündnisse die zu den Protesten aufrufen, setzt auf Sitzblockaden und zivilen Ungehorsam, um den Ball zu verhindern. Wir haben, kurz bevor es heute losgeht, Käthe Lichter von OgR getroffen und sie gefragt, warum es so wichtig ist, gegen einen Ball zu demonstrieren – und ob sie nichts Besseres zu tun haben.

mosaik: Heute findet der Akademikerball – früher WKR-Ball – von FPÖ und Burschenschaften statt, ihr bereitet seit Monaten Proteste dagegen vor. Was erwartet ihr euch denn von der heutigen Mobilisierung und was ist von eurer Seite geplant? Zuletzt gab es ja große Aufregung, weil die Demonstration von NoWKR, eines anderen Bündnisses das gegen den Akademikerball mobilisiert, polizeilich untersagt wurde.

Käthe Lichter: Die Proteste gegen den WKR- oder Akademiker sind die größten antifaschistischen Proteste in Österreich. Wir als Offensive gegen Rechts planen zum einen einen Demonstrationszug von der Universität zum Stephansplatz, zum anderen gibt es danach drei Blockadepunkte, die angemeldet sind und die wir sehr transparent bewerben, weil wir glauben, dass ein offenes Blockadekonzept es vielen Leuten ermöglicht, mitzumachen. Diese Blockadepunkte wollen wir auch mit inhaltlichen Argumenten verbinden. Es geht uns nicht nur darum, auf der Straße zu sein, wir wollen auch klar machen, warum wir auf der Straße sind.

mosaik: Was kann man sich denn unter einem Blockadekonzept vorstellen? Was blockieren, wie blockieren und warum überhaupt blockieren?

Käthe Lichter: Was blockieren – den Ball! Der Akademikerball ist das größte Vernetzungstreffen einer rechtsextremen Elite in Europa. Warum blockieren ist ganz einfach: Wir wollen nicht, dass dieser Ball stattfindet. Wir nehmen uns dafür auch schon erfolgreiche antifaschistische Proteste, vor allem aus Deutschland, zum Vorbild. Vielleicht kennen einige die erfolgreichen Blockaden der Naziaufmärsche in Dresden in den letzten Jahren, aber auch aktuell bei den Demonstrationen gegen PEGIDA zeigt sich, dass massenhafte Blockaden mit den Mitteln des zivilen Ungehorsams erfolgreich sein können. Diese Tradition gibt es in Österreich nicht. Uns geht es, seit es uns als Offensive gegen Rechts gibt, auch darum, Blockaden als legitimes Protestmittel populär zu machen.

mosaik: Seit es euch gibt – seit wann ist das denn eigentlich? Und was ist die Offensive gegen Rechts denn genau?

Käthe Lichter: Es gibt uns seit 2011, gegründet haben wir uns ursprünglich anlässlich der Demonstrationen am 8. Mai. An diesem Datum, dem Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, begehen die Burschenschaften traditionell einen Trauertag. Aus den Mobilisierungen dagegen entstand dann recht schnell der Fokus auf den WKR-Ball. Dabei ging es uns vor allem um einen Strategiewechsel. Es hat uns nicht mehr gereicht, ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei zu veranstalten, sondern wir wollten hin zu massenhaften Protesten, mit breiter Beteiligung und dem Einsatz von Blockaden.

mosaik: Und was genau ist die Offensive gegen Rechts nun? Ein Verein, eine Gruppe…

Käthe Lichter: Es ist ein Bündnis, Offensive gegen Rechts besteht aus sehr vielen verschiedenen Organisationen. Dazu gehören Gruppen die an den Universitäten aktiv sind, verschiedene marxistische Gruppierungen, aber auch Gewerkschaften, Fußballfans, migrantische Organisationen und auch einfach Einzelpersonen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren wollen – das ist wirklich bunt gemischt. Es kommen auch laufend neue hinzu – wir werden etwa auch vom KZ-Verband unterstützt und im letzten Jahr sind Überlebende des Holocaust in der ersten Reihe bei uns mitgegangen.

mosaik: Du hast erwähnt dass ihr in diesem Jahr durch die Blockaden auch Inhalte transportieren wollt – wie habt ihr euch das vorgestellt?

Käthe Lichter: Die drei Blockadepunkte, die wir angemeldet haben, transportieren jeweils einen thematischen Schwerpunkt. Am Graben/Ecke Kohlmarkt geht es um die soziale Frage – also um die Tatsache, dass die FPÖ, die den Ball anmeldet, sich als Partei des „kleinen Mannes“ präsentiert, in Wahrheit selbst neoliberale, gegen ArbeiterInnen und Gewerkschaften gerichtete Politik vertritt. Die Burschenschaften, für die sie den Ball anmeldet, sind eine bürgerliche Elite mit viel Vermögen, hohen Einkommen und elitären Netzwerken – die haben wenig mit der gesellschaftlichen Mehrheit zu tun. Viele Menschen sind nicht länger bereit, das zu akzeptieren. Ein gutes Beispiel dafür ist auch der Protest der TaxlerInnen, die unter dem Motto „50.000 Gründe, warum wir nicht zum Ball fahren“ sagen: Wir sind nicht bereit, Fahrgäste zu offen menschenfeindlichen Veranstaltungen zu bringen.
Beim zweiten Blockadepunkt geht es um Antirassismus – das liegt leider auf der Hand. Hier wollen wir auf die rassistische Politik hinweisen, die von der FPÖ verfolgt und leider auch von anderen Parteien umgesetzt wird. Etwa im Bereich Flüchtlingspolitik oder in der rassistisch aufgeladenen, vor allem gegen Muslime gerichteten Integrationsdebatte. Aber wir kennen von der FPÖ alle Spielarten des Rassismus – etwa gegen Roma und Sinti, gerne getarnt als „Bettler-Debatte“, aber natürlich auch den klassischen Antisemitismus.
Der dritte Blockadepunkt hat einen feministischen Schwerpunkt, wo wir deutlich machen, dass die Burschenschaften als Männerbünde Frauen per se ausschließen und furchtbar sexistische Geschlechterbilder transportieren – und die FPÖ auch hier fleißig mit macht.

mosaik: Jetzt ging es viel um die FPÖ und ihre große Bedeutung in der österreichischen Politik – da könnte man sich doch fragen: Warum macht ihr ausgerechnet um diesen Ball so ein Bahö? Gibt’s nicht wichtigere Dinge, um die sich ein Bündnis gegen rechte Politik kümmern könnte?

Käthe Lichter: Es gibt auf jeden Fall viele Dinge, um die man sich kümmern könnte. Das letzte Jahr 2014 war auch so etwas wie ein Jahr der antifaschistischen Hochkonjunktur, da ist sehr viel zusammen gekommen. Der WKR-Ball hat sich aber zu einem Symbol entwickelt, auch über die Grenzen Österreichs hinaus. Bei den ersten Protesten, ab 2008, hat sich eigentlich niemand dafür interessiert was da eigentlich passiert – und in den letzten Jahren ist es zu einem der zentralen antifaschistischen Ereignisse in ganz Europa geworden. Das ist der Erfolg der Bemühungen aller antifaschistischer Bündnisse, die in den letzten Jahren gegen den Ball mobilisiert haben. Insofern steht der WKR-Ball auch für mehr: Er steht für die Verzahnung der FPÖ mit dem rechtsextremen Spektrum und er ist ein Kristallisationspunkt für antifaschistische Mobilisierungen über das ganze Jahr. Natürlich heißt das nicht, dass man nicht andere Dinge stärker in den Fokus rücken sollte. Letztes Jahr waren wir zum Beispiel stark mit Polizeigewalt konfrontiert und haben in der Folge auch dazu Kundgebungen organisiert. Offensive gegen Rechts hat sich aber zum Beispiel auch den Protesten gegen den Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan angeschlossen, die von linken migrantischen und ArbeiterInnen-Organisationen veranstaltet worden war.

mosaik: Jetzt könnte man sagen: Seid doch nicht immer nur so anti, dagegen sein ist doch einfach! Nun steckt in eurem Namen aber die Offensive schon drin, offenbar wollt ihr ja auch aus einer defensiven Position rauskommen, die sich immer nur auf das Verhindern verschiedener Grauslichkeiten beschränkt. Was müsste denn aus deiner Sicht passieren, um gesellschaftlich so in die Offensive zu kommen, dass der Rechten, der FPÖ und ihren Verbündeten, nicht so großer politischer Spielraum zur Verfügung steht?

Käthe Lichter: Das müsste ganz viel sein – und als Offensive gegen Rechts können wir dazu nur einen Beitrag leisten. Eine besondere Qualität der Offensive gegen Rechts ist, dass es ein Bündnis ist, in dem sich viele verschiedene AktivistInnen sammeln und über einen langen Zeitraum verstetigt zusammen arbeiten können. Da gelingt es, die weitgehend zerbröselte Linke zumindest mal um ein Thema zusammen zu bringen. Das halte ich für wichtig, dass man aus der Logik der Kleingruppen rauskommt.

Um der FPÖ aber wirklich effektiv eine politische Alternative entgegen zu setzen, müsste noch ganz viel passieren. Eigentlich bräuchte es eine linke politische Kraft, die die Sorgen jener Menschen, die jetzt die FPÖ wählen, etwas anbieten kann. Wir wissen ja durch Untersuchungen, wer die Wählerinnen und Wähler der FPÖ sind – zu einem großen Teil weniger gut ausgebildete Männer. Deren Sorgen und Ängste, die viel mit Sozialabbau, Krisenpolitik, Pensionspolitik etc. zu tun haben, werden von der FPÖ auf eine diffuse Art aufgegriffen – aber ohne wirkliche Lösungen zu präsentieren, sondern um rassistische Hetze zu betreiben. Der andere Punkt ist, dass es in dieser Gesellschaft weit verbreitete diskriminierende Diskurse gibt, die weit über die FPÖ hinausgehen. Das ist einerseits ein Diskurs gegen Muslime, bei dem sämtliche Dämme gebrochen sind, wo Leute die sich als staatstragend und Mitte der Gesellschaft sehen, zu einem gesellschaftlichen Klima beitragen, in dem Muslime unter Generalverdacht gestellt werden. Andererseits gibt es einen antifeministischen Diskurs – das kann man gut anhand von Andreas Gabalier deutlich machen. Er ist ein gutes Beispiel für Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, beliebt sind und als Multiplikatoren von Sexismus funktionieren. So gesehen hat die FPÖ in den Köpfen der Menschen das Momentum auf ihrer Seite. Dem muss man etwas entgegen halten -und das geht nur, indem man andere, solidarische Diskurse formuliert und sie laut und deutlich in die Öffentlichkeit trägt.

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