Warum die USA dem Iran und Venezuela drohen

Im Wahlkampf kritisierte Donald Trump den Irakkrieg und die Außenpolitik seiner Vorgänger. Nun droht er dem Iran und Venezuela. Wie geht das zusammen? Eine Analyse der Dynamiken des US-amerikanischen Imperialismus von Kumars Salehi.

Die Hoffnung schien immer übertrieben. Als im Jänner der linke Journalist Jeremy Scahill die Präsidentschaft Donald Trumps „als unsere beste Hoffnung, unsere ewigen Kriege zu beenden“ darstellte, war er damit nicht alleine. Viele andere Linke teilten Scahills Auffassung. Immerhin kritisierte Trump, nicht nur im Wahlkampf, den Irakkrieg. Immer und immer wieder bezeichnete er ihn als die „schlimmste Entscheidung, die jemals getroffen wurde.“

Spätestens jetzt scheint dieser Optimismus völlig unangebracht. Seit Scahills Feststellung, hat Trumps Regierung den Putschversuch in Venezuela unterstützt, die Sanktionen gegen das Land verschärft und eine militärische Intervention in den Raum gestellt. Nun droht Trump auch Iran. Wegen eines angeblichen iranischen Angriffs auf einen saudischen Öltanker am 12. Mai erlegt Trump nun auch dem Iran dieselbe Kombinationen aus verschärften Sanktionen und Drohungen auf einen Angriff auf. Am 19. Mai drohte er in einem Tweet sogar mit dem „offizielle[n] Ende Irans“, wenn die islamische Republik amerikanische Interessen wieder angreift – obwohl es nicht bestätigt wurde, dass Iran den Öltanker tatsächlich angriff.

Die Hardliner sind wieder da

Es mag sein, dass Trump sich weder in Venezuela noch dem Iran keinen neuen andauernden Militäreinsatz wünscht. Allerdings „gibt es strategische Koordinaten US-amerikanischer Außenpolitik, die nicht einfach von einem Mann über Bord geworfen werden“, wie der Politikwissenschaftler Helmut Krieger schreibt. Diese Koordinaten werden von verschiedenen Gruppierungen innerhalb des außenpolitischen Establishments der USA vertreten. Und entgegen seiner Rhetorik haben bekannte Gesichter dieses Establishments einen Platz in Trumps Kabinett.

Da ist zunächst John Bolton. Vor einem Jahr machte Trump ihn zu seinem Sicherheitsberater. Bolton, früher UN-Botschafter unter George W. Bush und einer der Architekten des Irakkriegs, plädiert seit Jahren für einen Angriff auf den Iran. Doch nach dem Desaster im Irak mussten Leute wie Bolton, die zur neokonservativen Fraktion der republikanischen Partei zählten, ihre Posten räumen. Jetzt erhalten sie wieder Aufwind. Nur einen Monat nach Boltons Ernennung stiegen die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus.

Born in the USA

Er ist nicht allein. Ende Jänner 2019 wurde Eliott Abrams zum Sondergesandten für Venezuela ernannt. Als Beamter unter Ronald Reagan organisierte er Unterstützung für rechte Todesschwadronen, Staatsstreiche und Diktaturen in Guatemala, El Salvador und Nicaragua, um gegen „den Kommunismus“ (Übersetzung: für US-Geschäftsinterressen in der Region) zu kämpfen. In Nicaragua koordinierte er einen Plan, reche Putschisten durch illegalen Waffenverkäufe zu finanzieren. Als das an die Öffentlichkeit gelangte, musste Abrams zurücktreten.

Die uneindeutige Außenpolitik Trumps ist vor allem Zeichen seiner außenpolitischen Beliebigkeit. Er steht selbst für keine Strömung des US-Imperialismus. Gewiss ist er reaktionär, wie Millionen andere Siebzigjährige, die mehrere Stunden Fox News pro Tag schauen. Aber er wollte nicht unbedingt Präsident werden, damit er ein durchgedachtes ideologisches Projekt durchsetzen konnte. Es reicht ihm, im Rampenlicht zu stehen. Welche alten Netzwerke im Hintergrund an Einfluss gewinnen, scheint ihn nicht zu interessieren.

Kontinuitäten zu Obama

Die Obama-Regierung grenzte den neokonservativen Flügel des außenpolitischen Establishments acht Jahre lang aus. Doch es war keine Abkehr vom Imperialismus, er operierte nur mit einer anderen Maske. Während Obamas Amtszeit verdoppelte er die Streitkräfte in Afghanistan, setze vor allem im Jemen und Pakistan Drohnen in großer Zahl ein und versuchte die Regierungen von Libyen und Syrien durch „humanitäre Interventionen“ der NATO zu stürzen. Die Interventionslogik in Libyen bezeichnet Obama heute selbst als den „größten Fehler“ seiner Amtszeit.

Den Demokrat*innen fällt nach den Anschlägen des 11. September 2001 oft die Aufgabe zu, die explosivsten Folgen der Kriegslogik in Schranken zu halten, ohne die geostrategischen Interessen des amerikanischen Kapitals zu gefährden. Das heißt nicht, dass eine Politik des gemäßigten Imperialismus nachhaltig – oder überhaupt – betrieben werden kann. Ganz im Gegenteil gehört es zu den Hauptlehren der Obama-Zeit, dass die Übernahme der Kriegsführung auch die Annahme deren Grundvoraussetzungen bedingt. Unter Republikaner*innen fühlen sich dann die reaktionärsten Teile des außenpolitischen Establishments noch einmal ermutigt, die gerade sichergestellte amerikanische Vorherrschaft jetzt wieder mit aller Unverschämtheit durchzusetzen.

Krieg mit anderen Mitteln

Es bleibt abzuwarten, ob Trump Venezuela und/oder Iran angreifen wird. Doch abgesehen davon, ob die jüngsten militärischen Provokationen ein Bluff sind, muss eines klar sein: Die Wirtschaftssanktionen bedeuten Krieg, nur mit anderen Mitteln.

Im Jahrzehnt vor dem Irakkrieg starben eine halbe Million irakische Kinder als Folge der Sanktionen, die der Demokrat Bill Clinton verhängte. 2015 erklärte Obama Venezuela zum Sicherheitsrisiko und verhängte Sanktionen gegen Regierungsvertreter*innen. Trumps viel weitgehendere Sanktionen sind seit 2017 für den Tod von rund 40.000 Venezolaner*innen verantwortlich. Nun befürchten Iraner*innen ähnliche Auswirkungen.

Die Antikriegsbewegung fehlt

Angesichts seiner politischen Haltung war die Idee, dass Trump einen Bruch mit dem US-Imperialismus darstellen würde, eine reine Wunschvorstellung. Es wäre aber auch ein Fehler zu glauben, dass ein*e linke*r Präsident*in den imperialistischen Staat mitsamt seiner Strukturen einfach so beseitigen könnte. Dafür wird es nichts weniger als eine Massenbewegung brauchen.

Obwohl es der US-Bevölkerung an Kriegslust mangelt, so fehlt seit der Mobilisierung gegen den Irakkrieg auch die Grundlage einer Antikriegsbewegung in den USA. Es gibt zur Zeit keinen linken Gegenentwurf zum Imperialismus der USA. Nur so konnte Donald Trump zum Hoffnungsträger des Friedens werden. Aber im Angesicht der Auseinandersetzungen mit Venezuela und Iran muss eines klar werden: Niemand wird für die Linke die kriegerische Politik beenden. Sie muss es selbst machen.

Autor

 
Nach oben scrollen