Kid Pex: „Die Zeiten der Appelle an die Vernunft sind vorbei“

Im November hat Kid Pex zusammen mit dem Linzer Rapper Kroko Jack sein neues Musikvideo „So viel Polizei“ veröffentlicht. Vor allem unter rechten KommentatorInnen stieß das Video auf teils heftige Redaktionen. Für mosaik hat Rainer Hackauf bei Kid Pex nachgefragt, was Rap und Hip-Hop gegen Schwarz-Blau ausrichten kann.

mosaik: In dem neuen Musikvideo wird durchaus auch provokant Rechtsrutsch und aufkeimender Neofaschismus thematisiert. Wie waren die Reaktionen im Netz darauf?

Kid Pex: Es ist schwer, alle Reaktionen in einer Antwort zusammen zu fassen. Viel positives Feedback hat sich diesmal auch in Privatnachrichten abgespielt, weil wir mittlerweile in Österreich so einen Gemütszustand erreicht haben, wo sich die Leute nur schwer politisch outen wollen, geschweige den öffentlich rebellieren. Von „Endlich sagt ihr es“, über „Ja, genau mit der Härte“, bis zu „Der Text ist geil – aber bitte unter uns“.

Die meisten Reaktionen kamen aber zweifellos von Rechts, ja man kann durchaus auch von einer Mobilisierung gegen unseren Song sprechen. Von Martin Sellner und den Identitären angefangen, die aufgebrachte Ursula Stenzel bis zu FPÖ-Ortsgruppen auf Facebook und dem Wochenblick, dessen Artikel gegen uns 1.200 Mal geteilt wurde. Für mich ist das nur eine Bestätigung, dass wir mit der Nummer ins Schwarze getroffen haben. Es fühlen sich genau die betroffen und angesprochen, die uns in diese Zeiten legalisierter Diskriminierung, unmenschlicher Gesetze, neoliberaler Ausbeutung von den Ärmsten und salonfähigem Ausländerhass geführt haben. Und das in einem Ausmaß, das sogar für Österreich schlimm ist.

Dass es solche Reaktionen von ganz Rechts geben wird, war vielleicht absehbar. Hat es aber auch für dich überraschende Reaktionen gegeben?

Dass die rechte Szene in diesem Ausmaßen reagieren wird, war eigentlich schon eine Überraschung. Aber es gab auch unerwartete Reaktionen aus der Hip-Hop-Szene wie vom Droogieboyz-Rapper Richy, der auch den hetzerischen Wochenblick-Artikel gegen uns geteilt hat. Das hat mich noch mehr überrascht, weil sie sich normalerweise als apolitisch deklarieren, so weit ich das mitbekommen habe. Der ehemalige Vammumtn-Frontman Ansa hat uns auch angegriffen. Davor hat er schon T-Ser gefrontet und mit einem rassistischen Meme angegriffen. Traurig, dass mittlerweile in der Hip-Hop-Szene solche Artikeln und Memes geteilt werden. Rechts und Hip-Hop ist ein Paradox par excellence.

Provokation als bewusst gewähltes Mittel. Rechte und NeofaschistInnen arbeiten seit Jahren damit recht erfolgreich. Muss die Linke das wieder lernen und mehr provozieren, um in die Offensive zu kommen?

Die Zeiten der Appelle an die Vernunft, der netten Solidaritäts-Aufforderungen und das Anklopfen bei der Menschlichkeit sind leider – wenn wir von einem breiteren Kreis sprechen wollen – vorbei. In den Medien, in den Beisln, auf den Fußballplätzen, und so weiter. Genauso wie die Zeiten vorbei sind, wo Österreich als ein Helferland galt, als viele „Nachbar in Not“-Sticker auf ihren Autos hatten und noch ein Ohr und ein Herz für den Menschen hatten. Gerade die Reaktionen zum Song zeigen, dass sich die allgemeine Wahrnehmung und die Diskussionskultur gewaltig nach Rechts verschoben hat. Sobald linke Rapper ein, zwei härtere Zeilen rappen, schreit die vom rechten Mainstream vergiftete Masse nach einer Bestrafung und Kriminalisierung unserer Kunst. Man tut dann so, als wären wir diejenigen, die Hetze verbreiten. Blödsinn. Die Maschine der Hetze haben die türkis-blau-braunen Köche schon selber geschaffen und den Leuten die ständige Angst eingeimpft – vor den Flüchtlingen, vor dem Islam, vor den Gutmenschen. Da war es an der Zeit zu zeigen: „Hey, wacht auf, das ist euer Österreich, das ist euer Land“. Die Bilder im Video entsprechen leider der Realität – und genau da haben wir auch die Rechten getroffen.

Gezielte Provokationen sind Bestandteil widerständiger Popkultur: von Punk bis Rap. Zuletzt etwa hat Childish Gambino mit „This Is America“ für einiges Aufsehen gesorgt…

Ich würde das Video von der Härte nicht mit „This is America“ vergleichen, aber die Attitüde ist schon richtig. Rap für in die Fresse, kompromisslos, unverkäuflich nach vorne gehen, ohne Schönfärberei, durch Tabubruch am System rütteln. Genauso wie unser Song. Und allen denen es nicht passt: Harter politischer Rap ist nun mal keine Teetrinker-Musik für das Café Central, den Schulball mit dem Gemeindebürgermeister. Oder auch den 10. Stock der Uni, wo die zehn immer gleichen FreundInnen, aus der gleichen Schicht von der gleichen Scheisse reden. Von der sie meist Null Ahnung haben, weil sie ihren Mikrokosmos nie wirklich verlassen haben. Wir sind Rap, wir sind zwischen Unterschicht und Uni unterwegs, wir sind Straße und wir bringen die linke Botschaft an Leute, die sie sonst nicht hören würden.

Du selbst bist ja auch schon bei „Es ist wieder Donnerstag!“ aufgetreten. Auch sonst sieht man dich regelmäßig als Teilnehmer auf der Demo. Bei Fernsehinterviews hast du den passenden Hoodie an. Was sind deine Eindrücke?

Dass die Donnerstagsdemo zurück ist, war die beste Nachricht der letzten Jahre. Ich war selber im Jahr 2000 regelmäßig als Teenager dabei und bin emotional sehr an die Zeit gebunden. Dass das aber so gut konzipiert ist, von Woche zu Woche derart originell und aktuell aufbereitet wird, betroffene Leute aus dem Volk die Stimme bekommen und auch mit freshen, verbindenden und inklusiven Slogans gearbeitet wird – das ist auch ein Geheimnis des Erfolgs der Demo. Die Demo hat mittlerweile einen therapeutischen Effekt für mich persönlich. Die Donnerstagsdemo ist der Jakobsweg, das Mekka für alle, die nicht nur zuschauen wollen, sondern Seele und Geist von der ganzen braunen Scheisse, die sie umgibt, reinigen wollen.

Veranstaltungstipp: Das Interview erschien in einer gekürzten Fassung im Fanzine des politischen Musikfestivals Signale 18, das am 19. Dezember in der Wiener Arena stattfindet.

Autor

 
Nach oben scrollen