SchuleBrennt: Rückblick auf ein protestreiches Schuljahr

SchuleBrennt-Demo

Nach einem mehr als anspruchsvollen Schuljahr konnte sich die Pflichschullehrer:innengewerkschaft (GÖD) Anfang Juli zu einer gemeinsamen Resolution durchringen. Diese Resolution fiel nicht vom Himmel. Eine Replik des vergangenen Jahres von SchuleBrennt.

Flexible Arbeitszeiten, Teamwork und gestalterischer Freiraum – so beschrieb die Kampagne „Klasse Job“ von Bildungsminister Polaschek den Lehrberuf vergangenen Oktober in einer Imagekampagne. Das Ziel: Quereinsteiger:innen als Pädagog:innen zu gewinnen. Stattdessen brachten die ersten Sujets und Imagevideos viele Pädagog:innen sprichwörtlich auf die Palme. Denn die Realität im Klassenzimmer sieht oft anders aus. Offenbar war die Imagekampagne unrealistischen Vorstellungen des Elfenbeinturms am Minoritenplatz geschuldet.

Pädagog:innen aus ganz Österreich begannen sich zu organisieren. Neben bestehenden Organisationen wie „Bessere Schule Jetzt“ formierten sich zusätzlich „SchuleBrennt“ und „Gemeinsame Bildung 2.0“ fast zeitgleich zum Beginn der Imagekampagne. Kolleg:innen begannen sich auszutauschen und führten zahlreiche inhaltliche Auseinandersetzungen. Das bewusste Wegschauen der Verantwortlichen motivierte umso mehr, sich bundesweit unabhängig von Schulform und Rolle im System zu vernetzen. Politische Vertreter:innen, Behörden, Arbeitgeber:innen oder die zuständige Gewerkschaftsspitze versuchten die Situation indes zu übertauchen und zu schweigen. Erst nach einem Aktionstag von mehr als 70 Initiativen, an dem sich im Juni zehntausend Menschen für bessere Arbeits- Lern- und Lehrbedingungen einsetzten, verabschiedete die GÖD eine Resolution, in der Vertreter:innen von Realitätsferne, mangelndem Personal und praxisuntauglichen Reformen sprachen. Ein schauderndes Zeugnis für Gemeinde-, Landes- und Bundespolitiker:innen und deren Behörden. Warum war selbst der Weg dahin so steinig?

Sonnenscheinprojekte statt Verantwortung

Die Adressierung dieser strukturellen Problemfelder ist im österreichischen Bildungssystem oft schwierig und unübersichtlich. Gemeinden, Länder und Bund haben wechselseitig die Möglichkeit Verantwortung abzuschieben und befeuern so den Kollaps des Systems.

In regelmäßigen Abständen werden stattdessen „tolle Projekte“ vorgestellt. Aktuell gibt es vom Bund die Aktion „100 Schulen, 1000 Chancen“. 100 Schulen werden bundesweit wissenschaftlich begleitet und budgetär ausgestattet. Ziel des Projekts ist, die Schulqualität zu verbessern. Eine Vertreterin des Ministeriums hat bei einer Veranstaltung in der Arbeiterkammer berichtet, dass zwei Drittel der teilnehmenden Schulen in Infrastruktur investiert haben. Ein Drittel investierte – befristet – in zusätzliches Personal. Allein bei diesem Projekt stellen wir uns die Frage, welche Chancen die tausenden anderen Schulen bekommen und wie kaputt die Ausstattung an Schulen sein muss, wenn so viel Projektgeld für Infrastruktur aufgewendet werden muss. Warum werden Schulen nicht automatisch so ausgestattet, dass ein moderner Unterricht möglich ist? Wieso übernimmt der:die Schulerhalter:in (Bund, Land und Gemeinde) hier keine Verantwortung? Ähnlich mutet das Wiener Bildungsversprechen an: Einige Schulen bekommen Ressourcen, andere nicht. Einige bekommen Chancen, die überwiegende Mehrheit wird im Stich gelassen.

Diese Logik von Sonnenscheinprojekten hat Tradition. Schulentwicklungsprojekte sind sinnvoll und wichtig, aber nicht als Imageprojekte. Es gibt seit Jahrzehnten Schulversuche zu inklusiven und gemeinsamen Schulen, zu altersgemischten Lerngruppen, zu verschränkten und ganztägigen Schulformen, zu Teamteaching. Es fehlt allein am politischen Willen, die Erkenntnisse daraus endlich umzusetzen. Um das zu erreichen, brauchen wir ein Controlling und keine Sonnenscheinprojekte. Wir müssen den politisch Verantwortlichen, den Schulerhalter:innen, den Gemeinden und in letzter Konsequenz uns allen auf die Finger schauen, damit endlich eine nachhaltige Entwicklung beginnt.

Fehlende Unterstützung der Gewerkschaft

Auch die gewerkschaftliche Struktur und die einzelnen Teilgewerkschaften erschweren konkrete Verbesserungen für die Mitglieder und Arbeitnehmer:innen. Die kleinteilige Struktur von AHS-Lehrer:innen (BV11), Berufsschullehrer:innen (BV12), Pflichtschullehrer:innen (BV10), Landwirtschaftslehrer:innen (BV27) und BMS und BHS – Lehrer:innen (BV14) zeigt dieses historisch gewachsene Wirr-Warr. Die sehr festgefahrenen Kompetenzstrukturen im österreichischen Bildungssystem sieht man auch in der GÖD. Pflichtschulen sind Ländersache, Bundesschulen beim Bund und die landwirtschaftlichen Schulen beim Bauernbund. Ein Schelm wer denkt, dass hier Bundes- und Landesinteressen gewichtiger sind als mögliche strukturelle Verbesserungen. Man stelle sich nur vor, alle fünf Teilbereiche hätten die eingangs erwähnte Resolution unterzeichnet.

Den strukturell erschwerenden Rahmenbedingungen zum Trotz haben sich Betroffene aus allen Bereichen gefunden und wollen aktiv und konstruktiv den Kollaps des Bildungssystems verhindern. Dazu braucht es aber die Bereitschaft für Gespräche. Bei einer Kundgebung vor der GÖD-Zentrale im Juli hat die Gewerkschaftsspitze weder zu einem Gespräch geladen, noch hat sie sich für die Unterstützung der Basis bedankt oder den Schwung für gewerkschaftliche Maßnahmen genutzt. Das Gegenteil ist passiert. Stattdessen gab es extra angebrachte Absperrungen, Securities und sogar die Verweigerung der Nutzung der gewerkschaftlichen Sanitäranlagen (auch gegenüber Menschen mit körperlichen Einschränkungen).

Gespräche und Aktionsplan gefordert

Wenn es hier keinen konstruktiven Austausch gibt, wird sich nicht viel ändern. Wir müssen beginnen, historisch gewachsene Privilegien der einzelnen Bünde zu hinterfragen. Wir müssen uns endlich von einem jahrhundertealten System verabschieden. Wir müssen endlich innovativ und lebensnah werden. Dazu brauchen wir einen Aktionsplan und ein Gremium, das über Legislaturperioden hinaus denkt- und umsetzt, eine Verwaltung, die sich als Unterstützung der Pädagog:innen versteht und die Anerkennung der Vorteile eines gemeinsamen und inklusiven Bildungssystems. Mit einer Petition wollen wir den Druck erhöhen.

Die Freizeitpädagog:innen haben mithilfe des Betriebsrats und der zuständigen Gewerkschaft (gpa) eindrucksvoll aufgezeigt, wie unpassende Gesetzesvorhaben nicht einfach durchgepeitscht werden können und Verhandlungen auf Augenhöhe durchgesetzt. Dieser Arbeitskampf ist auch für Lehrerende inspirierend. Deshalb hoffen wir alle, dass sich etwas verbessert und ernsthafte Verhandlungen mit Betroffenen geführt werden. Ansonsten kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Lehrerende in der aktuellen Situation wilde Streiks organisieren.

Foto: Franz Hagmann

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