Giftiges Geschäft: Die Auswirkung von Pestiziden

Feldarbeiter in Indien

Die schädlichen Folgen von Pestiziden sind weitreichend. Trotzdem könnte die EU die Zulassung von Glyphosat diese Woche um weitere zehn Jahre verlängern. Ein Fehler, schreibt Tina Wirnsberger.

Im März 2015 stufte die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Trotzdem schlägt die EU-Kommission vor, die im Dezember auslaufende Zulassung für das Pestizid um weitere zehn Jahre zu verlängern. Österreich wird bei der  Abstimmung am 13. Oktober dagegen stimmen. Denn ein Beschluss aus dem Jahr 2017 verpflichtet die Landwirtschaftsminister:innen über die Legislaturperiode hinaus dazu, eine Verlängerung der Zulassung abzulehnen.

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid und verschafft dem Agrochemie-Konzern Bayer rund drei Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Die schädlichen Folgen von Glyphosat und anderen chemischen Pestiziden sind weitreichend. Nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für das Menschenrecht auf Nahrung, Umwelt und Klima.

Landwirtschaft der Monokulturen

Die Verschmutzung von Böden und Wasser durch den Einsatz von Pestiziden zerstört die Produktionsgrundlagen von Nahrungsmitteln. Der Fokus auf Monokulturen verstärkt die Konzentration von Land in Händen der Agrarindustrie und verdrängt dadurch die ländliche Bevölkerung. Pestizidproduzierende Agrochemiekonzerne dominieren zugleich den Saatgutmarkt und verkaufen nicht vermehrbares Saatgut, das nur in Kombination mit ihren Chemikalien Erträge bringt. Das führt zum Verlust der Kontrolle über Gemeingüter wie Saatgut und traditionelle Praktiken. Dieser Verlust wiederum beschränkt die lokal verfügbare Vielfalt in der Nahrungsmittelproduktion, führt zu Mangelernährung und verschärft die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten. Jährlich kommt es zudem weltweit zu 385 Millionen akuten Pestizidvergiftungen. Betroffen ist vor allem die ländliche Bevölkerung des Globalen Südens. Dort werden neben Glyphosat nach wie vor auch hochgefährliche Pestizide (HHP) vermarktet, die in der EU längst verboten sind.

Die Europäische Union und große pestizidproduzierende Länder des Globalen Nordens sind für diese Situation mitverantwortlich. Der Export von Pestiziden in Länder des Globalen Süden ist ein profitables Geschäft: Seit 1960 ist der Wert der weltweiten Pestizidexporte um 15.000 Prozent gestiegen und erreichte im Jahr 2020 41 Milliarden US-Dollar.

Darüber hinaus ist das industrielle Ernährungssystem für ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Agrochemikalien sind ein bislang unterschätzter Teil davon. Sie werden mit fossilen Brennstoffen erzeugt und emittieren in jeder Phase ihres Lebenszyklus Treibhausgase. Nicht nur ihre Anwendung befeuert die Klimakrise, sondern auch ihre Herstellung, Verpackung, Transport, und sogar die Entsorgung. Pestizidhersteller sind nicht verpflichtet, die Inhaltsstoffe ihrer Produkte vollständig offenzulegen. Diese „Geschäftsgeheimnisse“ erschweren die exakte Berechnung ihrer Emissionen.

Ohne Pestizide: Wandel durch Agrarökologie

Die Umstellung auf pestizidfreie, ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Ernährungssysteme würde nicht nur zur Eindämmung der Klimakrise beitragen, sondern auch den Druck des industriellen Ernährungssystems auf Gesundheit und Menschenrechte verringern. Die Erfahrungen im Übergang zu pestizidfreien Ernährungssystemen zeigen, dass ein menschenrechtsbasierter Ansatz zu Ernährungssouveränität führen kann.

Die Agrarökologie ist eine in sozialer Gerechtigkeit verwurzelte Form der Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet. Sie stützt sich für die Schädlingsbekämpfung auf ökologische Prinzipien statt auf synthetische Pestizide. Die Einführung diversifizierter ökologischer landwirtschaftlicher Systeme erhöht die Widerstandsfähigkeit der landwirtschaftlichen Systeme, damit sie den Auswirkungen der Klimakrise besser standhalten können. Kombiniert mit Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit, unterstützen sie gleichzeitig die Gesundheit und die Rechte von indigenen Völkern und ländlichen Gemeinschaften. Agrarökologie beschränkt sich nicht nur auf landwirtschaftliche Praktiken, sondern räumt den Nahrungsmittelproduzent:innen und Landarbeiter:innen selbst Vorrang bei der Entscheidungsfindung ein.

Filmtage zum Recht auf Nahrung

Die Filmtage „Hunger.Macht.Profite“ setzen sich kritisch mit Fragen des Ernährungssystems auseinander und zeigen vielversprechende Lösungswege auf. Einer der vier Filme, die in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark, Tirol und Vorarlberg gezeigt werden, thematisiert die Profite, die internationale Chemiekonzerne in Afrika auf Kosten der Gesundheit von Kleinbäuer:innen, Konsument:innen und Umwelt machen – auch mit Glyphosat. 

Der Dokumentarfilm „Giftiges Geschäft – Toxic Business“ hat in Kenia regen Diskurs angestoßen und vielen Menschen Mut gemacht, sich gegen giftige Agrarpestizide einzusetzen. Seitdem gibt es Hoffnung auf Gesetze, die die gängige Praxis der Unternehmen in Zukunft verbieten. Mit „Giftiges Geschäft – Toxic Business“ werden die Filmtage für das Recht auf Nahrung am 12. Oktober in Wien eröffnet.

Foto: Arjun MJ

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