Die vertane Chance einer ökosozialen Steuerreform

Schon wieder vertagt. Seit Jahrzehnten wird die ökosoziale Steuerreform in Österreich diskutiert, wieder wird sie nicht umgesetzt. Und das, obwohl sie fast nur Vorteile bringt: für unser Klima, Verteilungsgerechtigkeit, und sogar die Wirtschaft, erklärt der ökologische Ökonom Mathias Kirchner.

Eine ökosoziale Steuerreform könnte für eine Mehrheit der (ärmeren) Haushalte und Unternehmen eine Entlastung bedeuten. Das hat eine WIFO-Studie für Österreich aufgezeigt. Die jährlichen Einnahmen eines niedrigen CO2-Preises (ca. vier Milliarden Euro pro Jahr bei 120 Euro pro Tonne CO2) würden auch die drohenden Strafzahlungen für das Nichterreichen der Klimaziele – fast sieben Milliarden Euro zwischen 2021 und 2030 – bei weitem übersteigen. Trotzdem ignoriert die Regierung die längst überfällige Ökologisierung im Rahmen der aktuellen Steuerreform.

Wie funktioniert eine ökosoziale Steuerreform?

Das Grundprinzip einer ökosozialen Steuerreform ist simpel: Man führt einen Preis (bzw. eine Steuer) für CO2-Emissionen ein und verwendet die dadurch generierten Einnahmen, um soziale und wirtschaftliche Belastungen zu reduzieren.

Dafür gibt es viele mögliche Maßnahmen. Für Haushalte bietet sich ein Ökobonus an, der direkt an Haushalte/Personen ausgezahlt wird, und für Unternehmen eine Reduktion der Arbeitgeberbeiträge. Auch klimaschutzrelevante Investitionen und Forschung könnten gefördert werden. Ein solches Maßnahmenpaket könnte ein Win-Win-Win Situation sein:

  1. Die CO2-Preise setzen einen Anreiz, Emissionen zu reduzieren, da die Nutzung fossiler Rohstoffe teurer wird;
  2. Einkommensschwache Haushalte erhalten durch den Ökobonus ein höheres Einkommen als vorher;
  3. Unternehmen werden auf Grund geringerer Lohn(neben)kosten wettbewerbsfähiger.

In Österreich kann eine CO2-Steuer übrigens nur auf Emissionen eingeführt werden, die aus Sektoren stammen, die nicht am europäischen Emissionshandel teilnehmen. Das betrifft dennoch rund zwei Drittel aller CO2-Emissionen und die Sektoren Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude, jene Teile der Industrie, die nicht Teil des Emissionshandels sind, und Abfallwirtschaft. Im Zuge der „Lastenteilung“ müssen die europäischen Mitgliedsstaaten nämlich ihre Klimaziele in diesen Sektoren mit eigenen Maßnahmen erreichen.

Effektiv und gerecht

Wissenschaftliche Forschungen zeigen, dass CO2-Preise zu einer Reduktion der Emissionen führen. Und das, obwohl die meisten Länder erst vor relativ kurzer Zeit, zu geringen Preisen und mit vielen Ausnahmeregelungen, solche Steuern eingeführt haben. In Österreich würde ein CO2-Preis von 120 Euro pro Tonne CO2 zu einer kurzfristigen Reduktion der Emissionen von sieben Prozent führen und jährliche Steuereinnahmen von vier Milliarden Euro generieren.

Dass ein CO2-Preis ärmere und ländlichere Haushalte mehr belastet, stimmt nur, wenn es keine Entlastungsmaßnahmen gibt. Wir brauchen also eine ökosoziale Steuerreform. Der Ökobonus ist die beste Maßnahme, um Belastungen zu verringern und gleichzeitig mehr Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen. Das gilt besonders, wenn der Ökobonus nur an Haushalte mit geringem Einkommen ausgezahlt wird. Ein Beispiel: Mit einem Bonus von ca. 519 Euro pro Person und Jahr für die untersten drei (von fünf) Einkommensgruppen – würden ca. 60 Prozent aller Haushalte mehr verdienen als vorher.

Transparent und zweckgebunden

Trotz dieser Vorteile ist die Skepsis gegenüber Ökosteuern in der Bevölkerung groß. Sie scheitern nicht nur am politischen Willen, sondern auch an Protesten in der Zivilgesellschaft. Im US-amerikanischen Bundesstaat Washington stoppten Proteste linker Bewegungen eine eine ökosoziale Steuerreform. Ein noch prominenteres Beispiel sind die Gelbwesten-Proteste in Frankreich, deren Auslöser die Erhöhung des bestehenden CO2-Preises auf Diesel und Benzin war.

Eine exzellente Analyse von Agora Energiewende zeigt, dass Entlastungsmaßnahmen der Schlüssel zum Erfolg sind. Die französische Regierung schuf die Sozialtarife für Strom und Gas ab und erfand stattdessen den grünen Energie-Scheck. Dieser Tausch führte aber tatsächlich zu einer Mehrbelastung.

Eigentlich ist gut bekannt, wie die Bevölkerung für eine ökosoziale Steuerreform gewonnen werden kann:

  • Es muss eine Zweckbindung für die Einnahmen aus dem CO2-Preis geben, da den meisten BürgerInnen die Verwendung der Steuereinnahmen wichtiger ist als der Lenkungseffekt.
  • Ein Ökobonus sollte Teil der Entlastungsmaßnahmen sein. Das hilft auch besser den Zusammenhang zwischen Steuer und Entlastungsmaßnahme nachhaltig bewusst zu machen.
  • Es benötigt vollkommene Transparenz bzgl. Steuereinnahmen und -ausgaben.

Es ist daher nicht überraschend, dass alle erfolgreich umgesetzten ökosozialen Steuerreformen (z.B. British Columbia und Alberta in Kanada, Norwegen oder die Schweiz) diese Aspekte beinhalten.

Kein Wundermittel

Damit Österreich seine Klimaziele erreichen kann, braucht es dringend eine ökosoziale Steuerreform. Das könnte auch ein kleiner Beitrag für nationale Klimagerechtigkeit sein, da ärmere Haushalte, die weniger zur Klimakrise beitragen als andere, die Last weniger tragen müssen.

Trotzdem ist eine ökosoziale Steuerreform kein Wundermittel. Die benötigte Transformation in Richtung einer Gesellschaft, die keine fossilen Energieträger mehr nutzt, ist gewaltig, und kann nicht mit einer einzigen Maßnahme vollzogen werden. Es braucht Förderungen für klimafreundliche Technologien, Projekte und Forschungen, Verbote und Standards für besonders klimaschädliche Technologien und Praktiken. Nicht zuletzt benötigt es einen institutionellen und gesamtgesellschaftlichen Wandel, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen.

Der Vorteil einer ökosozialen Steuerreform liegt darin, Anreize für Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen und gleichzeitig Geld für zusätzliche Investitionen zur Verfügung zu haben. Dafür braucht es keine Kürzungen.

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