Wiener Aspernbrücke blockiert: Kampfansage an die Lobau-Autobahn

150 Aktivist*innen von „System Change, not Climate Change“ protestieren mit Booten, Kletteraktionen und einer Blockade am Donaukanal. Sie fordern den sofortigen Stopp der Projekte Lobau-Autobahn und deren Zubringer, der Stadtstraße. Luise Bacher von „System Change not Climate Change“ liefert Einblicke in die heutige Aktion.

Am Freitagnachmittag verwandelt sich der Donaukanal in eine Autobahn: schwimmende Autos verstopfen den Kanal, auf Brücken prangen Banner im Stil von Autobahnschildern. Das Klimakiller-Projekt Lobau-Autobahn und seine Zubringerin, die Stadtautobahn, deren Bau noch in diesem Jahr gestartet werden soll, ist plötzlich mitten in Wien. Doch mit ihr auch unser Widerstand. Auf der Aspernrücke haben wir uns mit über 150 Klima-Aktivist*innen symbolisch einem Bagger entgegengestellt, um den Bau eines der größten Klimakillerprojekte Österreichs zu blockieren.  

Umkämpftes Betonprojekt 

Seit über 20 Jahren leistet die Zivilgesellschaft – Anwohner*innen, Bäuer*innen und Klima-Aktivist*innen – Widerstand gegen die geplante Lobau-Autobahn. Bürger*innen-Initiativen und Umweltorganisationen bekämpfen das Monsterprojekt und seine Zubringer in unzähligen Gerichtsverhandlungen, Wissenschaftler*innen haben sich in zahlreichen Studien und Pressekonferenzen dagegen ausgesprochen, 2006 haben Umweltweltschützer*innen sogar bei klirrender Kälte mehrere Wochen lang die Au besetzt, um Probebohrungen zu verhindern.  

Aber auch unsere Gegner*innen schlafen nicht. Die Kapitalseite hält gewaltsam am System Auto fest, denn es ist ein wahrlich profitables. Die Automobilindustrie ist das „Rückgrat des deutschen Exportkapitalismus“ und auch die österreichische Autozulieferindustrie wird von einer mächtigen Lobby gestützt. Die Industriellenvereinigung und die WKO, die Bauherrin ASFINAG und ihre Unterstützer*innen im Wiener Gemeinderat und im Parlament wollen die breite Autobahn nach SUV-Suburbia durchboxen, statt kostenlosen öffentlichen Verkehr für alle bereitzustellen. Denn eins ist klar: Wer neue Straßen baut, wird neuen Verkehr ernten. Und genau dieser kapitalistischen Wachstumslogik folgt die Autolobby. Um noch mehr, größere und teurere Autos zu verkaufen, die den Weg Richtung Klimagerechtigkeit blockieren.  

Kipppunkt Lobau-Autobahn 

Noch in diesem Jahr soll es daher zu einem Baustart für die Stadtautobahn kommen. Das wäre fatal. Denn das Projekt Lobau-Autobahn und Zubringer ist ein Kipppunkt der österreichischen Verkehrs- und Klimapolitik: Entweder das System Auto wird jetzt für weitere Jahrzehnte in Beton gegossen, oder wir kratzen die Kurve in eine sozial- und klimagerechte Zukunft.  

Gleichzeitig könnte das Projekt auch für die Klimagerechtigkeitsbewegung in Österreich zum Kipppunkt werden. Jetzt, wo der Baustart in greifbare Nähe rückt, flammt der Protest stärker auf denn je: Während 150 von uns eine Blockade errichtet haben, demonstrieren gleichzeitig 1000 weitere mit einem breiten Bündnis von System Change, not Climate Change, Fridays for Future, Hirschstetten retten, Platz für Wien, Extinction Rebellion und Vernunft statt Ostumfahrung für dasselbe Ziel. Oft genug hat sich an Hainburg, Hambi & Co gezeigt, dass sich im Angesicht konkreter Zerstörungsprojekte breite Allianzen von Radikal bis Bürgerlich formen können. Gemeinsam können wir die Lobau zu einem Hainburg 2.0 machen. 

Der kapitalistischen Zerstörung den Kampf ansagen 

Doch in dreierlei Hinsicht müssen wir über Hainburg hinausgehen und mit der Lobau auch die Systemfrage stellen. Erstens ist heute jeder Kampf um Umweltschutz nicht mehr „nur“ Naturschutz, sondern ein lokaler Schauplatz des Kampfes um globale Klimagerechtigkeit. Zweitens müssen wir mit unserem Widerstand gegen die Lobau-Autobahn deshalb nicht nur ein Bauprojekt kippen. Anders als in Hainburg müssen wir kräftig am System Auto rütteln. Drittens gilt es, an dem Betonprojekt auch die Zerstörungswut des Kapitalismus sichtbarzumachen. Die Corona-Pandemie hat uns einmal mehr spüren lassen, dass die Profitlogik des Marktes unsere Gesundheit nicht schützen kann. An diese gesellschaftliche Erfahrung können wir anknüpfen und zeigen, dass dieselbe Logik auch die Klimakrise befeuert. Statt jetzt klimagerechte Mobilität für alle aufzubauen, sollen neue Autobahnen die Gewinne der Autoindustrie absichern. Unsere heutige Kampfansage gegen die Lobau-Autobahn ist also auch eine gegen ein Wirtschaftssystem, das unsere Lebensgrundlagen zerstört, statt sie zu pflegen. 

Diese Ansage machen wir heute mit unseren Körpern: Nach unzähligen Gerichtsverhandlungen, Demonstrationen und Petitionen müssen wir zu anderen Mitteln greifen. So ungehorsam, wie wir heute die symbolischen Bagger blockieren, so ungehorsam werden wir uns am Tag X dem Baustart entgegenstellen. Für ein Hainburg 2.0 müssen wir dann aber noch viele, viele mehr sein.  

Fotos (c) System Change Not Climate Change/Klimacamp bei Wien

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