Linke Energiepolitik in der Krise: 4 Wege aus der fossilen Abhängigkeit

Mosaik-Redakteur Mathias Krams präsentiert vier Wege in eine klimagerechte Energiepolitik – abseits von Steuersenkungen auf fossile Energie.

Die hohen Preise für fossile Energie entfalten gerade tatsächlich eine lenkende Wirkung. Doch auch jenen, die die Klimakatastrophe immer allein über Preisanreize und Marktmechanismen lösen wollten wird nun klar, dass ein solcher Ansatz sozial nicht tragbar ist. Denn der Markt sorgt nicht für eine gerechtere Verteilung von steigenden Energiekosten. Er baut keine unprofitablen Öffi-Verbindungen, um alle Menschen auch ohne Auto am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen.

Die Bundesregierung finanziert mit ihrem gestern beschlossenen Energiepaket zwar auch den Ausbau von Öffis und erneuerbaren Energien, von einem Umbruch kann bei den veranschlagten Summen aber keine Rede sein. Zudem fließt der größte Batzen in die Subventionierung von fossilem Gas und Autopendeln. Auch in jenen Fällen, wo die Nutzung von Öffis oder Rad zumutbar wäre. Eine zuvor etwa von Momentum Institut und WIFO als besonders unsozial und unökologisch kritisierte Maßnahme konnte hingegen verhindert werden: die Mehrwertsteuersenkung auf Energie. Es irritierte, dass ausgerechnet linke Organisationen wie Arbeiterkammer, ÖGB, SPÖ und die Partei Die Linke in Deutschland sich – neben anderen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung – für diese Steuersenkung als Krisenmaßnahme aussprachen.

Steuersenkungen: Fehlgeleitete Energiepolitik

Denn eine solche Subventionierung fossiler Energieträger ist zum einen für Menschen in Österreich ungerecht. Steuersenkungen entlasten stärker jene, die viel verdienen und viel Energie verbrauchen. Sie setzen außerdem, ebenso wie die beschlossenen Abgabensenkungen, falsche Anreize für mehr Energiekonsum. Und sie verschlingen öffentliche Gelder, die wir dringend zur effektiven Bekämpfung von Energiearmut und zum Ausbau der Infrastruktur bräuchten. Gewinner wären außerdem Ölkonzerne gewesen, welche Steuersenkungen erst verzögert an Kund:innen weitergeben und ihre hohen Gewinne weiter steigern. Zum anderen wäre die Steuersenkung auch aus internationalistischer Perspektive ungerecht. Sie bremst die notwendige rasche Reduktion des Gas- und Ölverbrauchs aus. Diese braucht es aber, um durch einen Importstopp Kriegsverbrechen etwa in der Ukraine nicht länger zu finanzieren und der Klimakatastrophe Einhalt zu gebieten. Der Ruf nach der Senkung von Steuern auf fossile Energie zeugt daher vom Fehlen einer umfassenden, gerechtigkeitsorientierten Transformationsperspektive, um die fossile Abhängigkeit zu überwinden.

Nationalen Schulterschluss aufbrechen

Dass auch linke Organisationen Steuern für Vielverbraucher:innen senken wollen, statt den übermäßigen Energieverbrauch der Reichen anzuprangern und sich auf die Bekämpfung von Energiearmut zu fokussieren, ist Ausdruck eines vermeintlichen nationalen Schulterschlusses – eines Zweckbündnisses mit dem fossilen Kapital. Gemeinsam projizieren sie die Verantwortung für die steigenden Energiepreise auf ein abstraktes Äußeres, außerhalb der imaginierten nationalen Gemeinschaft. Etwa auf Russland, den Krieg, den Markt. Doch verantwortlich für die Energiekrise sind andere. Es sind Öl- und Gaskonzerne, welche die immer weiter wachsende Abhängigkeit von Gas aus Russland in die Wege leiteten. Sie profitieren nun zugleich von überzogenen Spritpreisen. Regierende, die jahrzehntelang den öffentlichen Verkehr nicht ausreichend ausbauten und angetrieben von der Autolobby Menschen in der Autoabhängigkeit hielten. Industrievertreter:innen, die die Energiewende seit Jahren ausbremsen. Mit dieser fossilen Lobby muss endgültig gebrochen und der nationale Schulterschluss aufgekündigt werden.

Leitplanken linker Energiepolitik

Stattdessen sollte eine gerechtigkeitsorientierte, linke Energiepolitik die Bedürfnisse der Vulnerabelsten in den Mittelpunkt stellen und so ein vollwertiges Angebot für alle schaffen. Sie würde sich an jenen in Österreich ausrichten, die von Ungleichheit und Ausschluss am stärksten betroffen sind. Gleichzeitig würde sie auch die Bedürfnisse derjenigen mit einbeziehen, die weltweit unter den Auswirkungen der Klimakatastrophe, ausuferndem Ressourcenextraktivismus und imperialen Spannungen leiden. Im Zentrum einer solchen linken Energiepolitik steht die schnellstmögliche gerechte Senkung des gesamtgesellschaftlichen Ressourcen- und Energieverbrauchs. Außerdem die Befreiung von Energiearmut und Autoabhängigkeit.

1. Heizkosten umverteilen, Gasthermen austauschen

Niemand darf in der Kälte sitzen! Statt viel Geld in die klimaschädliche Senkung der Erdgas- und Stromabgaben zu stecken, leisten die Anhebung von Heizkostenzuschüsse oder eine Energiekostenpauschale wie in Wien gezielte Abhilfe gegen Energiearmut. Perspektivisch braucht es mehr Umverteilung bei den Heizkosten: durch den über CO2-Bepreisung finanzierten Klimabonus sowie mit progressiven Energietarifen. Diese deckeln die Preise für den Grundbedarf und gleichen sie über steigende Kosten für den zusätzlichen Verbrauch aus. Ein Aspekt der im Energiepaket fehlt: Neue Gasthermen müssen rasch verboten und eine energetische Sanierungsoffensive gestartet werden, um Mieter:innen nicht länger von Kostenexplosionen am Gasmarkt abhängig zu halten. Eine unkomplizierte aber effektive Maßnahme um die Gasabhängigkeit schnell zu reduzieren: Durch die Reduktion der durchschnittlichen Raumtemperatur etwa in öffentlichen Gebäuden von 22°C auf 19°C senkt sich der Gasverbrauch um 20 Prozent.

2. Öffi-Offensive starten, Fahrgemeinschaften fördern

Gerechte Verkehrspolitik beendet die Abhängigkeit von teuren Spritpreisen und dem Privatauto. Sie richtet sich an denen aus, die sich keins leisten können. Dafür braucht es eine sofortige Investitionsoffensive für den Ausbau der Rad- und Öffi-Infrastruktur, die über das beschlossene Paket hinaus geht, sowie ein Aus für den Bau neuer Schnellstraßen. Öl und Gas durch Steuersenkungen weiter zu subventionieren oder Autofahren trotz Alternativen über die Pendlerpauschale zu fördern, schreibt die fossile Abhängigkeit hingegen fort. Dabei gibt es auch für viele die noch nicht auf (E-)Rad- & Öffis umsteigen können Möglichkeiten, Spritkosten schnell einzusparen. Mit 100km/h statt 130km/h auf der Autobahn werden bis zu 25 Prozent an Sprit gespart.

Fahrgemeinschaften erlauben auch in von Öffis noch abgehängten Regionen, die Kosten drastisch zu senken. Dafür muss zwar mit mancher Routine und gewohnter Flexibilität gebrochen werden. Doch die Politik kann durch Mitfahrer:innenparkplätze, Fahrgemeinschaftsspuren auf Schnellstraßen sowie Unternehmen durch betriebsinterne Vermittlungsbörsen und erleichtertes Parken für geteilte Autos unterstützen. Der gesamtgesellschaftliche Ölverbrauch kann durch autofreie Sonntage wie während der Ölkrise 1973, einen Zulassungsstopp für besonders energieintensive SUVs  und ein Verbot von Kurzstreckenflügen weiter gedrosselt werden. Eine derartige Energiepolitik wirkt Preissteigerungen entgegen und ermöglicht eine schnellere Unabhängigkeit vom Öl-Import.

3. Kunstdünger reduzieren, Fleischkonsum senken

Ein weiteres im Energiepaket nicht thematisiertes, aber für die Energiepolitik zentrales Themenfeld, ist die Landwirtschaft. Denn der in der konventionellen Landwirtschaft gängige Kunstdünger wird aus Erdgas hergestellt. Die Abhängigkeit davon kommt Landwirt:innen jetzt teuer zu stehen. Wegen der hohen Gaspreise wurde die Produktion gedrosselt und es kam zu Versorgungsengpässen. Zugleich heizt ihr übermäßiger Einsatz die Klimakatastrophe an und zerstört Ökosysteme, was über Dürren und fallende Bodenfruchtbarkeit negativ zurückwirkt. Weltweit könnten allein durch den Stopp von Überdüngung 35 Prozent des Stickstoffdüngers eingespart werden. Doch auch angesichts der Klimakatastrophe muss die Vision für Österreich 100 Prozent Biolandwirtschaft sein. Und damit die Unabhängigkeit von fossilem Kunstdünger.

Um Ertragsausfälle auszugleichen, braucht es dafür eine Reduktion von Lebensmittelverschwendung und einen geringeren Fleischverzehr. Denn 60 Prozent der Äcker nutzt Österreich für die Fleischproduktion. Wichtige Maßnahmen sind die Unterstützung von Landwirt:innen bei der Reduktion des  Kunstdüngereinsatzes. Weitere Möglichkeiten sind eine 100-prozentige Bio-Quote und fleischfreie Tage in öffentlichen Küchen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass Sozialleistungen auch die Versorgung mit kunstdüngerfreien Lebensmitteln abdecken.

4. Erneuerbare ausbauen, gute Arbeit schaffen

Neben Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs ist der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien zentral, um die Energiepreise in den Griff zu bekommen. Doch es fehlen qualifizierte Arbeitskräfte um ihn zu bewerkstelligen. Allein für den geplanten Ausbau des Solarstroms benötigen wir zusätzlich 60.000 Arbeitskräfte. Beim Ausbau der Windkraft sieht es ähnlich aus. Die Beschleunigung des Ausbaus für eine schnellere Unabhängigkeit von Gas- und Ölimporten führt zu zusätzlichen Herausforderungen. Bereits gestarteten Qualifizierungs-Initiativen müssen daher unter Einbeziehung der Gewerkschaften weiter intensiviert werden, um die fossile Abhängigkeit unter guten Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen zu bekämpfen.

Dem Neuen zum Durchbruch verhelfen

Aus Angst das fossilistische Zeitalter – mit all seinen Annehmlichkeiten auf Kosten Anderer – loszulassen, machen sich linke Kräfte in der öffentlichen Debatte um die Krisenbearbeitung zu Kompliz:innen des fossilen Kapitals. Sie fordern Steuersenkungen, die die dringend notwendige Senkung des (fossilen) Energieverbrauchs ausbremsen würden und staatliche Handlungsspielräume eingeschränkten. Eine neue, gerechtere Epoche einzuleiten, bedeutet jedoch einen Bruch zu wagen.

Den Weg dorthin weist eine bedürfnisorientierte und klimagerechte Infrastrukturpolitik. Doch wir müssen auch mit eingefahrenen Verhaltensroutinen brechen, um den strukturellen Zwängen zur tagtäglichen Ausbeutung von Mensch und Natur andernorts entgegenzuwirken. Anstatt uns selbst zu belügen, dass alles so bleiben kann wie es ist, müssen wir aufzeigen, wie wir die Freiheit von fossiler Abhängigkeit erlangen können. Und warum es sich lohnt, dafür zu kämpfen.

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