Bibi K. schreibt in einer vierteiligen Serie, was Marx, Keynes und Mises über Bitcoin sagen würden. In Teil II: Geld oder Ware – Was ist die Kryptowährung für ein Ding?
Im ersten Teil haben wir uns an die Frage herangetastet, was bei Bitcoin anders ist, als bei bekannten Zahlungs- und Finanzsystemen. Hanteln wir uns nun zur eigentlichen Frage weiter, dem Wert. Wir wollen ja eine Werttheorie zu Bitcoin entwickeln.
Einigkeit besteht heutzutage darüber, dass die Kryptowährung ein „Vermögenswert“ ist. Obwohl technisch nur unselbstständiger Teil einer Transaktions-Liste, kann man über Bitcoin „einzeln“ verfügen und Rechtsgeschäfte abschließen. Man kann beispielsweise eine Pizza bezahlen – die berühmte allererste Bitcoin-Transaktion: Die beiden Pizzen wären heute 80 Millionen US-Dollar wert. Oder man kann Bitcoin gegen einen anderen verrückten Coin tauschen. Anders als andere digitale Güter, beispielsweise das gekaufte World-Of-Warcraft-Schwert, das ein Lizenzrecht ist, stellt Bitcoin selbst kein Recht dar. Es kann aber Gegenstand von Rechtsgeschäften sein.
Was macht ein Zahlungsmittel zum Zahlungsmittel?
Ab dann scheiden sich die Geister. Meist wird über Bitcoin als Geldersatz geredet, wie bei Krugmann. Um Zahlungsmittel zu sein braucht es nicht vom Staat geschaffen zu werden: Digitales Buchgeld (FIAT-Geld) wird wesentlich durch Private (Banken) erzeugt, indem sie Kredite vergeben und dafür ein paar Zahlen in ihre Bücher eintippen. In manchen Zeiten wurden Zigaretten, Goldschmuck oder Muscheln zur Zahlung verwendet. Dinge, von denen man sich sicher war, dass jemand anderes sie auch wieder nehmen würde, weil er/sie wiederum damit tauschen kann.
Geld entwickelt sich nicht, weil der Staat es zu Geld bestimmt. Vielmehr ist die Bestimmung als gesetzliches Zahlungsmittel eine Folge davon, dass sich in einer Wirtschaft ein sogenanntes allgemeines Äquivalent entwickelt hat. Es muss ein Symbol für etwas sein, das den meisten Waren und Dienstleistungen gemein ist. Etwas, das sie austauschbar macht, in ein Verhältnis zueinander setzt und verrechenbar macht; Etwas, das ihren Wert aufbewahren kann. Historisch entwickelte sich Gold als Stellvertreterin für den Wert von Waren.
Wenn wir uns die Frage stellen, ob Bitcoin Geld ist, fragen wir also, ob es ein ähnlicher Stellvertreter für Werte sein kann, eine Geldware. Gold wurde schließlich auch durch andere Zeichen ersetzt, zuerst die Banknote, dann das FIAT-Geld.
Bitcoin: Unsicher und dennoch für viele Geldersatz
Die Allgemeinheit verwendet Bitcoin weniger als Zahlungsmittel, sondern vorrangig als Spekulationsobjekt. Gegenüber anderen Assets ist es extrem volatil und hat damit eine miserable Sicherheit, es für spätere Zahlungen verwenden zu können. Es gibt dennoch genügend Anwendungsbeispiele für die Akzeptanz zu Zahlungszwecken: jüngst erklärte El Salvador es sogar zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Es gibt die Geschichte afghanischer Frauen, die mit Bitcoin-Löhnen einer NGO ohne Bankkonto ihre Flucht bezahlen konnten. Aber unproblematisch ist das nicht: Die Löhne hätten zwei Wochen nach Auszahlung nur mehr halb so viel wert sein können. In der Regel finden die ÖkonomInnen aller ideologischen Richtungen Bitcoin als Zahlungsmittel uninteressant. Die Transaktionen sind im Vergleich zu Bank-Zahlungen verhältnismäßig teuer und langsam. Die hohe Volatilität lässt jede Händlerin unsicher darüber, ob nicht sogar zwischen Zahlung und Buchung schon wieder Wertverluste eingetreten sind.
Geld bei Smith, Marx u. Co.
Bei den KlassikerInnen (Smith, Ricardo) und bei Marx wäre Bitcoin kein Geld, könnte es aber immer mal werden. Geld braucht weder einen „intrinsischen“ Wert (auch bei Gold reduziert sich die Diskussion irgendwann auf Härte und Glitzern), noch braucht es einen politischen Staatsakt, der es zu Geld erklärt. Es entwickelt sich im Produktionsverhältnis als Ausdruck für Wert. Geld ist keine Sache im eigentlichen Sinn, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis. Bitcoin wäre gesellschaftlich derzeit einfach funktional nicht im Kapitalkreislauf etabliert.
In der Tradition der österreichischen Nationalökonomie (Mises, Hayek) ist Bitcoin grundsätzlich kein Geld, da es niemals irgendeinen Wert basierend auf einer Nützlichkeit hatte, von der es nun seinen Geldwert ableiten könnte. Bitcoin wäre irrational „by design“.
VertreterInnen der (Post-)Keynesianistischen Theorie, unter anderem der Modern Monetary Theory, sehen Bitcoin ad definitionem nicht als Geld. Geld ist das, was vom Staat zur allgemeinen Akzeptanz bestimmt ist. KeynesianistInnen sehen die Kryptowährung wie Gold.
Bitcoin entsteht nicht als Kredit
Eines wird in der Debatte rund um Bitcoin und Geld wenig beachtet: Es gibt kaum Kredit-Wirtschaft mit Bitcoin. Kredit ist aber eine wesentliche Funktion von Geld in einer auf Wachstum gerichteten Wirtschaft. Auch wenn erste Dezentralized Finance (DeFi) bereits Anwendungen, Kredite und Schuldverschreibungen auf ermöglichen – sie sind (noch) die Ausnahme. Im Entstehungsprozess auf der Blockchain ist jedenfalls kein Kreditgeld vorgesehen. Anders als bei FIAT-Geld, das hauptsächlich Kreditgeld und Geld durch Zentralbank-Bucheinträge ist.
Das macht Bitcoin als Zahlungsmittel für eine wachstumsorientierte kapitalistische Ökonomie unattraktiv, da nicht einfach vorübergehend eine beliebig große Menge erzeugt werden kann, um beispielsweise einen Krieg oder ein Corona-Programm zu finanzieren.
Fassen wir zusammen:
Bitcoin ist kein Zahlungsmittel, weil es nur in untergeordnetem Ausmaß als solches verwendet wird. Das „degradiert“ die Kryptowährung zu einer Ware, die gelegentlich durch den gesellschaftlichen Gebrauch eine Zahlungsfunktion erhält.
In Teil III: Als Ware hat Bitcoin einen Preis, und der ging die letzten Jahre durch die Decke. Aber haben uns nicht schon Gold, Tulpen und Magic-Karten in der Geschichte gelehrt, dass Preise etwas Willkürliches an sich haben? Bei Krugmann schon: Für ihn sind Preise das, was Angebot und Nachfrage für den Wert halten. Bitcoin ist nur Ausfluss von „libertärem Quatsch“, für den Leute bereit sind viel zu bezahlen. Aber warum bloß? Preise sind selbst für Nobelpreisträger etwas sehr Spukhaftes.