Hunger in der Pandemie: Wer von Hamsterkäufen profitiert

Die Corona-Pandemie verschärft den weltweiten Hunger und die damit einhergehenden Ungleichheiten. Um dagegen vorzugehen braucht es verbindliche Regulierungen für Konzerne, schreiben Tina Wirnsberger und Lukas Schmidt.

Im März erlebte die österreichische Bevölkerung was es bedeutet, mit einer beschränkten Auswahl an Lebensmitteln auszukommen. Die Corona-Krise führte zu Hamsterkäufen, Supermarktregale wurden nicht zeitnah aufgefüllt. Heute sind die Gänge der österreichischen Supermärkte längst wieder gut bestückt. Doch das bedeutet nicht, dass alle dazu Zugang haben.

Menschenrecht auf Nahrung

Selbst in Krisenzeiten produzieren wir so viel Nahrung, dass die Regale der Supermarktkonzerne mit Lebensmitteln aus aller Welt gefüllt sind. Trotzdem steigt die Zahl der hungernden Menschen seit 2014 und liegt nun bei 690 Millionen. Somit hungert weltweit jeder elfte Mensch. Das beeinträchtigt das Wachstum jedes fünften Kindes unter fünf Jahren.

Das Menschenrecht auf Nahrung bedeutet weit mehr als nur ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung zu haben. Es ist erst dann verwirklicht, wenn man jederzeit Zugang zu angemessener Nahrung oder Mitteln zu ihrer Beschaffung hat. Steigende Ungleichheit führt dazu, dass sich rund drei Milliarden Menschen nicht gesund und abwechslungsreich ernähren. Wer sich nicht einseitig ernähren möchte, muss nach Angaben der FAO das Fünffache investieren. Alle die sich das nicht leisten können, sind auf Massenproduktion angewiesen, vorgesetzt von einem konzerndominierten Ernährungssystem.

Hunger wird gemacht

Hunger betrifft benachteiligte Menschen besonders: Frauen, Kinder, Indigene oder Geringverdiener*innen, in ländlichen Gebieten des Globalen Süden und auch in den Städten reicher Länder. Sie haben keinen direkten Zugang zu Land, Wasser und Saatgut, werden für ihre Arbeit schlecht bezahlt oder erhalten unzureichend staatliche Absicherungen. Paradoxerweise betrifft Hunger vor allem Kleinbäuer*innen und Landarbeiter*innen – obwohl sie 80 Prozent der weltweit verfügbaren Lebensmittel erzeugen. Politische Entscheidungen bestimmen Ernährungssysteme. Wer den Hunger dieser Welt beenden will, muss strukturelle Ungleichheiten abbauen.

Corona-Krise verschärft Hunger

Die Corona-Krise bewirkt das Gegenteil. Innerhalb kürzester Zeit verschärfte sich weltweit die soziale Ungleichheit. Die FAO schätzt, dass in diesem Jahr 132 Millionen Menschen zusätzlich hungern. Es sind auch mehr Menschen direkt von Armut betroffen oder armutsgefährdet. Diese Menschen leben zum größten Teil im Globalen Süden. Doch auch in Ländern wie Österreich trifft die Pandemie armutsbetroffene Menschen besonders hart: Seit der Corona-Krise steigen die Preise für Lebensmittel. Während des Lockdowns im Frühjahr waren vor allem die billigen Eigenmarken der Supermärkte lange nicht verfügbar. Armutsbetroffene spürten diese Preissteigerungen deutlich. Besonders weil viele ihre Arbeit während oder nach dem Lockdown verloren. Zusätzlich entfiel für viele Kinder während des Lockdowns das Schulessen, was die Lage verschärfte.

Stärkung der Supermärkte

Das Agrobusiness und große Supermärkte dominieren das globale Ernährungssystem. Sie bestimmen die Produktionsbedingungen und definieren großteils auch die Preise. Das setzt kleinbäuerliche Betriebe weltweit unter Druck und steigert das Armutsrisiko der Produzent*innen. Die großen Supermarktketten sind es auch, die von den Hamsterkäufen während des Lock Downs profitiert haben. Auch wenn Bauernmärkte in Österreich – im Gegensatz zu den Märkten anderer europäischer Länder – während des Lockdowns im Frühjahr geöffnet blieben, gingen die „systemrelevanten“ Supermärkte eindeutig als Krisengewinner hervor.

Verbindliche Regulierungen

„Systemrelevant“ ist in diesem Fall jedoch nicht die große Mehrheit jener, die unsere Lebensmittel erzeugen, sondern sind die wenigen großen Profiteure. Um Hunger effektiv zu bekämpfen, müssen Konzerne reguliert und von Hunger und Mangelernährung Betroffene in ihren sozialen Rechten, der politischen Mitbestimmung und ihrer ökonomischen Unabhängigkeit gestärkt werden. In Österreich und weltweit. Die Treaty Alliance setzt sich für eine verbindliche Regulierung von Konzernen ein. Viele der Mitglieder sind selbst Betroffene von Menschenrechtsverstößen durch transnationale Unternehmen – sei es im Bergbau-, Öl-, Textil- oder Agrarsektor. In diesem Rahmen stellte die Treaty Allianz Österreich kürzlich ihre neue Kampagne für ein Lieferkettengesetz vor. Das Gesetz soll Unternehmen dazu verpflichten, Menschenrechte und Umweltstandards entlang ihrer Lieferketten zu achten und so für mehr Gleichberechtigung sorgen.

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