Wie das Finanzamt bald kritische Vereine vernichten kann

Greenpeace-Banner vor Hotel Marriott

Die türkis-grüne Regierung hat mit einem neuen Gesetz ein mächtiges Werkzeug gegen zivilgesellschaftlichen Protest geschaffen. Ursula Bittner erklärt das „Gemeinnützigkeitsreformgesetz“ – und wie der Angriff auf NGOs und soziale Bewegungen noch verhindert werden kann.

Eigentlich hätte es eine gute Nachricht für die Zivilgesellschaft sein sollen. Mit dem so genannten Gemeinnützigkeitsreformgesetz, das die türkis-grüne-Regierung auf den Weg gebracht hat, kommen einige Verbesserungen für den gemeinnützigen Sektor – etwa sollen zahlreiche zusätzliche Vereine und NGOs die Spendenabsetzbarkeit bekommen. Heißt: Wer ihnen spendet, kann den Betrag von der Steuer absetzen. Besonders für Organisationen, die in erster Linie von privaten Spenden leben, ist diese steuerliche Begünstigung wichtig.

In dem begrüßenswerten Gesetz versteckt sich aber ein Angriff auf die Zivilgesellschaft. Das Perfide daran? Für Nicht-Jurist:innen ist dieser gar nicht leicht zu erkennen. Wer sich allerdings näher mit der Materie beschäftigt, merkt, wie gefährlich Teile des neuen Gesetzes sind.

So funktioniert das Gemeinnützigkeitsreformgesetz

Wer der Regierung zu unbequem wird, kann in Zukunft bestraft werden – und zwar durch den Verlust der Spendenabsetzbarkeit. Das würde für viele Vereine und Organisationen das Ende bedeuten, weil sie fürchten müssen, ihre Spender:innen wegen des finanziellen Anreizes, aber auch wegen des Reputationsverlusts, an andere Vereine zu verlieren. Möglich wird das durch bestimmte Passagen im neuen Gesetz, die von Spitzenjurist:innen, darunter der ehemaligen Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Irmgard Griss, und dem Verfassungsjuristen Heinz Mayer, scharf kritisiert werden. Heinz Mayer nennt das Gesetz sogar verfassungswidrig.

Wieso? Das Gesetz macht es möglich, dass Finanzbeamte alleine und ohne Gerichtsverfahren entscheiden, ob einem Verein die Spendenabsetzbarkeit aberkannt wird. Der Verein kann dagegen zwar Beschwerde einlegen, aber diese hat keine aufschiebende Wirkung. Willkür ist damit Tür und Tor geöffnet. Eine solche Aberkennung kann laut dem neuen Gesetz unter anderem dann erfolgen, wenn zivilgesellschaftlicher Protest Verwaltungsstrafen nach sich zieht. Das könnte etwa schon passieren, wenn eine Organisation eine Kundgebung zu spät anmeldet. Der entsprechende Paragraf ist aber so unklar formuliert, dass er vielleicht sogar noch mehr Spielraum zulässt.

Das würden die Grünen doch nie zulassen

Im Zuge der Verhandlungen über das Gesetz wurden ihm viele Giftzähne gezogen. Es sind aber noch immer Passagen geblieben, die dazu führen, dass Organisationen nach zivilgesellschaftlichem Protest vernichtet werden können. Am 6. Dezember wurde das Gesetz im Finanzausschuss des Parlaments beschlossen – mit den Stimmen von Grünen, ÖVP und FPÖ. Eine Allianz, die zu denken geben sollte. Heute, am 14. Dezember, soll über das Gesetz im Plenum des Nationalrats abgestimmt werden.

Greenpeace, Volkshilfe, Attac, Fridays for Future und der VGT fordern Grüne und ÖVP jetzt dringend auf, das Gesetz noch zu reparieren. Geschieht das nicht, dann müssen alle Nationalratsabgeordneten, denen etwas an demokratischen Grundrechten und einer funktionierenden Zivilgesellschaft liegt, im Plenum gegen dieses Gesetz stimmen. Österreich muss ein Land bleiben, wo Engagement für Umweltschutz, Menschenrechte und für eine bessere Zukunft ohne Angst möglich sind. Sollte das Gemeinnützigkeitsreformgesetz wie geplant kommen, dann ist stattdessen ein Schritt Richtung Orbanisierung getan.

Deutschland zeigt, was passieren kann

Manche mögen jetzt meinen, die Bedenken wären unbegründet. Doch genau das Befürchtete – Repression gegen die unbequeme Zivilgesellschaft durch den Entzug der Gemeinnützigkeit – ist in den letzten Jahren in Deutschland passiert.

Von einem besonders krassen Beispiel für den Missbrauch von Steuergesetzen war Attac Deutschland betroffen. Dem Verein wurde 2014 die Gemeinnützigkeit entzogen. Ein Richter begründete das Urteil damit, dass Attac politischen Aktionismus betreibe, der weit über gemeinnützige Zwecke hinausgehe: „Attac geht es nicht um politische Bildung, sondern um die Durchsetzung eigener Vorstellungen allgemeinpolitischer Art.“ Manche vermuteten, dass der Entzug der Gemeinnützigkeit mit Attacs Beteiligung an zivilem Ungehorsam im Zuge der damaligen Anti-Austeritätsproteste stand. Seither wurden zahlreichen andere Organisationen wie dem VVN-BdA/Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes oder der Petitionsplattform change.org die Gemeinnützigkeit entzogen. Diese Entwicklungen in Deutschland sollten ein warnendes Beispiel für Österreich sein. Steuerrecht wird schnell missbraucht und zu einer scharfen, anti-demokratischen Waffe.

Foto Greenpeace

Autor

 
Nach oben scrollen