Fundamentalistische, jugendliche Katholiken im Schuleinsatz – wie lange noch?

Es ist leicht, chulich über militante, frauenverachtende AbtreibungsgegnerInnen aufzuregen. Vor allem, weil sie nun rund 19 Jahre ihr Unwesen und ihre Belagerungen vor und rund um Kliniken in Österreich in aller Öffentlichkeit treiben. Und weil sie kaum jemand wegen Meinungs- und Versammlungsfreiheit stoppen will oder kann. AktivistInnen dieses Spektrums aus dem Schulunterricht ein für allemal zu verbannen, ist, wie es aussieht, ebenfalls nicht möglich.

Seit 1999 offeriert die Jugend für das Leben – ein von der Österreichischen Bischofskonferenz seit 1999 als katholisch anerkannter Verein – nach wie vor „Schuleinsätze“. Jugendliche dieser Organisation wollen in den Religions-, Biologie- sowie ‘Ethik’unterricht eingeladen werden, um dort gleichzeitig gegen Abtreibung und Verhütung zu agitieren.

Lehrpersonal lädt ein, Schuldirektionen billigen das – gegen den Lehrplan

Die Jugend für das Leben ist ein, von der Österreichischen Bischofskonferenz seit 1999 als katholisch anerkannter Verein, der sog. „Schuleinsätze“ anpreist. Jugendliche VertreterInnen wollen in den Religions-, Biologie- sowie ‘Ethik’unterricht eingeladen werden, um dort gleichzeitig gegen Abtreibung und Verhütung Stimmung zu machen. Voraussetzung dafür ist, dass sie vom Lehrpersonal eingeladen werden. Die LehrerInnen stört offenbar nicht, dass diese Jugendlichen, abgesehen von fragwürdigen Inhalten, keinerlei Qualifikation für einen „Schuleinsatz“ haben, sondern nur von streng katholischen Personen für den Einsatz gegen jeden entkriminalisierten Schwangerschaftsabbruch getrimmt wurden. Bei den kolportierten Gräueln, die ein staatlich erlaubter Schwangerschaftsabbruch – pardon, eine Abtreibung! – verursachen soll, bleibt kein Auge trocken. Die Ausführungen auf der Website der Organisation sprechen eine deutliche Sprache. Ergebnisoffenheit und Entscheidungsfreiheit gibt es da nicht. Blicke auf die Inhalte zum Thema „ungewollte Schwangerschaft“ und auf die Adressen der „Beratungsangebote“ für Frauen im Schwangerschaftskonflikt zeigen, dass in erster Linie (und nicht erst seit heute) Stellen von Human Life International (sogenannte HLI-Lebenszentren) in allen Bundesländern samt Hotlines beworben werden.

Weitere Tätigkeiten der Jugend für das Leben, die sich 1989 aus der dem Opus Dei sehr nahen Gruppierung Geborene für Ungeborene entwickelt hat, sind Aufmärsche vor Kliniken gemeinsam mit Human Life International und diversen Priestern. Auch Pro-Life Märsche quer durch Österreich, Lichterketten für Ungeborene, Beteiligung an sog. „1000-Kreuze-Märschen“, Pro Life-Messen oder die Zusammenarbeit mit Verbündeten aus dem Ausland ist Teil des Programms.

Für die AktivistInnen von Jugend für das Leben gehören aber auch Engagement und Arbeit für Parteien, wie etwa die superrechte Christenpartei (heute: Christliche Partei Österreichs), die sich vorwiegend aus dem Spektrum von HLI rekrutierte, dazu. Das Netzwerk der Verbündeten in diesem Umfeld ist so dicht, eine Beschreibung erfordert einen eigenen Artikel. Ziel ist, Ärztinnen und Ärzte unter Druck zu setzen und den entkriminalisierten Schwangerschaftsabbruch wieder zu kriminalisieren. HLI wie auch der Jugend samt Bischof Laun ist es auch ein Bedürfnis, Frauen für Abtreibungen zusätzlich strafrechtlich zu belangen. Dies alles unter dem viel strapazierten Titel „Kultur des Lebens“ und obwohl es für Abtreibung ohnehin die schwere Kirchenstrafe der Exkommunikation gibt.

Und Verhütung ist auch pfui Teufel!

Gegen wirkungsvolle Verhütungsmittel und ihren effektiven Einsatz sowie gegen die „Frühsexualisierung“ von Kindern in der Schule (gemeint ist der Sexualkundeunterricht) wird ebenfalls gearbeitet. Denn ausschließlich heterosexueller Geschlechtsverkehr, selbstverständlich nur innerhalb der Ehe und nicht zum Vergnügen, ist erlaubt. Verhütung gibt es nicht, höchstens Enthaltsamkeit – nicht einmal Kondome sind erlaubt. Die „Kultur des Lebens“ verlangt, dass sich Menschen ihrer Fertilität bedingungslos ergeben, widrigenfalls sie des Teufels sind.

HLI-Schutzpatron Laun

Eine lautstarke Plattform für die reaktionären Ansichten des Schutzpatrons der selbsternannten „Lebensschützer“ aller Länder, der offizielle „Lebensschutzbeauftragte“ der Österreichischen Bischofskonferenz, Ẃeihbischof Andreas Laun, bietet GloriaTV. Ein Projekt, das ebenfalls von den MitstreiterInnen der Jugend für das Leben Österreich gegründet wurde und gestaltet wird. Unter dem Titel „Die Gender-Ideologie ist dämonisch“ macht der Lebensschutzbischof im Rahmen der Stuttgarter „Demo für Alle“ einen Rundumschlag gegen den „Irrsinn“, der ein „europäisches Problem“ sei.

Die „Demo für Alle“ ist das deutsche Produkt einer weiteren Seilschaft von radikalen Christen, die um die politische Deutungshoheit von christlich-europäischen „Werten“ gemeinsam mit Personen aus u.a. dem AfD-Spektrum auf die Barrikaden geht. Antifeminismus inklusive. Laun erzählt vom Papst, der „Gender“ als „dämonisch!“ kategorisiert. Jubel der DemonstrantInnen. „Es scheint, der Teufel hätte sich nach den Gräueln des Kommunismus und der Nazis nun ein neues Betätigungsfeld eröffnet: Die Genderideologie…“, tobt Laun. Abtreibung, Nazis, Kommunisten, Holocaust, Kindergärten, Mütter die ihre Kinder nicht selbst aufziehen… – alles eine „Kultur des Todes“.

Die Jugend für das Leben fungiert als verlängerter Arm einer derartigen Weltanschauung in den Schulen. Sie könnte mit ihren Einschüchterungen die reproduktive und psychische Gesundheit von Frauen beeinträchtigen. Und sie wird darüber hinaus sehr aktiv, wenn es um Kampagnen gegen EU-Beschlüsse geht, die Frauenrechte ausbauen.

Und wie steht die Schulaufsichtsbehörde dazu?

„Aufklärungs-“ und Hetz-Material von HLI im Schulunterricht ist per Erlass aus dem Ministerium seit einigen Jahren untersagt. Die Jugend für das Leben als Verbündete von HLI und anderen hätte im Unterricht ebenfalls nichts verloren. Die Art und Weise der Vermittlung einer „Kultur des Lebens“ im Unterricht steht mit Sicherheit in keinem Lehrplan. Und grundsätzlich muss jede „außerschulische Veranstaltung“ von der jeweiligen Direktion genehmigt sein. Die Jugend für das Leben selbst spricht in ihrer Festschrift zum 20 Jahres-Jubiläum aber von unglaublichen 1000 solcher Einsätze – trotzdem die Schulaufsichtsbehörde angeblich gegen derartige Auftritte ist.

Beschwerden von Eltern sind daher gefragt. Wie unlängst jener Wirbel einer Mutter im steirischen Mureck. Die Jugend für das Leben selbst berichtet von einer Skandalisierung. Und versucht zu beruhigen. Eine Untersuchung des Falles sei anhängig.

Viktoria Roth ist feministisch/aktivistische Multiplikatorin und lebt in Salzburg.

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