Gewaltschutz darf kein Privileg sein

Frauen mit physischen oder psychischen Behinderungen sowie Frauen während des Asylverfahrens ist es oft nicht möglich, in ein Frauenhaus zu gehen. Obwohl gerade diese Frauen öfter von Gewalt betroffen sind, fehlt es an den notwendigen Möglichkeiten, Ressourcen und am notwendigen Wissen, um ihnen Schutz in Frauenhäusern zu gewährleisten. mosaik-Bloggerin Nina Andree über das Grundrecht aller Frauen, auf ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben. 

Frauen mit Beeinträchtigungen werden noch häufiger diskriminiert und sind noch öfter von körperlicher, sexualisierter oder psychischer Gewalt betroffen, als Frauen ohne Beeinträchtigung. Sie erfahren im Schnitt zwei- bis dreimal häufiger sexuellen Missbrauch in Kindheit und Jugend als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt. Gleichzeitig haben Frauen, die mit Beeinträchtigungen leben, weniger Möglichkeiten sich an Gewaltschutzeinrichtungen zu wenden. Vor allem für blinde, sehbeeinträchtigte, gehörlose und hörbeeinträchtigte Frauen ist die Situation besonders prekär.

Zweifache Diskriminierung

Frauen mit Behinderungen können mit vielfachen Diskriminierungsverhältnissen konfrontiert werden. Etwa als Frauen in einer patriarchalen Welt und als Beeinträchtigte in einer Welt der Nichtbeeinträchtigten. Menschen die behindert werden, befinden sich besonders oft in potenziellen Abhängigkeitsverhältnissen, weil sie Unterstützung im alltäglichen Leben brauchen oder bei ihrer Therapie. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, ihnen Schutz vor Gewalt zu gewährleisten. Barrierefreier Zugang für Rollstuhlfahrerinnen ist zumindest in manchen Gewaltschutzeinrichtungen vorhanden, wenn es aber um andere Beeinträchtigungen geht, haben viele Einrichtungen keine Möglichkeiten, eine gute Betreuung zu garantieren. Denn um Frauen adäquat unterstützen zu können, haben sie zu wenig Kapazitäten, Ressourcen und – vor allem zu wenig geschultes – Personal für die Betreuung von beeinträchtigten Frauen.

Es geht also einerseits darum, dass es für diese Frauen oft an der Möglichkeit fehlt, in einem Frauenhaus Schutz zu bekommen, andererseits fehlt es auch an Betreuungsmaßnahmen um Frauen mit Beeinträchtigungen zu helfen, sich präventiv vor Gewalt schützen zu können oder Traumata die sie bereits erlebt haben, verarbeiten zu können.

Frauen auf der Flucht

Für Frauen, die sich im Asylverfahren befinden, ist die Situation ähnlich. Eigene Opferschutzeinrichtungen für Frauen während des Asylverfahrens gibt es derzeit in keinem einzigen Bundesland. Auch wenn einzelne Frauenhäuser geflüchtete Frauen aufnehmen, fehlen grundsätzlich Ressourcen, Möglichkeiten und Kompetenzen, Aufgaben der Grundversorgung, die Frauen im Asylverfahren zustehen, zu übernehmen. In Österreich sind derzeit rund 30 Prozent der Geflüchtenden Frauen und Mädchen. Sie fliehen aufgrund von Unterdrückung, Verfolgung aus politischen und/oder religiösen Motiven – viele Gründe, weswegen Männer auch flüchten. Frauen fliehen aber auch vor Witwenverbrennungen, vor weibliche Genitalverstümmelung oder weil Gewalt gegen Frauen in vielen militärischen Konflikten, zum Beispiel systematische Vergewaltigung von Frauen und Mädchen, zur Kriegsstrategie erklärt wird. Gerade deshalb und auch weil Gewalt gegen Frauen während der Flucht zum Alltag gehören, ist es umso wichtiger, diesen Frauen in Österreich Schutz zu bieten.

Grundsätzlich muss auch festgehalten werden, dass der Großteil von Gewalt gegen Frauen in Österreich im sozialen Nahraum passiert, also in der Familie oder im Freundeskreis. Faktoren wie Perspektivenlosigkeit, Traumata, Arbeitslosigkeit (bzw. fehlender Arbeitserlaubnis) können natürlich zu massivem Alkoholkonsum, Aggressivität und Gewalt führen. Gewalt gegen Frauen im sozialen Nahraum in Österreich kommt in allen Klassen gleich häufig vor und ist somit kein Phänomen von AsylwerberInnen. Jedoch kann die Situation, die AsylwerberInnen ertragen müssen, natürlich zu verstärkten Spannungen und in der Folge zu Gewalt führen.

Wie bereits erwähnt, fehlt für Asylwerberinnen meist die Möglichkeit, in ein Frauenhaus zu gehen. Gleichzeitig mangelt es aber auch an Ressourcen für psychotherapeutisch Betreuung von Frauen, um ihnen bei der Verarbeitung von Gewalt, die sie auf der Flucht erlebt haben, zu helfen. Der derzeitige Standard in vielen Grundversorgungseinrichtungen oder Notquartieren führt oft zu weiteren Gewalterfahrungen und schränkt ihr Recht auf Selbstbestimmung ein, da es weder getrennte Sanitäranlagen, Kinderbetreuung, noch Frauenfreiräume gibt.

Ein gewaltfreies Leben für alle Frauen

Es bräuchte daher dringend mehr Einrichtungen, die Frauen mit Beeinträchtigung bei Gewalterfahrungen schützen und beraten – ohne Hindernisse. Sowohl die Kapazitäten als auch die Ressourcen müssen dafür bereitgestellt werden. Das bedeutet auch, Personal zu schulen und weitere Mitarbeiterinnen für die Betreuung einzustellen. Auch die Webseiten von Gewaltschutzeinrichtungen müssen barrierefrei sein, um den Frauen zu ermöglichen, an Informationen zu kommen. Des Weiteren mangelt es an einer Grundversorgungseinrichtung, die auch den Schutz der Betroffenen sowie eine psychotherapeutische Betreuung der geflüchteten Frauen abdeckt. Die Informationen darüber müssten Frauen bereits bei der Ankunft in Österreich in ihrer Sprache übermittelt werden. Es braucht Frauenfreiräume, getrennte Sanitäranlagen und Kinderbetreuung in Aufnahmelagern und in allen Quartieren für Flüchtlinge.

In einem der reichsten Staaten der Welt muss es eigentlich unnötig sein, so etwas zu schreiben. Aber wir müssen uns den Ausbau von Einrichtungen zum Schutz und zur Unterstützung aller Frauen leisten können – wenn wir Steuergeld für Bankenrettungen ausgeben und dann argumentieren, dass für so einen wichtigen Bereich kein Geld da ist, setzen wir unsere Prioritäten falsch. Denn Frauen haben – egal woher sie kommen, egal ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht – Recht auf Schutz und Recht auf ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben.

Nina Andree studiert Jus, ist Frauensprecherin der Sozialistischen Jugend Oberösterreich und Aktivistin von Linz gegen Rechts.

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