Die Schule ist kein abgetrennter Raum der Gesellschaft und deswegen spiegeln sich gesellschaftliche Probleme auch innerhalb von Schulgebäuden wider. Dennoch werden SchülerInnen bei vielen Statistiken außen vor gelassen.
SchülerInnen bilden in Österreich mit 1,1 Millionen Personen die größte Berufsgruppe und gleichzeitig werden sie in den meisten Statistiken, die Geschlechterverhältnisse analysieren, nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund erstellt die Aktion kritischer Schüler_innen jedes Jahr den SV-Genderreport, in dem die Geschlechtsverhältnisse der schulischen Vertretung analysiert werden.
Wie ist die SchülerInnenvertretung in Österreich aufgebaut?
Österreich ist das einzige Land mit einer gesetzlich verankerten Vertretung für SchülerInnen. Dabei wird an jeder Schule die SchülerInnenvertretung – bestehend aus der/dem SchulsprecherIn und zwei StellvertreterInnen – gewählt. Wahlberechtigt sind dabei alle SchülerInnen der Oberstufe (in Allgemein höher bildenden Schulen, AHS), sowie alle SchülerInnen in Berufsschulen, BS, oder Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, BMHS.
Die landesweite Vertretung, die LandesschülerInnenvertretung (LSV), wird von allen Schulsprecher_innen der jeweiligen Schulen in dem Bundesland gewählt. Die LSV bilden die Teams der jeweiligen schulischen Bereiche, also AHS, BMHS und BS. Je nach SchülerInnenzahl in den Bundesländern sind die Bereich-Teams größer oder kleiner. So sind in Wien acht SchülerInnen in der LandesschülerInnenvertretung, wohingegen es in Vorarlberg bloß vier SchülerInnen pro Bereich sind. Das bedeutet, dass die Größe der LandesschülerInnenvertretungen österreichweit zwischen 12 und 24 Personen schwankt.
Die BundesschülerInnenvertretung, kurz BSV, setzt sich automatisch aus allen LandesschulsprecherInnen (also 3 pro Bundesland mal 9) zusammen. Dazu kommen weiters zwei VertreterInnen der Zentralen Lehranstalten, d.h. Schulen, die komplett dem Bildungsministerium unterstellt sind. Insgesamt besteht die BundesschülerInnenvertretung also aus 29 Personen. Diese 29 Personen wählen wieder den/die BundesschulsprecherIn.
Ergebnisse des SV-Genderreportes 2015/2016
Der SchülerInnenvertretungs-Genderreport hat zum Ziel, die ungleichen Machtverhältnisse zwischen Schülerinnen und Schülern in der schulischen Vertretung aufzuzeigen, deren Ursachen zu analysieren und Lösungsansätze zur Förderung der Beteiligung von jungen Frauen vorzustellen. Jährlich werden dafür die Ergebnisse der SchülerInnenvertretungswahlen erhoben und analysiert.
Rund 200 Schulen nahmen dieses Jahr an der Umfrage teil. In den Schulen waren 44,4 Prozent derer, die als SchulsprecherIn kandidierten, Frauen. Gewählt wurden die Schülerinnen allerdings nur zu 35,5 Prozent. Umgekehrt heißt das, dass 55,6 Prozent der Kandidierenden Männer waren, aber 65,5 Prozent der Gewählten – es wurden also überproportional Burschen zu Schulsprechern gewählt. Die erste Stellvertretung wird zu 41,2 Prozent von Schülerinnen besetzt, die zweite Stellvertretung zu 49,8 Prozent.
In der überschulischen, landesweiten Vertretung sind die Geschlechterverhältnisse auf den ersten Blick ausgeglichen. In den Teams des AHS- sowie BMHS-Bereich sind 50 Prozent Schülerinnen und 50 Prozent Schüler vertreten. Die Geschlechterverhältnisse in der Bundesvertretung sehen jedoch anders aus: Es sind 38,9% Prozent Landesschulsprecherinnen und 61,1 Prozent Landesschulsprecher. Das Verhältnis von Frauen und Männern liegt damit bei 7 zu 11.
Strukturelle Gründe
Wenn man das Problem der “Gläsernen Decke” – also die Struktur, die Frauen daran hindert hohe Positionen einzunehmen – anspricht, wird oft argumentiert, Frauen würden sich nicht für Spitzenpositionen interessieren und wären zahlenmäßig unterrepräsentiert. Auch in der schulischen Vertretung stößt man immer wieder auf dieses Argument. Sieht man sich jedoch die Ergebnisse des SV-Genderreports an, zeigt sich, dass dem nicht so ist: Obwohl fast gleich viele Männer wie Frauen kandidieren, sind am Ende nur ein Drittel der SchulsprecherInnen weiblich und zwei Drittel männlich.
Diese Ergebnisse sind auch die Folge fehlender Vorbilder für Schülerinnen. Die Tatsache, dass wenige Schülerinnen in die SchülerInnenvertretung und noch weniger zur Schulsprecherin gewählt werden, kann für andere Schülerinnen einschüchternd wirken und demotivieren, selber als Schulsprecherin zu kandidieren. Durch die fehlende Vorbildfunktion kann es auch dazu kommen, dass sich Schülerinnen nicht die Führungskompetenzen zuschreiben, um ihre MitschülerInnen zu vertreten. Gleichzeitig gibt es einen Überhang an männlichen Vorbildern, die Schülern in ihrer schon anerzogenen selbstbewussten Rolle noch mehr Mut machen und sie in ihrem Handeln bestätigen. Solche Vorbilder darf es allerdings nicht nur für Schüler geben, sondern müssen auch für Schülerinnen ausreichend vorhanden sein, da sie allen Schüler_innen Mut machen sollen.
Sieht man sich die Ergebnisse der landesweiten Vertretungen an, sind zwar die Mandate genau zur Hälfte aufgeteilt. Dennoch sind nur sieben Frauen Landesschulsprecherin, wohingegen elf Männer Landesschulsprecher sind. Hier wird erneut sichtbar, dass Männern mehr Führungskompetenzen zugesprochen werden.
Was tun gegen die Gläserne Decke?
Der SV-Genderreport zeigt Probleme in der schulischen Vertretung auf, will aber gleichzeitig dazu animieren, gegen die Missstände aufzutreten. Die Schule bietet einen guten Raum, um SchülerInnen beizubringen, gesellschaftliche Probleme kritisch zu reflektieren. Im Rahmen reflexiver Koedukation, die zum Ziel hat, die Geschlechterhierachien in der Schule abzubauen, um ein gleichberechtigtes Miteinander und gemeinsames Lernen zu ermöglichen, können die Stärken und Interessen von SchülerInnen gezielt gefördert werden. Dabei ist geschlechtergetrennter Unterricht in manchen Schulfächern ein Element, das dazu dienen soll, ein gleichberechtigtes Zusammenleben und -lernen beider Geschlechter zu erreichen. Ebenso sind frauenfördernde Maßnahmen in der schulischen Vertretung notwendig, um die Geschlechterausgewogenheit auf allen Ebenen der SchülerInnenvertretung garantieren zu können.
Christina Götschhofer ist Bundesvorsitzende der Aktion kritischer Schüler_innen und studiert Soziologie an der Uni Wien.