Das nächste Flüchtlingsabschreckungs-Paket

Was tun, wenn der Ausbau der Aufnahmestrukturen für Flüchtlinge mit der Anzahl der neu Ankommenden nicht Schritt hält? Das Innenministerium setzt auf Abschreckung – und das unverblümt. Der jüngste Entwurf zur Änderung des Asylgesetzes sieht vor, die Rechte jener Flüchtlinge, die bereits eine positive Entscheidung erhalten haben, massiv einzuschränken.

Die Asylzuerkennung soll nach diesem Entwurf nicht mit einem unbefristeten Aufenthaltsrecht verbunden sein, sondern das Aufenthaltsrecht vorerst nur auf drei Jahre befristet werden. Danach soll systematisch überprüft werden, ob der Schutzbedarf der Flüchtling weiterhin vorliegt. Sollte sich die Situation im Herkunftsland soweit geändert haben, dass eine Rückkehr ohne Risiko möglich wäre, wird der Asylstatus aberkannt. Ist Verfolgung weiterhin wahrscheinlich, würde der befristete in einen unbefristeten Aufenthalt umgewandelt. Grundlage für die Beurteilung der Situation im Herkunftsland stellen dabei Berichte der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl dar. Diese Dokumentationsstelle soll künftig jährlich Berichte über die wichtigsten Herkunftsländer liefern, wobei die Berichte zu Gutachten aufgewertet werden sollen. Diese Aufwertung ist jedoch einigermaßen problematisch, weil hier keine unabhängigen ExpertInnen tätig werden, selbst wenn das Innenministerium auch einen Beirat eingerichtet hat, um die Qualität der Berichte zu sichern.

Zweck dieser Übung ist wohl, weniger attraktiv für Flüchtlinge zu erscheinen. Auch die FPÖ kann zufrieden sein, immerhin trommelt sie seit Jahr und Tag, dass Asyl Schutz auf Zeit sei. Eine eigene Regelung zur Aberkennung des Asyls wäre allerdings nicht nötig, denn bereits die Genfer Flüchtlingskonvention, die auch für Österreich verbindlich ist, sieht mehrere Gründe für die Beendigung des Flüchtlingsstatus vor. Neben der freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat ist auch die grundlegende Änderung der Situation im Herkunftsstaat als Beendigungsgrund angeführt. In der Vergangenheit wurde diese Möglichkeit aber kaum angewendet. Status-Aberkennungen betreffen meistens Flüchtlinge, die wegen eines schweren Verbrechens verurteilt wurden.

Zusätzliche Aufgaben für überlastete Asylbehörde

Dass ein Aberkennungsverfahren ebenso aufwendig ist wie ein Verfahren zur Zuerkennung des Status, mag wohl ein Grund dafür sein, dass von diesen Möglichkeiten in der Vergangenheit wenig Gebrauch gemacht wurde. Die personelle Ausstattung der Asylbehörden war bereits bisher unzureichend. Seit der Neustrukturierung des Asylbereichs 2014 kam und kommt es zu monatelangen Wartezeiten auf erste Einvernahmen von neu angekommenen Flüchtlingen.

Kurz, die personellen Kapazitäten reichen hinten und vorne nicht aus, um nur die laufenden Aufgaben in einem zumutbaren Zeitrahmen zu erledigen. Für die Asylbehörden wäre die Überprüfung aller positiven Asylentscheidungen – selbst wenn die Neuregelung erst in drei Jahren schlagend wird – nicht zu bewältigen. Angesichts der dramatischen Situation der Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan ist zudem generell die Sinnhaftigkeit der Änderung zu bezweifeln, denn eine Rückkehr in Sicherheit und Würde ist aufgrund der Dauer und der Wucht der Konflikte nicht absehbar.

Integrationsbarriere durch unsicheres Aufenthaltsrecht

Wenig bedacht wurde wohl bei diesem Vorschlag, dass Aufenthaltssicherheit Integration fördert, wohingegen Unsicherheit über den Aufenthalt sich sowohl objektiv als auch subjektiv negativ auf die Integration auswirkt. Dabei ist nicht nur die Motivation, sich um den Spracherwerb zu bemühen und beruflich Fuß zu fassen betroffen: VermieterInnen und ArbeitgeberInnen könnten davon abgehalten werden, Menschen mit beschränktem Aufenthaltsrecht eine Wohnung zu vermieten oder sie als MitarbeiterInnen einzustellen, einzuschulen und mit ihnen die berufliche Karriere zu planen. Nachdem die Regierung gerade erst bemerkt hat, wie wichtig Integration und integrationsfördernde Maßnahmen sind, erscheint es umso erstaunlicher, dass solche Integrationsbarrieren errichtet werden sollen.

Familienleben ist wichtig für Integration

Eine weitere Abschreckungsmaßnahme ist die Beschränkung des Nachzugs von Familienangehörigen. Auch sie wird negative Effekte auf die Integration haben, ist doch das Zusammenleben mit der Familie ein weiterer wichtiger Faktor der psychischen Stabilisierung und mit Auswirkungen auf die Integration verbunden. Gerade Kinder eröffnen neue Räume und Möglichkeiten, gemahnen auch an Verantwortung.

Asylberechtigte sollen künftig nur innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung des Status ihre Familienangehörigen – also Gatte bzw. Gattin und minderjährige Kinder – mit Visum und ohne weitere Bedingungen nachholen können. Nach Ablauf dieser viel zu kurzen Frist müssten die anerkannten Flüchtlinge nachweisen, dass sie den Unterhalt der Familienangehörigen bestreiten können sowie über ortsüblichen Wohnraum und Versicherung verfügen. Für mehrköpfige Familien können diese Bedingungen dazu führen, dass sie auf Jahre getrennt bleiben. Die Alternative wird sich wohl niemand wünschen: dass nämlich die Familienangehörigen sich auch auf die gefährliche Flucht mit SchlepperInnen begeben und illegal einzureisen versuchen.

Subsidiär Schutzberechtigte sollen laut Änderungsvorschlag überhaupt erst nach drei Jahren ihre Angehörigen auf legalem Weg nachholen können, allerdings nur unter den genannten Voraussetzungen: Arbeit, Wohnung, Versicherung. Eine Ausnahme von diesen Voraussetzungen wird hier nur für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gemacht.

Zahlreiche Hürden für die Angehörigen bis zur Visumserteilung

Bei dieser vorgeschlagenen Änderung argumentiert das Innenministerium damit, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie der EU eine Drei-Monats-Frist vorsehe, verschweigt allerdings, dass es jedem Mitgliedsstaat frei steht, günstigere Regelungen beizubehalten. Außerdem ist eine so kurze Frist nur dann praktikabel, wenn der Antrag auf Familienzusammenführung von der Bezugsperson, die den Status erhalten hat, gestellt werden kann. Das österreichische Asylgesetz sieht jedoch vor, dass die im Herkunftsland verbliebenen Angehörigen den Antrag bei einer österreichischen Botschaft stellen müssen. Diese befinden sich oft in einem der Nachbarstaaten, wo unter Umständen Einreiserestriktionen zu bewältigen sind, möglicherweise müssen die Angehörigen erst Pässe und andere Dokumente wie Heirats- oder Geburtsurkunden besorgen. Ob das alles binnen drei Monaten zu schaffen wäre, ist unklar. Dasselbe gilt für die Frage, wie und ob der Schutz des Familienlebens, der in Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist, noch gewährleistet wäre.

Es bleibt also kein gutes Haar an diesem Änderungsvorschlag – und der Wunsch, das Vorhaben einzustampfen. Diese Forderung wird von allen NGOs und vielen Institutionen geteilt. Hoffen wir auf ein gutes neues Jahr.

Anny Knapp ist seit der Gründung im Jahr 1991 Obfrau des Vereins Asylkoordination Österreich

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