Mitte Oktober protestierten inhaftierte Migrant:innen im slowakisch-ungarischen Grenzort Medved’ov gegen „unmenschliche Haftbedinungen”. Wie ist die Lage nach dem Ende des Hungerstreiks? mosaik-Redakteurin Sarah Yolanda Koss hat sich erkundigt.
Vor drei Wochen brachen inhaftierte Migrant:innen im ungarisch-slowakischen Grenzort Medved’ov ihren Hungerstreik ab. Damals hingen Banner aus den Fenstern der Anstalt, auf die sie unter anderem „They kill us slowly” geschrieben hatten – „Sie töten uns langsam”. 45 Personen haben sich laut slowakischen Medienberichten an dem fünftägigen Hungerstreik beteiligt. In einem Instagram-Post erklärten sie, sie würden nicht über ihre Rechte informiert, hätten keinen Kontakt zur Außenwelt, zu Übersetzer:innen oder Anwält:innen und ihre Haftbedingungen seien unhygienisch.
Besonders ging es ihnen aber um ihre ständige Unsicherheit, wie Feyzullah erzählt. Er ist momentan in Medved’ov inhaftiert: „Es gibt hier kein System und keine Regeln. Jeder sagt etwas anderes. Einer sagt, die Polizei kann dich hier einen Monat anhalten, ein anderer zwei, der nächste sagt 18 Monate”. Laut Feyzullah würden viele Inhaftierte in Medved’ov unzureichend informiert. Ein irakischer Mitgefangener hätte ein Dokument erhalten, auf dem ihm ein Ausreisedatum nach zwei Monaten Anhaltung bescheinigt worden wäre. Nach Ablauf der zwei Monate hätten ihm Beamte ein neues Dokument ausgehändigt, laut dem er zwei weitere Monate in Medved’ov bleiben sollte. Inhaftierten Geflüchteten sollen Vertreter:innen der Organisation Frontex erklärt haben, ihre einzige Möglichkeit auf Entlassung wäre, die Heimreise anzutreten. Von Asylanträgen sei bei den Besuchen von Frontex keine Rede gewesen.
Der „Unruhestifter”
Feyzullah ist in Deutschland aufgewachsen. Er spricht Türkisch, Kurdisch, Deutsch und Englisch. Die Beamten vor Ort sehen ihn darum inzwischen als „Troublemaker”, als Unruhestifter, erzählt er. Denn er versucht, für die anderen Inhaftierten zu übersetzen und ihnen zu zeigen, dass sie sich nicht alles gefallen lassen müssen: „Wir haben hier keine Namen, nur Nummern. Meine Nummer ist zum Beispiel 538. Man soll Leute doch nicht wie Dreck behandeln. Ich finde es schrecklich, dass es so etwas in Europa gibt”.
Der Gefängnisdirektor von Medved’ov ist momentan nicht für ein Statement erreichbar. Er ist seit kurzem, und für mehrere Wochen, auf Urlaub. Sein Stellvertreter verweist auf die örtliche Polizei. Diese sagt, das Vorgehen der Beamten in Medveďov sei gesetzeskonform. Hinter der Darstellung der Inhaftierten stehe der Versuch, aus der Einrichtung entlassen zu werden.
Anders sieht es der örtliche Bürgerbeauftragte oder auch Ombudsmann, Róbert Dobrovodský. Sein Besuch in Medved’ov ist der Grund für das Ende des Hungerstreiks, wie Feyzullah erzählt. Denn „Robert” habe ihnen versprochen, sie zu unterstützen. Feyzullah duzt den Bürgerbeaufrtragten, so wie alle Personen, von denen er spricht. Bürgerbeauftragte haben einen kritischen Blick auf Behörden, aber kein Handlungsmandat. Wenn, wie hier, ein missbräuchliches Vorgehen der Behörden im Raum steht, kann der Ombudsmann den Fall untersuchen und Empfehlungen aussprechen oder, im äußersten Fall, die Staatsanwaltschaft dazu anhalten, ein Verfahren einzuleiten.
Noch keine Veränderungen
Deswegen hat sich seit dem Besuch von Dobrovodský auch noch nichts Maßgebliches geändert. Außer, dass einige Personen, die auf Asyl warteten, plötzlich am nächsten Tag entlassen wurden. Aus dem Büro des Ombudsmanns heißt es, die Untersuchung müsse erst ausgewertet werden. Der Ombudsmann habe bereits einen „ähnlichen Ort” wie Medved’ov besucht und wolle einen Gesamtbericht zu seinen Erkenntnissen präsentieren. Bisher gäbe es aber viele Hinweise darauf, dass die Vorwürfe der Inhaftierten zuträfen. Der Zustand in Medved’ov läge, so eine Angestellte von Dobrovodský, an Personalmangel und Überlastung. Feyzullah hat eine eigene Theorie zu den Vorgängen: „Sie warten bis wir durchdrehen und sagen, wir wollen zurück in unser Land”.