“Fan.tastic Females” : Wie eine Ausstellung Frauen im Fußball sichtbar macht

Die Ausstellung „Fan.tastic Females“ tourt seit September 2018 durch ganz Europa. Mit Porträts und Videos will sie weibliche Fußballfans sichtbar machen. Jetzt ist die Ausstellung auch in Wien zu sehen.

„Die Anfeindungen sind oft sehr persönlich“, sagt Linda. „Das ist im Fußball schon besonderes dramatisch.“ Linda war früher Teil der aktiven Fanszene des FSV Zwickau, war Mitglied der Ultragruppe Red Kaos und eine der wenigen Frauen, die sich dort bewegten. Rivalisierende Fangruppen hätten sie öfter angegriffen – nicht nur physisch, sondern auch mit Spruchbändern im Stadion, die alleine ihr gewidmet waren. Später wird sie eine der Mitbegründerinnen des Netzwerks „Ultras No Boys“, die Treffen von weiblichen Ultras in ganz Deutschland organisiert. „Ich hätte mir gewünscht, dass es so etwas gegeben hätte, als ich aktiv war“, sagt sie. „Dann hätte ich viel früher gewusst, dass ich nicht alleine bin.“

Zwischen Weststadion und Friedhofstribüne

Linda ist eine der 79 Frauen, die bei der Ausstellung „Fan.tastic Females“ porträtiert werden. Weibliche Fans von Klubs aus ganz Europa stellen sich dort vor. Seit einem Jahr ist „Fan.tastic Females“ auf Tour, nun ist die Ausstellung auch in Österreich zu sehen. Nach Stationen in Innsbruck und Graz kann man die Ausstellung jetzt in Wien sehen. „Es ist sehr schön, dass das geklappt hat“, sagt Organisatorin Ines Schnell. „Wie wichtig das ist, haben wir bei der Eröffnung in Wien ja gesehen.“

Knapp 130 Leute kamen am vergangenen Donnerstag. Der Ausstellungsraum des Vereins „ega. Frauen im Zentrum“ war gut gefüllt. „Was mich besonders gefreut hat, war, dass so viele Rapid-Fans da waren“, sagt Schnell. „Damit habe ich nicht gerechnet.“ Immerhin versteht sich der Großteil der Fankurve dort als unpolitisch. In Wirklichkeit heißt das: Linke und rechte Symbole und rassistische Botschaften haben keinen Platz, sexistische und homophobe Gesänge aber sehr wohl. Anders ist das bei zwei anderen Wiener Vereinen: Bei der Vienna und dem Sport-Club sind viele Fans selbst politisch aktiv und linke Positionen die Mehrheitsmeinung. Die Vienna-Fans widmeten am vergangenen Freitag der Ausstellung sogar eine eigene Choreografie. „Aber durch die Ausstellung kommt man ins Gespräch“, sagt Schnell, die selbst Vienna-Fan ist. „Wir haben uns schon beim Organisieren besser kennengelernt.“

Unsichtbare Arbeit

Seit April liefen die Vorbereitungen, um „Fan.tastic Females“ nach Österreich zu holen. Ein Team an zwölf Frauen kristallisierte sich wenig später als Kerngruppe heraus. Die Erleichterung, dass alles reibungslos funktionierte, war ihnen bei der Eröffnung anzusehen. Kollektiv umarmten sie sich am Ende des Rahmenprogramms. „Die meiste Arbeit sieht man gar nicht“, sagt Schnell. „Wir haben überlegt, ob wir alles, was wir tun mussten, bei der Eröffnung vorlesen sollen. Aber dann hätte das sieben Stunden gedauert.“

Denn es war weit mehr zu tun als die Koordination mit Football Supporters Europe, dem Netzwerk, das die Ausstellung initiiert hat und dem die Exponate gehören, sowie die Sicherstellung der Finanzierung. In vier österreichischen Städten brauchte es Räume, ein Rahmenprogramm und Auf- und Abbau. Außerdem hat das Team eine Broschüre herausgegeben, in der 14 Frauen aus Österreich über die Beziehung zu ihrem Verein schreiben. „Es ist wirklich erleichternd, jetzt zu sehen, dass sich das alles ausgezahlt hat.“

Auszahlen tut sich ein Besuch in jedem Fall. Die Ausstellung ist multimedial. Auf Rollups, die im Raum verteilt stehen, werden die Fans nur kurz vorgestellt. Wer mehr erfahren will, muss den QR-Code, der daneben aufgedruckt ist, einscannen – und bekommt ein Interview mit der vorgestellten Frau zu sehen. Das sind nicht nur Ultras wie Linda oder Sabine Karl, die als eine der GründerInnen von Ultras Rapid ebenfalls porträtiert wird. Auch ganz gewöhnlichen Fans, Vorkämpferinnen und Netzwerken widmet die Ausstellung Kurzvideos.

Kurdischer Ursprung

„Als wir angefangen haben, wussten wir nicht genau, was wir zeigen wollten“, sagt Naz Gündogdu, die fast die Hälfte der Videos aufgenommen hat, im Rahmen der Eröffnung. „Wir wollten einfach zeigen, wie viele weibliche Fans es gibt.“ Also sei sie 2016 mit zwei Kolleginnen nach Diyarbakir, wo der SK Amed seine Heimspiele austrägt, geflogen und habe zu suchen begonnen. Gefunden haben sie Gülistan Tanrıverdi, die dort zu jedem Match geht. „Seit ich die Stimmung bei meinem ersten Spiel erlebt habe, konnte ich die Tribünen nicht mehr verlassen“, sagt sie im Video. Das sei auch möglich, weil im kurdisch-geprägten Diyarbakir Frauen mehr Wertschätzung entgegen gebracht werde als in anderen Teilen der Türkei.

Im September 2018 eröffnete „Fan.tastic Females“ dann erstmals – im Hamburger Millerntor-Stadion des FC St. Pauli. Danach ging es quer durch Deutschland und die Schweiz. Dazwischen machte die Ausstellung sogar einen Abstecher nach Lissabon. Wien ist jetzt die dreißigste Station. Danach geht es weiter nach Linz, wo man sich „Fan.tastic Females“ vom 20. bis zum 30. November anschauen kann. „Der Spirit ist der, von dem auch Linda in ihrem Video erzählt“, sagt Ines Schnell. „Auch aus den Scheißerfahrungen, die wir Frauen regelmäßig in Stadien machen, können wir etwas Geiles machen.“

Veranstaltungshinweis: Noch bis zum Samstag ist „Fan.tastic Females“ im Wiener ega (Windmühlgasse 26, 1060 Wien) zu sehen. Am 14. November findet ab 19:00 ein Gesprächsabend mit „Kicken ohne Grenzen“ statt, am 15. ist die Wissenschaftlerin Judith von der Heyde zu Gast, um über ihre Forschung zu Geschlechterverhältnissen in Ultra-Gruppen sprechen.

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