Warum Peter Pilz kein Opfer einer Rufmordkampagne ist

Die erste öffentlichkeitswirksame Handlung der Partei „Liste Peter Pilz“ ist die Diffamierung des Betroffenenschutzes im Gleichbehandlungsgesetz. Warum es diesen zu verteidigen gilt und warum Peter Pilz keineswegs Opfer einer Rufmordkampagne wurde, erklärt Marion Stoeger.

Seitdem in den Medien über Vorwürfe der sexuellen Belästigung zweier Frauen berichtet wurde, wiederholen sowohl Peter Pilz als auch sein Leibanwalt, der zukünftige Nationalratsabgeordnete Alfred Noll, unentwegt den gleichen Vorwurf: Die durch das Gleichbehandlungsgesetz geschaffenen Verfahren seien nicht rechtsstaatlich.

Konkret würden sie dem Beklagten keine Möglichkeit eines fairen Prozesses einräumen und seien daher wie geschaffen für parteiliche Einflussnahme sowie Rufmordkampagnen. Nun wird Peter Pilz als Gründungs- und langjähriges Mitglied einer Partei, die „feministisch“ als einen ihrer sechs Grundwerte definiert, die gesellschaftliche Bedeutung und Funktion dieses Gesetzes bewusst sein. Aus einem Artikel im Falter geht jedenfalls hervor, dass sein Anwalt Alfred Noll mit dem genauen Gesetzestext vertraut ist.

Was ist das Gleichbehandlungsgesetz?

Das österreichische Gleichbehandlungsgesetz soll Personen in allen Lebenslagen vor Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität und der ethnischen Zugehörigkeit schützen. Im Falle des Arbeitsmarkts kommt zusätzlich der Schutz vor Benachteiligung aufgrund des Alters, der sexuellen Orientierung, der Religion oder der Weltanschauung hinzu – und eben auch der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

Das Gleichbehandlungsgesetz wurde 1979 unter der Staatssekretärin Johanna Dohnal eingeführt und seit 2004 mehrfach reformiert, um den weiterreichenden EU-Richtlinien zu entsprechen. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie die Gleichbehandlungskommission sind Institutionen, die zur Beratung und Unterstützung von Personen geschaffen wurden, die sich gegen eine Diskriminierung wehren und ihr Recht auf Gleichbehandlung durchsetzen wollen.

Was tut die Gleichbehandlungsanwaltschaft?

Bekanntlich erfolgt Diskriminierung entlang von Machthierarchien in der Gesellschaft und in Arbeitsverhältnissen. Dadurch sind betroffene Personen überwiegend sozial und finanziell schlechter gestellt als die Täter_innen und stehen zu diesen in Abhängigkeitsverhältnissen. Strebt die betroffene Person eine Beschwerde an, besteht neben der emotionalen Belastung die Gefahr einer Kündigung. Bei Gerichtsverfahren ergibt sich das finanzielle Risiko der Prozesskosten und bei Anzeigen wegen sexueller Belästigung kommt die schwierige Beweislage hinzu, da Übergriffe zumeist ohne Öffentlichkeit stattfinden.

Um diese strukturelle Benachteiligung der von Diskriminierung betroffenen Personengruppen auszugleichen, stellt das Gleichbehandlungsgesetz einige unterstützende Maßnahmen zur Verfügung. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft als niederschwellige Beratungsstelle soll Beschwerden ohne Gerichtsverfahren ermöglichen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Vorwürfe zu dokumentieren und die betroffene Person bei weiteren Schritten zu unterstützen. Gerade die dafür notwendige Parteilichkeit kritisierte Pilz als höchst tendenziöses Agieren, das auf eine politische Intrige gegen ihn hinweise.

Als nächsten Schritt kontaktiert die Gleichbehandlungsanwaltschaft die Arbeitgeber_innen der betroffenen Person, welche die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe abwägen und auf Grundlage der Fürsorgepflicht für alle Mitarbeiter_innen tätig werden müssen. Genau dies tat die Geschäftsführung des Grünen Parlamentsklubs, als sie der Bitte der Mitarbeiterin auf Versetzung folgte und entschied, Pilz nur noch männliche Mitarbeiter zuzuteilen.

Stigmatisierungskampagne, nicht Rufmordkampagne

Peter Pilz mag es als verletzend empfunden haben, dass seine Kolleg_innen im Grünen Klub der Schilderung der Mitarbeiterin über die sexuelle Belästigung mehr Glauben schenkten als seiner Version der Geschichte, die – wie bei solchen Verteidigungsstrategien sehr üblich – auf einen Arbeitskonflikt verwies. Das ist jedoch keine Rufmordkampagne.

Die Vorwürfe wurden nur dem gesetzlich notwendigen Personenkreis bekannt gemacht und unterlagen der Verschwiegenheit. Letzteres entsprach auch dem Wunsch der betroffenen Person. Die Dokumentation der Vorwürfe hätte aus Gründen des Betroffenenschutzes  nicht durch die Medien veröffentlicht werden dürfen. Nur in diesem Punkt ist Pilz Recht zu geben und seine Ankündigung, ein rechtliches Verfahren gegen die beteiligten Zeitungen anstreben zu wollen, begrüßenswert.

Ansonsten reagiert Pilz auf das Bekanntwerden der Vorwürfe sexueller Belästigung seinerseits mit einer Stigmatisierungskampagne gegenüber seiner ehemaligen Mitarbeiterin. Dabei kann er sich in seinen Ausführungen nicht ganz entscheiden, ob er sie als böswillige Lügnerin darstellen soll, die sich für eine verweigerte Beförderung rächt, oder als instrumentalisiertes Opfer seiner politischen Gegner_innen.

Kein faires Verfahren?

Der von Peter Pilz erhobene Vorwurf der Verweigerung eines fairen Verfahrens bezieht sich vorwiegend darauf, dass die Beschwerde nicht an die Gleichbehandlungskommission weitergeleitet wurde. Dadurch wären ihm die Vorwürfe schriftlich übermittelt worden. Auch dieses Gremium dient der Schlichtung und Vermeidung von Gerichtsprozessen.

Betroffene Personen wenden sich in der Regel an diese Instanz, wenn sie die Reaktion der Arbeitgeber_innen als zu gering erachtet. Nachdem die Mitarbeiterin allerdings mit der Entscheidung des Grünen Klubs einverstanden war, sie an eine andere Arbeitsstelle zu versetzen, gab es für sie keinen Anlass, sich an die Gleichbehandlungskommission zu wenden.

Dieser Schritt hätte außerdem ein massives finanzielles Risiko bedeutet, denn Peter Pilz drohte der Mitarbeiterin auf Anraten seines Anwaltes Alfred Noll ab dem Moment ihrer Beschwerde mit einer Verleumdungsklage. Diese konnte sie nur dadurch abwenden, dass Pilz die Vorwürfe nicht schriftlich vorlagen.

Das Peter Pilz widerfahrene „Unrecht“

Das „Unrecht“, das Peter Pilz angetan wurde, liegt einzig darin, dass es ihm nicht gelang, mittels der finanziellen Ressourcen, die sich aus einem über 30 Jahre gehaltenen Nationalratsmandat ergeben, eine junge Parlamentsclubmitarbeiterin auf Verleumdung und üble Nachrede zu klagen.

Ein solches Strafrechtsverfahren hätte im Gegensatz zum Gleichbehandlungsgesetz tatsächlich eine uneingeschränkte Beweislastumkehr vorgesehen. In diesem Fall jedoch zuungunsten der Beklagten.

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