Warum Streik die einzige Sprache ist, die Metall-Industrielle verstehen

Auch die fünfte Runde der Lohnverhandlungen in der Metallindustrie hat kein Ergebnis gebracht, die Unternehmer bleiben hart. Vor der entscheidenden sechsten Verhandlungsrunde, die heute stattfindet, setzt die Gewerkschaft auf Kampfmaßnahmen und die Mobilisierung der eigenen Basis, berichtet Gernot Trausmuth.

Vier Runden lang weigerten sich die UnternehmerInnen der Metallindustrie überhaupt ein Angebot zu legen. Die Provokationen gingen sogar so weit, dass einer ihrer VerhandlungsführerInnen, Veit Schmid-Schmidsfelden, nicht einmal die österreichische Inflationsrate als Verhandlungsbasis akzeptieren wollte. Mit anderen Worten: Selbst die Teuerungsabgeltung wollten die Industriellen ihren Beschäftigten vorenthalten.

Bei der fünften Verhandlungsrunde am Dienstag kam endlich Bewegung ins Spiel. Man einigte sich auf eine Inflationsrate von 1,9 Prozent und der Fachverband der Unternehmer machte den Vorschlag, die Löhne und Gehälter um diesen Wert zu erhöhen. Real hätte das bestenfalls eine Nulllohnrunde für die 130.000 MetallerInnen bedeutet.

Verhandlungsmarathon

Dem stand die Lohnforderung der Gewerkschaft von 4 Prozent entgegen, sowie eine Reihe von Forderungen nach Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, wie etwa die Einführung des „Papamonats“ und Anrechnung von Elternkarenzzeiten.

Die ganze Nacht lang wurde verhandelt, obwohl man sich im Vorfeld darauf geeinigt hatte, dass um 22 Uhr abgebrochen werden soll, wenn kein Ergebnis in Sicht ist. Wer die Herbstlohnrunden der letzten Jahre verfolgt hat, konnte schon ahnen, wie das ausgehen kann. Ein solcher Verhandlungsmarathon endete schon öfter in einem Abschluss weit unter den ursprünglichen Gewerkschaftsforderungen. Doch diesmal kam es anders. Die Unternehmen wollten auch nach stundenlangem Feilschen nicht mehr als 2,5 Prozent Lohnerhöhung zulassen.

Kampf trotz Frustration

In den vergangenen Jahren sorgten solche faulen Kompromisse für viel Frustration in den Belegschaften. Und auch unter den Betriebsräten hat dies eine skeptische Stimmung gegenüber der Strategie der Gewerkschaft befördert. Warum sollen die BetriebsrätInnen die Belegschaft mobilisieren, sich dadurch einen Konflikt mit den eigenen BetriebsleiterInnen einhandeln, wenn dann erst nur ein Kompromiss rausschaut? Und zum Schluss lassen die KollegInnen in der Werkshalle ihren Unmut darüber dann noch am Betriebsrat aus.

Das erklärt auch, warum gar nicht so wenige BetriebsrätInnen sehr zögerlich gegenüber gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen sind. Die Betriebsversammlungen nach der vierten Runde haben aber gezeigt, dass trotz Skepsis gegenüber der Gewerkschaft eine sehr kämpferische Stimmung in den Belegschaften vorherrscht. Die Kampfbereitschaft hat sich nach dem Scheitern der fünften Verhandlungsrunde noch verstärkt.

Streik oder Einigung

Für die Gewerkschaft gab es nach dem Abbruch der Verhandlungen keinen anderen Weg, als den Druck in den Betrieben zu erhöhen und mit Streik zu drohen. Der ÖGB hat den MetallerInnen die Streikfreigabe erteilt, doch setzt die Gewerkschaft nicht auf sofortige Eskalation.

Umgekehrt zündelt der Fachverband der Metallindustrie nach der fünften Runde weiter. Ihr Verhandlungsführer Knill hat angekündigt, dass die Unternehmen die 2,5 Prozent mehr Lohn, die sie am Verhandlungstisch angeboten haben, an die eigenen Belegschaften zahlen wollen, aber eben ohne kollektivvertragliche Regelung. Damit wollten sie einen Keil zwischen die Beschäftigten treiben. Das ist eine durchaus eine geschickte Vorgangsweise.

Doch noch eine Verhandlungsrunde

Doch die Stimmung in den Betrieben bietet Rückenwind für die Gewerkschaft. In diesen Tagen werden landesweit Betriebsversammlungen abgehalten. Die Gewerkschaft spricht von 400 Betrieben aus allen Fachverbänden, wo über den Stand der Verhandlungen berichtet und Streikbeschlüsse gefasst werden.

Bis Montag Abend müssen die Arbeitgeber wieder zum Verhandlungstisch zurückkehren, wenn dann kein Ergebnis am Tisch liegt, kommt es zum Streik. Mit diesem Ultimatum zeigt die Gewerkschaft, dass sie den Streik nur als allerletztes Mittel einsetzen will. Ihre Hoffnung ist, dass die Streikbeschlüsse in den Betriebsversammlungen ausreichen, um die Industriellen „zur Vernunft zu bringen“. Nun haben Knill & Co. unter dem Eindruck unzähliger Streikbeschlüsse tatsächlich einer neuerlichen Verhandlung für heute, Donnerstag zugestimmt. Alles deutet nun auf einen Abschluss hin.

Bedingungen für einen Sieg

Die Rückkehr der Industriellen an den Verhandlungstisch bedeutet noch keinen Erfolg. Nur wenn der Druck weitersteigt, lassen sich die Forderungen auch wirklich durchsetzen. Dafür wird es auf die Belegschaften ankommen. Nur wenn sie in Betriebsversammlungen klar machen, dass sie keine faulen Kompromisse akzeptieren und Streikbeschlüsse fällen, besteht eine echte Chance. Das wird nur gelingen, wenn kämpferische KollegInnen selbst die Initiative ergreifen.

Sollte es tatsächlich zu Streiks kommen, müssen diese wirtschaftlich weh tun und auch den Kampf, um die Öffentlichkeit führen. Schon jetzt hat der ORF allerlei „ExpertInnen“ (SoziologInnen, KonfliktforscherInnen) aufgeboten, um in der öffentlichen Meinung ja keine Sympathie für einen Arbeitskampf aufkommen zu lassen und die Gewerkschaft als Unruhestifter darzustellen.

Potential für Solidarität

Die Forderungen nach 4 Prozent Lohnerhöhung und nach Verbesserungen der Arbeitsbedingungen haben das Potential, große Unterstützung in der Bevölkerung zu erfahren. Die Stimmung in den Betrieben zeigt, dass diese Forderungen dem entsprechen, was die KollegInnen als notwendig erachten. Die Voraussetzung ist aber, dass die Gewerkschaft das Gefühl vermittelt, dass sie es ernst nimmt und sich nicht auf faule Kompromisse einlässt.

Nicht unterschätzen sollten wir in dieser Situation die Wirkung praktischer Solidarität. Die aktive Teilnahme an Streikposten vor Betrieben bzw. an öffentlichen Kundgebungen, Verkehrsblockaden usw. ist mehr als gefragt. Derzeit formiert sich auch eine Initiative von Vätern, die speziell rund um die Forderung nach dem „Papamonat“, Solidaritätsaktionen organisieren wollen, um zu zeigen, dass der Kampf der MetallerInnen uns alle angeht und unsere eigenen Kämpfe befördern kann.

Auftakt zu Widerstand gegen Schwarz-Blau

Der Arbeitskampf der MetallerInnen ist in der Tat von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Er erfährt durch die Bildung einer schwarz-blauen Regierung eine besondere politische Bedeutung. Die zukünftigen Auseinandersetzungen um die Zukunft der Sozialpartnerschaft haben hier ihre Generalprobe. Die Ausgangslage für diese Kämpfe wird jetzt entschieden. Bei einem faulen Kompromiss würden die Bürgerlichen sofort in die Offensive gehen.

Angesichts von Schwarz-Blau müssen sich die Gewerkschaften zukünftig als Kampforganisationen  bewähren. Die Gegenseite hat sich für diese neue Phase des Klassenkampfs längst neu aufgestellt. Die Gewerkschaft wird darum nicht herumkommen. Dies ist die Voraussetzung um Kämpfe wie jetzt um den Kollektivvertrag der MetallerInnen gewinnen zu können.

 

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