Warum eine Vermögenssteuer nicht ausreicht

Wieder einmal diskutiert Österreich über Vermögenssteuern. Doch das Hickhack zwischen SPÖ und Grünen ist entlarvend. Statt ewig über symbolische Vermögenssteuern von einem Prozent zu sprechen, müssen wir Vermögen und Macht massiv umverteilen. Der Attac-Vorschlag für einen Corona-Lastenausgleich geht hier in die richtige Richtung, argumentiert Mosaik-Redakteur Martin Konecny.

Werner Kogler meinte vor kurzem noch (ganz privat), eine Vermögens- und Erbschaftssteuer sei jetzt eine gute Idee. Doch inzwischen ist er zur Überzeugung gelangt, dass man darüber vielleicht lieber in ein paar Jahren nochmal nachdenken sollte. Auf Twitter und Facebook empören sich daraufhin die sozialdemokratischen Kommentator*innen und schreien „Umfaller!“ Die Grünen antworten ebenso empört, die SPÖler*innen seien selbst Umfaller. Sie hätten doch einst die Vermögenssteuer abgeschafft und es in Jahrzehnten an der Regierung nicht geschafft, sie wieder einzuführen. Die ÖVP freut all das bestimmt. Die Debatte entlarvt beide Seiten, SPÖ wie Grüne, und ist zugleich eine Themenverfehlung.

Ob SPÖ oder Grüne: Ausrede ist die ÖVP

Die Diskussion um Vermögenssteuern ist kindisch und zeigt, dass sowohl SPÖ als auch Grüne Umfaller ohne eigenes politisches Projekt sind. Beide reden sich auf die ÖVP aus, weil sie unfähig sind, Forderungen wie jener nach Vermögenssteuern irgendeine nennenswerte Kraft zu verleihen.

Es ist vollkommen schleierhaft, warum man einer dieser beiden Parteien zutrauen sollte, diese (oder auch andere Forderungen) ernsthaft zu verfolgen und durchzusetzen. In ihrem Zank beweisen sie nur, dass sie beide in der Kritik der anderen Recht haben, ohne fähig zu sein, deren Fehler selbst zu vermeiden.

Rollentausch statt Kurswechsel

Das hat auch damit zu tun, welche Rolle SPÖ und Grüne in unserer ausgehöhlten Demokratie spielen. Abseits von Staat und Regierung existieren sie kaum noch als politische Kräfte. Einmal in der Verantwortung, vermitteln sie bloß die Politik der Regierungsapparate, in denen stets das Kapital dominiert.

Zwischen Regierung und Opposition tauschen sie ihre Rollen beliebig aus. In der Regierung ist die Sozialdemokratie das eine: pure Verantwortung und absoluter Kompromiss. Gerät sie in Opposition oder Wahlkampf, ist sie das andere und versucht sich mit Forderungen nach Vermögenssteuern und ähnlichem zu profilieren. Damit lässt sie die roten Herzen höher schlagen. Aber die in der Opposition gefundenen Prinzipien und Schärfe bedeuten keinen Kurswechsel, sondern nur einen Rollentausch. Nicht anders verhält es sich mit den Grünen – nur ist diese Erfahrung für sie auf Bundesebene neu.

Vermögenssteuern als Symbolpolitik

Dabei ist die seit Jahrzehnten geführte Debatte um eine Vermögenssteuer vor allem Symbolpolitik. Das gälte selbst dann, wenn sie eines Tages doch käme. Wenn wir nämlich in Österreich über Vermögenssteuern sprechen, dann geht es meistens um eine Steuer von etwa einem Prozent für Vermögen über einer Million Euro.

Eine Vermögenssteuer von einem Prozent liegt, wie der obige Tweet zeigt, gerade für die Allerreichsten weit unter ihrer jährlichen Rendite. Ihr Anspruch auf unsere Arbeit und unsere Ressourcen würde weiter wachsen, die Ungleichheit weiter zunehmen – nur eben etwas langsamer. Das war schon vor Corona nicht ausreichend. Jetzt, in der immensen Krisensituation, ist es das noch viel weniger. Was es braucht sind nicht zwei oder drei Milliarden Mehreinnahmen für die öffentliche Hand, sondern ein massives Zusammenschrumpfen und die Vergemeinschaftung des Vermögens des reichsten Prozents.

Der Skandal ist die Macht, die sie über uns haben

Die Vermögensverteilung ist eine Machtfrage. Denn in unserer kapitalistischen Gesellschaft, in der das Kapital und seine endlose Anhäufung im Mittelpunkt steht, bedeuten Kapital und damit Vermögen vor allem eines: Macht. Die Überreichen können sich nicht nur Schlösser und Yachten leisten. Ihr Reichtum liegt nicht auf dem Sparbuch, sondern besteht aus Unternehmensanteilen, wie Aktien und Zinsansprüchen. Sie bestimmen mit ihrem Reichtum wesentlich darüber, wie wir produzieren, konsumieren und leben.

René Benkos Reichtum erlaubt ihm nicht nur, selbst luxuriös zu leben, sondern zu bestimmen, wo was gebaut wird, welche Funktion das Gebaute hat und wer Zugang dazu hat. Dietrich Mateschitz entscheidet nicht nur, wie sein Zuckerlwasser produziert wird, sondern was wir auf Servus TV zu sehen bekommen und ob es dort einen Betriebsrat gibt. Obszön sind die Villen und Privatjets der Superreichen, doch der eigentliche Skandal ist die Macht, die sie über uns haben.

Eine einprozentige Vermögenssteuer wird daran nichts ändern. Was es braucht, ist ein Machtkampf mit diesen Oligarchen um den gesellschaftlichen Reichtum, den wir gemeinsam schaffen. Dazu sind weder SPÖ noch Grüne bereit.

Die Konfrontation suchen

Angesichts der tiefen sozialen, ökonomischen und ökologischen Krise brauchen wir jetzt Maßnahmen, die die direkte Konfrontation mit den Interessen des einen Prozents suchen. Die Corona-Krise bringt ungeheure Lasten für die Gesellschaft. Plötzlich wird deutlich, wie skurril es eigentlich ist, dass wenige Reiche darüber entscheiden, ob in Fabriken klimakillende Autos oder Beatmungsgeräte gebaut werden.

Um das zu ändern, braucht es einerseits den Kampf um die direkte Vergemeinschaftung von Produktionsmitteln, damit diese sinnvollen gesellschaftlichen Aufgaben dienen können. Andererseits benötigen wir den massiven Ausgleich der Vermögensungleichheit. Um einen guten Weg aus der Krise zu finden, müssen wir die vorhandenen gesellschaftlichen und natürlichen Ressourcen vernünftig einsetzen. Wir können sie nicht länger einer superreichen Minderheit überlassen.

In Richtung Vergemeinschaftung

Attac hat jüngst den Vorschlag für einen Corona-Lastenausgleich vorgelegt. Beginnend bei privaten Vermögen über fünf Millionen Euro sollen die Reichsten einen einmaligen Beitrag leisten. Ab einer Milliarde Euro sollen das 60 Prozent sein. Das ersetzt dauerhafte, progressive Vermögenssteuern nicht, aber es ist ein umfassender Einstieg, um den Reichtum und damit die Macht der Oligarchen zusammenzustutzen und den Reichtum für den notwendigen wirtschaftlichen Wandel einzusetzen.

Die Schönheit des Vorschlags besteht darin, dass die Superreichen nicht einfach Bares abliefern können. Es geht auch um ihre Unternehmensanteile oder Immobilien. Er ist also selbst ein Schritt in Richtung Vergemeinschaftung unserer Ökonomie, um sie für andere und bessere Ziele einsetzen zu können.

Wenn wir angesichts der tiefen Krise ernst machen wollen mit dem sozialen und ökologischen Wandel, den auch SPÖ und Grüne beschwören, dann dürfen wir die Konfrontation mit den Superreichen nicht länger scheuen. Die Zeit für Symbolpolitik ist vorbei. Es ist egal, wer wann was zu Vermögenssteuern gesagt hat. Jetzt kommt es darauf an, wer wirklich bereit ist für eine strukturellen Wandel zu kämpfen – vor allem auch von außerhalb der Regierung.

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