Vermögensverteilung: Reichtum ist männlich

Anzug und Uhr

Männer erben mehr, besitzen mehr Betriebe und haben überdurchschnittlich viel Vermögen. mosaik traf Ökonomin Katharina Mader, um mehr darüber zu erfahren.

mosaik: Katharina, du untersuchst Geschlechterverhältnisse und Vermögenskonzentration: Was ist denn jetzt dieser männliche Überreichtum?

Kurz gesagt: Die (großen) Vermögen haben in der Tendenz Männer. Wie diese Kluft – der „Gender Wealth Gap“– ausschaut, wissen wir noch nicht so lange. Erst mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Vermögensdaten lichtet sich das. Vermögen heißt immer auch finanzielle Absicherung und folglich die Möglichkeiten gesellschaftlicher und politischer Teilhabe.  Es ist zwischen Männern und Frauen noch ungleicher verteilt als das Einkommen.

Aber wer hat denn überhaupt Vermögen: Ist das nicht eher ein Oberschichts-Thema?

Eher schon. Über breite Teile der Gesellschaft ist die Verteilung von Vermögen zwischen Frauen und Männern ähnlich, etwa bis zu den unteren 70 Prozent. Unter den höheren Vermögenden hingegen besitzen Männer deutlich mehr Nettovermögen als Frauen. Dabei wird der Unterschied insbesondere im obersten Zehntel schlagend. Dort ist zum Beispiel das Vermögen von männlichen Single-Haushalten doppelt so groß.

Der „Gender Wealth Gap ist aber Ausdruck ungleicher gesellschaftlicher Rollen, Normen und Strukturen ebenso wie von Diskriminierung. Gleichstellungspolitik ist deshalb eine Querschnittsmaterie und kein Luxusproblem. Gerade in Krisenzeiten gibt es die Tendenz, das auf die Seite zu schieben.

Woher kommt das Vermögen überhaupt und was beeinflusst die Vermögensverteilung?

Vermögen kann ich durch Ersparnisse, durch Erbschaften, Schenkungen und eventuell auch durch Scheidungen anhäufen. Gerade in Österreich spielen familiäre und gesellschaftliche Normen eine zentrale Rolle: So prägen konservative und traditionelle Wertvorstellungen Familien- und Mütterbilder. Immer noch übernehmen vorwiegend Frauen unbezahlte Betreuungs- und Hausarbeit. Gerade in Österreich hat der ökonomische Nachteil für Frauen, der durch die Zuschreibung und Ausübung unbezahlter Betreuungsarbeit entsteht, schwerwiegende Auswirkungen für den Vermögensaufbau.

Und wie ist das mit dem Erbe?

In Österreich wird Vermögen ganz wesentlich vererbt: Die meisten Haushalte, die etwas Substantielles erben, gehören zu den obersten zehn Prozent. In diesem obersten zehn Prozent finden sich wenig Frauen. Das deutet darauf hin, dass ihnen niedrigere oder weniger Erbschaften zukommen und bildet einen wesentlichen Faktor für die geringeren Vermögen von Frauen. Dann gibt es auch ganz konkrete geschlechtsspezifische Benachteiligungen beim Erben, angetrieben durch wertkonservative Vorstellungen. Ein klassisches Beispiel ist der landwirtschaftliche Betrieb, der doch lieber an den männlichen Nachwuchs geht.

Wie ist das generell bei Betrieben: Wer hat Unternehmensbeteiligungen, wem gehören die Fabriken?

Obwohl Unternehmensbeteiligungen in Österreich zentral für das Vermögen sind, gibt es dazu wenige Daten und Studien. Wir wissen ein bisschen was: Ein Viertel der Beteiligungen österreichischer GmbHs wird von Frauen gehalten, drei Viertel entfallen auf Männer. Alleineigentümerinnen gibt es sehr wenige, die Quote pendelt so zwischen drei bis vier Prozent, bei den Männern nimmt sie hingegen stetig zu und liegt derzeit bei 24 Prozent.

Vermögensungleichheit und Geschlechterverhältnisse: Wo siehst du da eine Nähe zur derzeitigen Debatte um Teilzeit?

Jede zweite Frau ist in Österreich teilzeitbeschäftigt, ebenso wie drei Viertel aller Mütter von Kindern unter 15 Jahren. Gleichzeitig stellen Frauen den überwiegenden Anteil in den unteren Einkommensklassen dar. Selbes Thema bei der Überrepräsentation von Frauen in Teilzeit: einerseits unbezahlte Betreuungsaufgaben übernehmen, andererseits am Ende des Monats dadurch weniger am Lohnzettel haben. Was das heißt: Wenn ich weniger verdiene, kann ich weniger sparen. Und auch wenn hohe Vermögen nicht „erspart“ werden, könnten sich gerade Frauen eher etwas „weglegen“, wenn sie mehr finanziellen Spielraum hätten. Aus diesem Grund würden politische Anstrengungen zur Umverteilung unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern und zur Verringerung des Gender Pay Gaps positive Auswirkungen auf den „Gender Wealth Gap“ haben.

Welche polit-praktischen Schlüsse ziehst du aus den Befunden?

Erbschaften erklären die Vermögensunterschiede wesentlich. Das bedeutet, Fragen der Besteuerung kommt eine zentrale Rolle bei der Reduktion von Geschlechterungleichheiten im Bereich der Vermögen zu. Gerade in Österreich werden im Vergleich zu anderen europäischen Ländern Vermögen und Erbschaften kaum oder gar nicht besteuert. Die Politik müsste hier ansetzen – auch in dem Bewusstsein, dass eine gerechtere Vermögensverteilung der Benachteiligung von Frauen entgegenwirken kann. Die unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen und Männern sollen in budgetpolitische Entscheidungen integriert werden. Öffentliche Gelder sollten im Sinne einer Förderung von Gleichstellung eingesetzt werden.

Mit explizitem Blick auf die Frage des männlichen Überreichtums, würden zudem Vermögensobergrenzen für die Allerreichsten in erster Linie Männer betreffen und damit Geschlechtergerechtigkeit forcieren. Will man die mit Überreichtum verbundene politische Macht begrenzen, so braucht es eine Obergrenze für Vermögen. Gemeinsam mit einer Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer könnte wesentlich in den Ausbau des Sozialstaates, der Pflege, der Bildung ebenso wie der Wohnungspolitik investiert werden.

Foto: Hunters Race

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