Das Symbole-Gesetz ist eine Gefährdung der Demokratie

Am Dienstag beschloss der Nationalrat die Novelle des Symbole-Gesetzes. Nun sind nicht mehr nur die Symbole von IS und al-Qaida enthalten, sondern auch jene der Grauen Wölfe, der Ustaša und der PKK. Diese Auflistung ist willkürlich und eine ernsthafte Gefahr für die Meinungsfreiheit. Ein Kommentar von Thomas Schmidinger.

Einschränkungen der Meinungsfreiheit sollten in demokratischen Gesellschaften so selten wie möglich sein. Gefestigte Demokratien, wie etwa die USA legen das Recht auf Meinungsfreiheit deshalb oft so weit aus, dass dies auch für totalitäre, faschistische und definitiv antidemokratische politische Bewegungen gilt. Weniger gefestigte Demokratien haben aus unterschiedlichen Erfahrungen der Vergangenheit gelegentlich Meinungsdelikte eingeführt, die zur Verteidigung halbwegs demokratischer Verhältnisse, zum Beispiel gegenüber faschistischen Bewegungen nötig waren. In Österreich ist dies das 1947 beschlossene Verbotsgesetz und das damit in Zusammenhang stehende Abzeichengesetz von 1960, das die Wiederbegründung nationalsozialistischer Organisationen und die Zurschaustellung ihrer Symbole verhindern sollte.

2015 kam hierzu das Symbole-Gesetz, das wiederum Symbole der terroristischen jihadistischen Organisationen „Islamischer Staat“ und al-Qaida unter Strafe stellte. Seither können sowohl IS- als auch NS-Symbole mit 4000 Euro oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Monat bestraft werden. Schon 2015 fürchteten KritikerInnen des neuen Gesetzes, dass dieses einen Tabubruch darstellen und später beliebig ausgeweitet werden könnte. Bei IS und al-Qaida konnte man immerhin noch argumentieren, dass es sich dabei um aktive Terrororganisationen handelte. Sie führten in Europa Anschläge durch, waren also eine unmittelbare Sicherheitsbedrohung für Österreich, und hatten im Irak gerade einen Genozid verübt.

Willkür in Gesetzestext

Mit der diese Woche beschlossenen Novelle des Gesetzes wird dies jedoch zu in Gesetzestext gegossene Willkür. Ohne jegliche inhaltliche Begründung wurde eine Auswahl neuer Symbole von Organisationen verboten, die aus Sicht einer von Rechtsextremisten durchsetzen Regierung als extremistisch gelten. Dass darunter wenig klassisch deutschnationale rechtsextreme Symbole zu finden sind, ist daher wenig überraschend. Wer gehofft hätte, dass Symbole der Identitären oder der Reichsbürger verboten würden, ist naiv. Auch serbische oder russische Rechtsextreme, zu denen die FPÖ Verbindungen hat, wurden ausgespart.

Stattdessen werden nun Symbole von so unterschiedlichen Gruppierungen wie der Muslimbruderschaft, der Grauen Wölfe, der ArbeiterInnenpartei Kurdistans (PKK), der Hamas, der kroatischen Ustaša oder der libanesische Hizbollah verboten und mit bis zu einem Monat Haftstrafe bedroht. Explizit eingeschlossen wurden in den Gesetzestext auch Handgesten. Kein Mensch weiß aber, ob darunter beispielsweise auch das keineswegs nur von der PKK verwendete Victory-Zeichen fallen soll. Wie ein solches Verbot exekutiert werden soll, ist außerdem völlig unklar.

Einige dieser Organisationen sind tatsächlich demokratiefeindlich, aber eben keinesfalls alle. Und eine funktionierende Demokratie würde eben auch ein gewisses Maß an Feinden der Demokratie aushalten. Symbol-Verbote sind kein wirksames Mittel gegen Ethno-Nationalismen oder irgendwelche Formen des Politischen Islam. Naiv ist es dabei, nicht nur zu glauben, dass tatsächlich problematische Gruppierungen, wie die Grauen Wölfe, damit plötzlich verschwinden würden, sondern auch, dass es dabei bleiben wird.

Jendenfalls stellt keine diese Gruppen eine Bedrohung für die Sicherheit Österreichs dar. Einige der Gruppierungen sind rechtsextrem und werden wohl kaum auf Sympathien von Linken und Liberalen zählen können. Die PKK wurde wohl aufgenommen, um die türkischen Freunde der derzeitigen Regierung ruhigzustellen. Schließlich sprach gleich der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu bei seiner Amtskollegin Karin Kneissl vor, um die türkische Aufregung über den verbotenen Wolfsgruß und die Symbole der Muslimbruderschaft zu deponieren.

Kalkulierter Versuchsballon

Dass die verbotenen Symbole politisch aus ganz verschiedenen Richtungen kommen, ist Kalkül. Damit soll dem Widerstand gegen das Gesetz der Wind aus den Segeln genommen werden.. Doch es verbirgt sich dahinter mehr: Dieses Gesetz ist ein Versuchsballon. Als nächstes werden andere, vor allem linke Symbole verboten werden. Innenminister Herbert Kickl hat in der Parlamentsdebatte zum Gesetz bereits angedeutet, dass auch auf Hammer und Sichel abgezielt werden soll. Dabei geht es dem Innenminister der FPÖ nicht nur darum Tür und Tor für einen autoritären Staat zu öffnen, sondern auch darum das bestehende Verbot nationalsozialistischer Symbole zu relativieren. Wenn einmal alles verboten wird, wird das Gesetz insgesamt ins Lächerliche gezogen. Ein Symbol der Muslimbrüder oder der PKK wird künftig nicht weniger bestraft als ein Hakenkreuz. Wenn man schon das Verbotsgesetz und das Abzeichengesetz derzeit nicht los werden kann, dann sollen diese zumindest relativiert werden.

Das Symbol-Gesetz ist eine ernsthafte Gefahr für die Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Es öffnet politischer Willkür und der Relativierung des Nationalsozialismus Tür und Tor.

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