Mit dem “Gafferparagraf” gegen couragiertes Einschreiten

Im August beschloss das Parlament den sogenannten „Gafferparagraf“. Als Gesetz gegen Voyeurismus bei Unfällen diskutiert, wird es jetzt gegen das Einschreiten bei Polizeieinsätzen verwendet. Ein Prozessbericht von Bettina Setzer.

Drei Monate auf drei Jahre bedingt. Versuchter Widerstand. So lautet das Urteil von Richterin Elisabeth Reich. Irgendeine Handbewegung auf die Hand der Beamtin wird es schon gegeben haben. Meint sie. Eine schwere Körperverletzung (Vorwurf: kleiner Kratzer) sah sie nicht als erwiesen an. In der Stellungnahme der Angeklagten heißt es zu der Situation: „Ich wollte meinen Ausweis nicht herzeigen, deshalb hat mir die Polizistin den Rucksack weggenommen. Ich habe den Rucksack […] nicht sofort losgelassen, als die Polizistin danach gegriffen hat. Ich habe sie zu keinem Zeitpunkt gestoßen, gekratzt, geschlagen. Einige Zeit später hat sie mir dann vorgeworfen, dass ich sie verletzt hätte. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kratzer von irgendeiner Berührung von mir herkommt.“

Spielzeug Gafferparagraf

Doch wie kam es zu dem Ganzen? Die Angeklagte wollte ihren Namen nicht sagen. Warum sollte sie auch? Ah, sie soll eine Verwaltungsübertretung begangen haben. § 81 Abs 1a SPG. Das ist das neue Spielzeug der Sicherheitsbehörden, da soll sich die Angeklagte doch glatt als ,Schaulustige nicht von einem Unfallort‘ entfernt haben. ‚Schauen‘ und ‚Anwesend sein‘ führt jetzt zu Verwaltungsstrafen. So heißt das Ding ja auch in den Medien, „Gafferparagraf“.

Und das ist ja dann auch der Grund gewesen, warum die Beamtin ihren Namen wissen wollte. „Ich habe zum gegebenen Zeitpunkt am Gürtel gesehen, wie die Polizei zwei männlich gelesene dunkelhäutige Personen an der Wand fixiert hat. Es war während des gesamten Vorfalls keine Erste-Hilfe-Leistung ersichtlich. Eine Person hat geschrien: ‚I have rights!‘ Für mich war klar, dass dies keine Situation ist, in der ich es für mich ethisch vertretbar wäre, weiterzugehen. Als ich die Situation gesehen habe, habe ich mir Sorgen gemacht, dass es sich um Racial Profiling handelt. Auch weil es am Gürtel war. Der Gürtel ist einer von jenen öffentlichen Räumen, die scheinbar nur mehr einem Teil der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollen. Deshalb bin ich stehen geblieben und habe die Polizei gefragt, was sie machen,“ sagt sie. Dann nimmt sie Bezug auf verschiedenste Berichte über Racial Profiling und verweigert nach ihrem Statement die Aussage.

Die Polizei hilft

Was sie sieht, ist also, dass zwei junge, Schwarze Männer an der Wand fixiert werden. Von den Polizist_innen, aber auch von den beiden Türstehern des Chelsea, wie sich später herausstellt. So sieht es eben aus, wenn die Polizei erste Hilfe leistet. Und bei Verwaltungsstrafen reicht ja bekanntlich die fahrlässige Übertretung. Da ist man jetzt schon schnell drinnen, wenn man der Exekutive bei der Arbeit zuschaut.

Es laufen noch Verwaltungsstrafverfahren gegen eine zweite Person. Zu sagen, „das ist scheiß Polizeigewalt“ verletzt ja auch den öffentlichen Anstand in Österreich (§ 1 Abs 1 Z 1 WLSG) und dann wurde das auch noch zu laut geäußert, ungebührlicher Lärm soll das gewesen sein (§ 1 Abs 1 Z 1 WLSG). Es schien auch nicht besonders ratsam, die Hände in Anwesenheit der Beamt_innen zu bewegen, Gestik wird ja rasch als aggressiv gewertet (§ 82 SPG). Und zu diesen Klassikern der „Sie gengan mir jetzt am Oarsch“-Polizeistrafen gesellt sich nun der ,Gafferparagraf‘. Achtung, Schauen wird teuer.

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