Die neue slowenische Koalition gilt in unseren Medien als links. Doch die erfolgreiche Linkspartei Levica ist nicht dabei, sondern stützt die Minderheitsregierung von außen. Warum es soweit kam und was vom neuen Premierminister Marjan Šarec zu halten ist, analysiert Ana Pavlič.
Als Miro Cerar am 14. März als slowenischer Premierminister zurücktrat, verkündete er, dass er „die Macht zurückgibt“ und in Hände der Bevölkerung legt. Eigentlich liegt aber in einer Demokratie die Macht immer in den Händen des Volkes und die PolitikerInnen üben sie nur stellvertretend aus. Cerars Irrtum über das Funktionieren einer Demokratie sagt viel über deren schlechten Zustand in Slowenien aus. Und so schlecht wie seit den jüngsten Parlamentswahlen war es um die Demokratie noch nie bestellt.
Der folgende Wahlkampf wurde von Janez Janša und seiner Slowenischen Demokratischen Partei (SDS) dominiert. Der ehemalige Premierminister wandelte sich in den letzten Jahren zum Rechtsaußen-Politiker und wurde im Wahlkampf von Viktor Orbán unterstützt.
Rechtsaußen Janša dominierte Wahlkampf
Janšas wichtigster Herausforderer war Marjan Šarec, ein ehemaliger Schauspieler, Kabarettist und Präsidentschaftskandidat. Er trat mit einer nach sich selbst benannten Liste an (LMŠ) und positionierte sich links der Mitte – allerdings schwingen seine Ansichten immer wieder von links nach rechts. Unterstützt von den Massenmedien füllte Šarec den Wahlkampf mit der Frage aus, ob er mit Janša koalieren würde. Alle anderen Parteien mit Chancen auf den Einzug ins Parlament schlossen eine solche Zusammenarbeit aus, mit Ausnahme der christdemokratischen Partei Neues Slowenien (NSi).
Der Rechtsaußen Janša konnte sich so als Opfer der restlichen politischen Klasse inszenieren und den Zuspruch seiner UnterstützerInnen weiter ausbauen. Die slowenische Öffentlichkeit wurde somit erneut um eine inhaltliche Debatte gebracht, in der es um tatsächlich wichtige Themen für die Gesellschaft oder gar um den drohenden Niedergang der demokratischen Prinzipien gegangen wäre.
Frischer Wind durch Linkspartei Levica
Die einzige Partei, die frischen Wind in den medialen Raum bringen konnte, war die Linkspartei Levica. Sie verkündete, dass ihre Politik sich nicht für oder gegen Janez Janša richte, sondern an die gesamte slowenische Bevölkerung. Weil Levica auch die Methoden und Konzepte hinter journalistischen Fragen kritisierte, kamen ihre VertreterInnen bei den Wahlkampf-Duellen oftmals nicht zu Wort.
Die Wahl am 3. Juni gewann schließlich Janšas SDS mit 25 Prozent, vor Šarec’ LMŠ mit 12,6 Prozent. Es folgten die sozialdemokratische SD, die Partei des modernen Zentrums SMC und Levica mit jeweils zwischen 9 und 10 Prozent. Der Einzug ins Parlament gelang auch der christdemokratischen NSi mit 7 Prozent, der linksliberalen SAB und der PensionistInnen-Partei DeSUS mit jeweils 5 Prozent und der nationalistischen SNS mit 4 Prozent.
Eine vermeintlich linke Koalition
Da Wahlsieger Janša keine Regierung bilden konnte, formierte sich eine Koalition rund um den Zweitplatzierten Šarec. Sie umfasst mit LMŠ, SMC, SD, SAB und DeSUS gleich fünf Parteien – und verfügt dennoch über keine Mehrheit im Parlament. Als Folge fanden die politischen Spiele, die sonst hinter den Kulissen stattfinden, vor den Augen der Öffentlichkeit statt.
Um ihre Position zu stärken, wandte sich die Koalition, die sich selbst als „links“ bezeichnete, als erstes an die christliche Volkspartei NSi. Das sagt viel über dieses neue Bündnis aus. Denn NSi-Vorsitzender Matej Tonin hatte im Wahlkampf offen über seine Pläne gesprochen, das Recht auf Abtreibung, das in der slowenischen Verfassung festgeschrieben ist, einzuschränken. Im Programm der NSi finden sich außerdem Kritik am „übermäßigen Gebrauch hormoneller Verhütungsmittel“ und der Vorschlag, allen Kindern ab dem sechsten Lebensjahr in den Volksschulen die „Bedeutung familiärer und ehelicher Werte“ zu vermitteln.
Die fünf „linken“ Parteien wählten Matej Tonin sogar zum Parlamentspräsidenten. „Möge Gott Slowenien preisen“, sagte er in seiner Antrittsrede, obwohl in Slowenien die Trennung von Religion und Staat in der Verfassung festgeschrieben ist.
Levica: NATO-Austritt und höherer Mindestlohn
Erst als zwei Verhandlungs-Anläufe mit der NSi gescheitert waren, erging eine Einladung an Levica. Die Linkspartei hatte ihr vorheriges Wahlergebnis beinahe verdoppelt. Mit ihrer Betonung des Kampfs für Menschenrechte hatte sie die politische Debatte belebt.
In den letzten Jahren wurde zunehmend klar, dass die etablierten Parteien, die sich als links oder rechts der Mitte bezeichnen, in erster Linie darauf hinarbeiten, den Status Quo aufrechtzuerhalten. So sorgen sie dafür, dass die Eliten und deren Interessen geschützt werden.
Levica dagegen trat mit Forderungen und einem Parteiprogramm auf, das eine Kürzung des Verteidigungsbudgets, den NATO-Austritt, die Erhöhung des Mindestlohns sowie der Steuern auf Unternehmensprofite und ähnliches vorsieht.
Echte und vermeintliche Alternativen
Unter den vielen Parteien, die in den letzten Jahren neu entstanden sind, ist Levica die einzige, die nicht liberal, sondern klar links auftritt. Ihr Aufstieg ist ebenso wenig überraschend wie jener von Marjan Šarec, dem „neuen und sauberen Typen in der alten und schmutzigen Politik“, oder die Rückkehr des Nationalismus und Hasses auf MigrantInnen, die es der SNS von Zmago Jelinčič ermöglichten, nach sieben Jahren wieder ins Parlament einzuziehen.
Grundlage all dieser Veränderungen sind die Rahmenbedingungen, die der derzeitige Kapitalismus vorgibt. Die neoliberale Politik, die quasi in der gesamten westlichen Welt verfolgt wird, hat Angst und Unsicherheit wachsen lassen. Die einen reagieren darauf, indem sie sich dem Extremismus von Parteien wie der SNS zuwenden. Die anderen vertrauen passiv darauf, dass der „Mittelweg“ der Zentrumspartei und der Liste Marjan Šarec die Lösung aller Probleme ist. Tatsächlich aber schafft der „Mittelweg“ ein ideologisches Vakuum, in dem die Interessengruppen und Lobbys hinter den Parteien weiter ihre Ziele verfolgen können.
Warum Levica nicht in die Regierung ging
Die etablierten Eliten wollen die Illusion nähren, dass sie die tragenden Säulen der Demokratie wären. Dass sie sich in unserem Namen um die Demokratie kümmern. Dass es ausreicht, wenn wir alle paar Jahre zu einer Wahl gehen.
Damit aber lenken sie den Blick weg von den tatsächlich wichtigen Themen: etwa von der schrecklich hohen Jugendarbeitslosigkeit; von der Tatsache, dass zwei Drittel der arbeitenden Bevölkerung weniger als den Durchschnittslohn verdienen und dass die Ungleichheit steigt. Mit ihrer Augenauswischerei bringen sie uns um wichtige Debatten und helfen damit den Status Quo zu erhalten.
Levica zeigte daher eine prinzipientreue Haltung, als sie die Einladung in die Regierung ablehnte. Sie bot Marjan Šarec stattdessen eine projektbezogene Zusammenarbeit und die Stützung seiner Minderheitsregierung im Parlament an.
Offene Fragen an Levica
Dennoch bleibt die Frage offen: Wie viel politische Verantwortung wird Levica übernehmen, wenn die von ihr gestützte Regierung Gesetze einbringt, die ihren Prinzipien und Beschlüssen widersprechen? Wenn die Regierung solche Maßnahmen gemeinsam mit anderen Parteien wie der konservativen NSi beschließen sollte?
Die Tatsache, dass wir nun eine Minderheitsregierung bekommen, mag das Misstrauen in die Politik insgesamt befördern. Wir sollten sie aber auch als Chance sehen, die Aufmerksamkeit auf die Grundlagen der Demokratie zu lenken. Unsere Rechte und Freiheiten sind nicht selbstverständlich. Sie sind kein Ergebnis eines unaufhaltbaren gesellschaftlichen Fortschritts. Sondern das Ergebnis alltäglicher politischer Kämpfe, die wir auch in Zukunft führen werden müssen.
Ana Pavlič ist Politikwissenschafterin und forscht derzeit am Gender Equality Research Institute of Slovenia.
Übersetzung: Edma Ajanovic, Valentin Schwarz