Rassismus bei Austria’s Next Topmodel

„Lern Deutsch!“ Diesen Satz hielt eine Kandidatin einer anderen bei der letzten Folge von Austria’s Next Topmodel vor. Diese hat Fluchterfahrung, seit vier Jahren lebt sie in Österreich. Doch Konsequenzen hatte der rassistische Zwischenfall nicht. Soll er stattdessen Quote bringen?

In einer Zeit, in der Informationen leichtsinnig und unüberlegt ins Netz gestellt und viral verbreitet werden, gilt es umso mehr, ethisch korrekte Rahmenbedingungen zu schaffen, einzuhalten und die Würde aller und des einzelnen zu bewahren. Viele Menschen, besonders Jugendliche, lieben es auf Facebook oder Instagram herum zu scrollen und nehmen sich oft Influencerinnen* oder TV-Talent-Shows als Vorbild. Nicht all diese beliebten Shows und Personen jedoch bieten eine pädagogisch wertvolle Vorbildfunktion. Oft werden fragwürdige Werte vermittelt.

Druck und Träume

Greenwashing, Pinkwashing, opportunistischer Pop-Aktivismus, kapitalistische Einflüsse, Perfektionismus, eine profit- und erfolgsorientierte Gesellschaft, vor allem in den Bereichen der Mode und Schönheit, verpackt in coolen Sprüchen, beeinflussen unsere Jugend täglich. Die Liste der, in eine schöne, coole Hülle gepackten, allerdings eher negativ beeinflussenden Formate oder Personen ist lang. Im Folgenden handelt es sich um die österreichische Sendung „Austria’s Next Topmodel“.

Das Konzept „Talent-Shows“ ist oftmals fragwürdig und eher eine pietätlose Zurschaustellung. Mal abgesehen davon, dass „Austria’s Next Topmodel” und ähnlich nachgeahmte Sendungen, die sich US-amerikanische oder deutsche Versionen als Vorbild nehmen, nicht wirklich erfolgversprechend oder ernst zu nehmen sind, herrschen hier oftmals stärkere misogyne Kontexte und hoher Druck auf Kandidatinnen* vor.

Ohne Konsequenz

Die Teilnehmerinnen müssen geschützt und respektiert werden. Mode und Schönheit müssen weder kapitalistisch, ausbeuterisch, eurozentrisch oder neokolonial sein. Auch cultural appropriation ist oft zwar gut gemeint aber eher eine schlechte Entscheidung. Mode und Schönheit haben Menschen weltweit und seit den frühen Phasen der Entwicklung des Homosapiens und sogar des Neandertalers begleitet. Das Thema Schönheit wird uns also auch weiterhin und auf ewig beschäftigen. Daher ist es notwendig, nachhaltig moralisch korrekte Richtlinien zu setzen.

Mode kann Statements setzen, Mode gehört allen Körperformen, allen Geschlechtern und allen Hautfarben. Mode kann antifaschistisch und feministisch sein. Mode muss veraltete Muster aufbrechen und neue positive Positionen beziehen, die nächsten Generationen bereichern und positiv beeinflussen. Es muss daher wirklich nicht sein, dass die einzige Teilnehmerin mit Migrationserfahrung derart rassistisch angegriffen wird.

„Lern erst mal Deutsch” ist ein höchst bedenklicher Satz, der vergangenen Dienstag auf „Puls4“ eine Kandidatin einer anderen vorhielt. Schlimmer als der Satz selbst ist es, dass jene Aussage keinerlei Konsequenzen für die Kandidatin hatte, die das Gesagte noch dazu stolz zugab. In den meisten Sendungen werden belastende Situationen verurteilt, angesprochen und verarbeitet. Die Jury, die in jenen Sendungen oftmals die Aufgabe der „Erzieherinnen*“ und „Schiedsrichterinnen*“ übernimmt, sollte negative Zwischenfälle kommentieren und falls notwendig sogar Kandidatinnen* entlassen, die andere psychisch oder physisch attackieren.

Selber schuld?

So wurde zumindest beim deutschen Format „Germany’s Next Topmodel“ ein Mädchen aus der Sendung geworfen, die handgreiflich wurde. Rassismus ist auch Gewalt. Rassismus ist psychische Gewalt. Nicht jeder Mensch macht Erfahrung mit Rassismus. Jene, die diese Erfahrung machen, berichten allerdings: Rassismus macht krank und oftmals ist eine lange Teilnahme an Psychotherapie- Sitzungen die einzige Lösung zur Heilung dieser unsichtbaren Wunden.

Die Jury bei „Austria’s Next Topmodel“ schwieg jedoch. Taibeh, eine junge Frau mit Fluchterfahrung aus Afghanistan, wurde von einer Kollegin psychisch attackiert. Diese Kollegin beschloss statt einer inhaltlichen Diskussion, zu einer typischen rassistischen Stammtisch-Parole zu greifen. Sie entschuldigte sich öffentlich nicht und erzählte sogar lachend und vor laufenden Kameras von dem Vorfall. „Puls4“ strahlte diesen „Streit“, vermutlich aufgrund der Einschaltquoten aus. Noch während die Sendung lief, wurde das Video auf die Instagram-Page gestellt und sofort von sogenannten „Fans“ kommentiert. Noch immer ist der „Streit“ auf der Homepage von Puls4 nachzusehen.

So begann das eigentliche Problem. Darunter viele Attacken gegen Taibeh: Sie sei selbst schuld, denn Mensch verstehe sie tatsächlich nicht. Es sei eine österreichische Show und da müssen alle der Sprache mächtig sein. Außerdem werden Kontexte vermischt. So kommt oft das Argument: Taibeh sei selbst schuld, denn sie sei bei einem Fotoshooting aggressiv gewesen und hätte zu sehr Emotionen gezeigt. Dabei war es Thema des Fotoshootings, Emotionen zu zeigen. Genauso wie die einen weinen, die andere lachen, und wieder andere flirten mussten, hatte Taibeh die Aufgabe erhalten, aggressiv und streitend vor der Kamera zu modeln. Das tat sie in ihrer Rolle auch.

Verantwortung ist gefragt

Seitdem das Video von diesem Vorfall online gestellt wurde, attackieren viele Menschen Taibeh. Nicht nur rassistische Kommentare seitens Österreicherinnen* erreichen sie, sondern auch demütigende Nachrichten seitens der konservativen afghanischen Community werden ihr seit Beginn der Sendung gesendet.

Nachdem der Europäische Gerichtshof nun offiziell rechtlich durchsetzte, dass Facebook alle Hassnachrichten nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch international löschen muss, ist zwar ein großer Schritt geschafft, allerdings werden emotionale Narben bei den Opfern und ein bitterer Nachgeschmack zurückbleiben.

Da Instagram zu Facebook gehört, sollten Jury und Verantwortliche der Sendung darauf achten, dass gesendete Hassnachrichten, ob öffentlich oder privat, gelöscht bzw. blockiert werden, und die Kandidatinnen*, in dem Fall Taibeh, in Schutz genommen werden. Medien müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein und ohnehin heikle Themen mit Vorsicht behandeln, anstatt in einer Gesellschaft die nach Likes und Klicks buhlt, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen.

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